Der Eroberer
Banner flatterten im Wind, wenn Armeen die Länder am Mittelmeer durchstreiften. Schiffe ächzten unter der Last schwer gerüsteter Soldaten. Blut strömte wie Wein und Wein wie Wasser. Leichen schmorten in brennenden Festungen, und die Erde bebte unter den Hufen der Reiter Alexanders.
Und nun ritten Gesandte zu den Lagern ihrer Hauptleute, um sie zur Schlacht aufzurufen. Sie wurden gebraucht. Die letzte
Eroberung stand bevor. Doch sie sollte nicht zum Triumph Alexanders werden. Den Triumph würde ein größerer Eroberer davontragen. Manche nannten ihn Ahriman.
Alexanders Hauptleute bestiegen in aller Hast ihre Streitwagen und brachen auf in Richtung Babylonien. Viele mußten Ozeane und Kontinente überqueren.
Jedes Orakel prophezeite Verhängnis – die einen für Alexander, andere für die Welt. Nie, so hieß es, hatte das Böse die Welt so sehr bewölkt wie jetzt.
Die Welt war durch Alexander für Ahriman vorbereitet worden.
Bald würden die Kräfte des Lichts für immer vernichtet sein. Sein endgültiger Sieg mochte vielleicht noch Jahrhunderte ausstehen, doch Ahriman konnte seinen Eroberungsplan in die Tat umsetzen. Die Vollendung war abzusehen.
Ihm standen genügend Werkzeuge zur Verfügung.
4. Kapitel
Simon lehnte sich müde auf der Bank zurück und fuhr mit der Hand über Camillas warme Schultern.
»Fordern nicht alle Helden diese Belohnung von den Frauen,
die sie retten?« fragte er spöttisch.
Sie lächelte ihn liebevoll an.
»Die legendäre Camilla, du erinnerst dich, ließ keine Männer an sich heran. Ich möchte ihrem Beispiel nacheifern.« »Welch trauriger Verlust.« »Für dich vielleicht, aber nicht für mich …«
Simon seufzte gekünstelt. »Na schön«, sagte er, »dann muß ich eben warten, bis du schließlich doch meiner unwiderstehlichen Anziehungskraft erliegst.«
Wieder lächelte sie. »Du bist seit einer Woche hier, und ich habe dir noch nicht nachgegeben.«
»Dein Vater hat gut daran getan, mir die Stellung des obersten Leibwächters zu übertragen, denn ihm droht Verhaftung, wenn Olympias erfährt, daß ich ihre Diener erschlagen habe.« »Merates ist ein guter und weiser Mann«, sagte Camilla in ernstem Ton. »Nur wenige seiner Art sind in Pela übriggeblieben. Er stand Philipp nahe und bewunderte ihn sehr. Aber Alexander will mit den Beratern seines Vaters nichts zu tun haben. Deshalb lebt Merates zurückgezogen.«
Simon hatte bereits in Erfahrung gebracht, daß Camilla die Ziehtochter von Merates und das Kind einer ihm ergebenen päonischen Sklavin war, die schon früh gestorben war. Der Thraker empfand inzwischen großen Respekt für den alten Edelmann und gedachte trotz aller Gefahr, sich in Pela niederzulassen. Außerdem war er verliebt in Camilla. Er machte ihr den Hof. Sie ließ ihn gewähren, ohne ihn ausdrücklich zu ermuntern, denn ihr war klar, was von einem Glücksritter und Wanderer zu halten war. Vielleicht wollte sie ihn prüfen.
Aber die Zeiten verfinsterten sich. Selbst Simon, der kühle Kopf, spürte den aufkommenden Sturm und wurde unruhig. Während er eines Tages eine Gruppe von Sklaven im Umgang mit Schilden unterrichtete, eilte Merates in den Vorhof. »Simon … auf ein Wort.«
Der Thraker lehnte sein Schwert an die Mauer und begleitete Merates ins Haus.
In seine Augen traten Tränen, als der Alte sprach.
»Camilla ist fort. Sie hatte eine Besorgung auf dem Markt zu machen … Jeden Monat begleicht sie unsere Rechnung bei den Händlern, die uns beliefern. Seit vier Stunden ist sie weg … Normalerweise braucht sie nur eine …«
Simon wurde starr. »Olympias? Glaubst du …?« Merates nickte.
Simon machte auf dem Absatz kehrt, lief in seine Gemächer und gürtete sich mit dem Degen, den er von den Magi bekom
men hatte.
Er warf seinem Pferd eine Decke über den Rücken, führte es aus dem Stall und preschte mit eingezogenem Kopf durch das Tor, über die Straßen von Pela in Richtung Innenstadt. Er forschte auf dem Markt nach Camilla. Seit gut zwei Stunden hatte sie niemand mehr gesehen. Kurz entschlossen ritt er ins Elendsviertel am Stadtrand, stieg vor einer bestimmten Tür vom Pferd und klopfte.
Massiva, der schwarze numidische Priester, öffnete persön
lich. Er war wie ein Sklave gekleidet – allem Anschein nach
verkleidet.
»Tritt ein, Simon. Schön, dich zu sehen.«
»Ich brauche Hilfe, Massiva. Vielleicht kann ich mich bei
euch dafür revanchieren.«
Massiva führte ihn hinein.
»Worum geht es?«
»Ich bin sicher, daß Königin
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