Der Eroberer
kennen glaubten, und er sprach, soweit er sich daran erinnern konnte, in Gleichnissen.
Und mit der Zeit schwand der Zwang, sich ständig für das, was er tat, rechtfertigen zu wollen. Sein Sinn für die eigene Identität wurde so schwach, daß er von einem neuen Sinn für Identität ersetzt werden, und das Wesen der Rolle, die er sich auferlegt hatte, wachsen konnte. Es war eine archetypische Rolle. Eine Rolle, die einem Anhänger Jungs auf den Leib geschrieben war. Eine Rolle, die er bis zum letzten Detail durchspielen mußte.
Karl Glogauer hatte die Realität gefunden, die er immer gesucht hatte.
Da war in der Synagoge ein Mann, der den Geist eines unrei nen Dämons hatte und mit lauter Stimme schrie: »Ha, was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, um uns zu vernichten? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes!« Da fuhr ihn Jesus an und sprach: »Schweig und fahre aus von ihm!« Da riß ihn der Dämon in die Mitte und fuhr von ihm aus, ohne ihm Schaden zu tun. Staunen über kam alle, und sie redeten untereinander und sprachen: »Was ist das für ein Wort? In Vollmacht und Kraft gebietet er den reinen Geistern, und sie fahren aus.«
Und die Kunde von ihm verbreitete sich in allen Orten der Umgegend.
(Lukas 4:33-37)
»Massenhalluzination, Wunder, Fliegende Untertassen, Geister
– es ist alles ein und dasselbe«, hatte Monica gesagt.
»Vielleicht«, hatte er geantwortet. »Aber warum sehen die
Menschen diese Dinge?«
»Weil sie wollen.«
»Und warum wollen sie?«
»Weil sie Angst haben.«
»Das soll der einzige Grund sein?«
»Reicht das nicht?«
Als er Kapharnaum zum erstenmal wieder verließ, folgte ihm eine große Schar. Es war unbequem geworden, in der Stadt zu bleiben, denn die Geschäfte hatten zum Teil geschlossen. Die Menschenmassen, die sich durch die Straßen gewälzt hatten, um ihn seine simplen Wunder wirken zu sehen, hatten jegliche Arbeit unterbunden.
Wenn sie außerhalb der Ansiedlungen Rast machten, sprach er zu ihnen. Und er sprach mit intelligenten, gelehrten Männern, die etwas mit ihm gemein zu haben schienen. Einige davon waren Besitzer von Fischkuttern, zum Beispiel Simon, Jakobus und dessen Bruder Johannes. Ein anderer war Arzt und wieder ein anderer Beamter.
»Zwölf müssen es sein«, sagte er eines Tages zu ihnen. »Es muß einen Tierkreis ergeben.«
Er war nicht achtsam in dem, was er sagte. Viele seiner Ideen waren seltsam, und manches war ihnen unverständlich. Einige Pharisäer glaubten, er lästere Gott.
Eines Tages traf er einen Mann, den er als Essener aus der Gegend von Machärus erkannte.
»Johannes möchte mit dir sprechen«, sagte der Mann. »Lebt er denn noch?« fragte er den Mann.
»Er sitzt in Paräa im Gefängnis. Herodes hat Angst, ihn hinzurichten. Er läßt Johannes innerhalb der Mauern und der Gärten frei herumgehen und läßt ihn mit seinen Leuten sprechen, aber Johannes fürchtet, daß Herodes bald den Mut finden wird, ihn steinigen oder köpfen zu lassen. Er braucht deine Hilfe.«
»Wie soll ich ihm helfen? Er muß sterben. Es gibt keine Hoffnung für ihn.«
Der Essener sah verständnislos in die irren Augen des Propheten.
»Aber, Herr, sonst kann ihm doch niemand helfen.«
»Ich habe alles getan, worum er mich gebeten hat«, sagte der Prophet. »Ich habe die Kranken geheilt und den Armen gepredigt.«
»Ich wußte nicht, daß er dich darum gebeten hat, Herr. Jetzt braucht er deine Hilfe. Du kannst ihm das Leben retten. Du allein.«
Der Prophet hatte den Essener von der Menge weggezogen. »Sein Leben kann nicht gerettet werden.«
»Wenn sein Leben nicht gerettet werden kann, dann werden
sich Frevel und Sünde vermehren, und das Königreich des
Himmels wird nie wiederkehren.«
»Sein Leben kann nicht gerettet werden.«
»Ist es denn Gottes Wille?«
»Wenn ich Gott bin, dann ist es Gottes Wille.«
Verzweifelt wandte sich der Essener ab und entfernte sich von der Menge.
Johannes der Täufer mußte sterben. Glogauer wollte die Geschichte nicht verändern, er wollte sie untermauern.
Er zog weiter mit seinem Gefolge durch Galiläa. Er hatte sich seine zwölf gebildeten Männer ausgesucht. Die anderen, die ihm folgten, waren meistens arm. Ihnen gab er lediglich die Hoffnung auf bessere Zeiten. Viele von ihnen gehörten zu denen, die bereit gewesen waren, sich mit Johannes zusammen gegen die Vorherrschaft der Römer aufzulehnen, aber der Täufer war ja inzwischen eingekerkert. Vielleicht würde auch dieser Mann eine
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