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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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sehen?«
    »Die Zeitmaschine?« Glogauer lächelte schwach.
    »Kommen Sie mit. Sehen Sie sich mein Werk an.« »Wieso ich?«
    »Weil ich dachte, daß Sie sich dafür interessieren. Weil ich
weiß, daß Sie nichts von der orthodoxen Sicht der Wissen
schaft halten …«
Glogauer hatte Mitleid mit Sir James.
    Am Tag darauf fuhr er nach Banbury hinaus, verließ das Jahr
    1976 und kam im Jahr 28 nach Christus an.
    In der Synagoge war es ruhig und kühl. Zarter Weihrauchduft hing in der Luft. Die Rabbiner führten ihn auf den Hof. Wie das Volk draußen, wußten sie nicht, was sie von ihm halten sollten, sie waren sich jedoch sicher, daß er nicht vom Teufel besessen war. Sie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, wandernden Propheten Unterkunft zu gewähren. Galiläa war im Moment voll davon, aber dieser Mann war noch seltsamer als die übrigen. Sein Gesicht war unbeweglich, sein Körper steif, und Tränen liefen ihm über die schmutzigen Wangen. Noch nie hatten sie eine solche Agonie im Blick eines Menschen gesehen.

    »Die Wissenschaft weiß, wie, fragt aber nie, warum«, hatte er zu Monica gesagt.
    »Und wer will das wissen?« hatte Monica gespottet.
»Ich.«
»Du wirst es nie erfahren.«
    »Setz dich, mein Sohn«, sagte der Oberrabbiner. »Was willst
du von uns wissen?«
»Wo Christus ist«, sagte er. »Wo ist Christus?«
Sie verstanden seine Sprache nicht.
Kyrios: der Herr.
Adonai: der Herr.
Wo ist der Herr?
Er runzelte die Stirn und sah um sich.
»Ich muß ruhen«, sagte er in ihrer Sprache.
»Woher kommst du?«
    Er wußte nicht, was er antworten sollte. Es fiel ihm nicht ein. »Woher du kommst?«
    »Ha-Olam Hab-Bah …« murmelte er schließlich.
    Sie sahen sich an. »Ha-Olam Hab-Bah«, sagten sie.
    Ha-Olam Hab-Bah; Ha-Olam Haz-Zeh: die Welt, die kommen wird und die Welt, die ist.
    »Bringst du uns eine Botschaft?« fragte einer der Rabbiner. Sie waren an Propheten gewöhnt, aber so einen hatten sie noch nie gesehen. »Eine Botschaft?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte der Prophet, und seine Stimme war heiser. »Ich muß ruhen. Mich hungert.«
    »Komm. Wir geben dir zu essen und eine Stelle zum Schlafen.« Das Essen war gut, aber er brachte nur ein paar Bissen hinunter, und das Bett mit seiner Strohmatratze war ihm zu weich. Er war nicht daran gewöhnt.
    Er schlief schlecht, schrie im Traum, und draußen, vor der Kammer, lauschten die Rabbiner, aber sie verstanden kaum etwas.

    Karl Glogauer blieb einige Wochen in der Synagoge. Die meiste Zeit las er und suchte in den endlosen Schriftrollen nach einer Antwort auf sein Dilemma. Die Worte des Testaments, auf viele Weise auslegbar, verwirrten ihn nur noch mehr. Nichts Greifbares, nichts, woraus zu ersehen war, was er falsch gemacht hatte.
    Die Rabbiner ließen ihn meistens allein. Sie hatten ihn als heiligen Mann akzeptiert. Sie waren stolz, ihn in ihrer Synagoge zu haben. Sie waren überzeugt davon, daß er von Gott auserwählt war, und warteten geduldig darauf, daß er zu ihnen sprechen möge.
    Aber der Prophet sagte fast nichts. Er murmelte Fetzen ihrer eigenen Sprache vor sich hin und Fetzen seiner seltsamen Sprache. In Nazareth sprach das Volk nur noch von dem mysteriösen Propheten in der Synagoge, aber die Rabbiner beantworteten keine Fragen. Sie befahlen den Leuten, sich um ihre Arbeit zu kümmern. Es gäbe Dinge, sagten sie, die zu wissen sie noch nicht imstande seien. Wie schon seit Urzeiten wichen die Priester somit Fragen aus, deren Antworten sie nicht kannten, und gaben sich dabei den Anschein, allwissend zu sein.
    Und dann, an einem Sabbat, erschien er plötzlich im öffentlichen Teil der Synagoge und mischte sich unter das Volk, das zum Gottesdienst versammelt war.
    Der Mann, der aus der Schriftrolle vorlas, stolperte über die Worte und sah den Propheten aus dem Augenwinkel an. Der Prophet aber saß ruhig da und hörte zu.
    Der Oberrabbiner war erst unentschlossen, dann befahl er, daß man die Schriftrolle dem Propheten geben solle. Ein Jüngling führte den Befehl zögernd aus.
    Der Prophet sah lange auf die Worte herunter, dann begann er zu lesen. Anfangs verstand er nicht, was er las. Es war das Buch Jesaja.

    »Der Geist des Herrn ruht auf mir, weil er mich gesalbt hat; er hat mich gesandt, Armen Frohbotschaft zu bringen, den Ge fangenen Befreiung zu verkündigen und den Blinden das Au genlicht, Bedrückte in Freiheit zu entlassen, auszurufen, ein Gnadenjahr des Herrn.«
    (Lukas4:18-20)

    Nachdem er das Buch zusammengerollt hatte, gab er es dem Diener

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