Der Eroberer
und Heilung oder die Voraussage ihrer Zukunft suchen, und er kichert nur und lallt immer wieder seinen Namen.«
»Bist du ganz sicher, daß er – daß er nicht etwas an sich hat, was dir entgangen sein könnte?«
»Und ob wir sicher sind!« fauchte Maria. »Das Geld könnten wir gebrauchen! Wenn er magische Kräfte hätte, dann würden wir uns dafür bezahlen lassen.«
Jesus kicherte und hoppelte in den Raum nebenan.
»Das ist unmöglich«, murmelte der Besessene. Sollte sich die Geschichte geändert haben? Oder befand er sich in einer anderen Zeitdimension, in der Christus nie gewesen war? Joseph schien den Ausdruck der Agonie auf dem Gesicht des
Besessenen bemerkt zu haben.
»Was ist los?« fragte er. »Was siehst du? Du kannst in die Zukunft schauen. Sprich – was steht uns bevor?«
»Nicht jetzt«, sagte der Prophet und wandte sich ab. »Nicht jetzt.«
Er lief aus dem Haus und durch die Straße mit ihrem Geruch nach Eichen und Zedern und Zypressen. Er lief auf den Marktplatz zurück und blieb plötzlich stehen und sah wild um sich. Die Synagoge war direkt vor ihm. Er ging darauf zu.
Der Mann mit dem heiteren Gesicht war immer noch da und kaufte irdene Töpfe für seine Tochter zur Hochzeit. Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den seltsamen Mann, als dieser die Synagoge betrat.
»Er ist ein Verwandter von Joseph, dem Zimmermann«, sagte er zu jemand. »Es würde mich nicht wundern, wenn er ein Prophet wäre.«
Der Besessene, der Prophet, Karl Glogauer, der Zeitreisende, der neurotische, verkappte Psychiater, der Sucher nach der Wahrheit, der Masochist, der Mann mit dem Todeswunsch und dem Messias-Komplex, der Anachronist, betrat keuchend die Synagoge. Er hatte den Mann, den er gesucht hatte, gesehen. Er hatte Jesus gesehen, den Sohn Josephs und Maria, einen kongenitalen Kretin.
»Alle Männer haben einen Messias-Komplex, Karl«, hatte Monica gesagt.
Die Erinnerungen waren mittlerweile weniger greifbar. Sein Sinn für die Zeit und die Identität waren gestört.
»Damals hat es Dutzende von Irren gegeben, die sich einbildeten, der Messias zu sein. Daß Jesus derjenige gewesen sein soll, der den Mythos und die Philosophie weitergetragen hat, ist reiner Zufall. Eine Grille der Zeitgeschichte …«
»Es muß mehr dahintergesteckt haben, Monica.«
Jeden Dienstagabend trafen sich die Anhänger von Jung zu Diskussionen, Gruppenanalyse und Gruppentherapie in dem Raum über dem Occult Bookshop . Glogauer hatte die Sache nicht organisiert, aber seinen Raum zur Verfügung gestellt, und machte gern mit. Einmal in der Woche mit Gleichgesinnten zusammen zu sein, war ein Segen.
Die fast blinde Anbetung der Lehren Jungs hatten die Gruppe zusammengebracht, aber jedes einzelne Mitglied hatte außerdem noch seinen Privatwahn. Mrs. Rita Blen beschäftigte sich in jeder freien Minute mit Ufos. Ob sie allerdings daran glaubte oder nicht, war nicht klar. Hugh Joyce war der felsenfesten Überzeugung, daß jeder Jungsche Archetypus seinen Ursprung in dem Halbgott Atlas habe. Alan Cheddar, der jüngste aus der Gruppe, interessierte sich für den Mystizismus der lateinamerikanischen Indianer, und Sandra Peterson war auf Hexerei spezialisiert.
James Headington beschäftigte sich mit der Zeit. Er war der Stolz der Gruppe; er war Sir James Headington, der Erfinder der Kriegs-Zeit, ein sehr reicher Mann, der die Brust voller Orden hatte. Während des Krieges genoß er den Ruf, ein großer Improvisateur zu sein, aber danach hatte ihn das Kriegsministerium eher als lästig empfunden, denn er galt plötzlich als Spinner, der es nicht lassen konnte, seine Hirngespinste auch noch an die Öffentlichkeit zu tragen.
Sooft sich die Gelegenheit bot, erzählte Sir James den Mitgliedern der Gruppe von seiner Zeitmaschine. Sie lachten ihn aus und hänselten ihn, denn jeder interessierte sich letztlich nur für den eigenen Spleen.
Eines Dienstagabends, nachdem alle schon gegangen waren,
erzählte Sir James, daß seine Zeitmaschine fertiggestellt sei.
»Das glaube ich nicht«, sagte Glogauer.
»Sie sind der erste, dem ich es sage.«
»Und warum ausgerechnet mir?«
»Das weiß ich auch nicht. Sie sind mir sympathisch.« »Die Regierung weiß noch nichts davon?«
Headington lachte. »Wieso auch? Ich muß die Maschine ja erst noch gründlich testen. Geschieht ihnen recht! Hätten sie mich nicht auf ein Abstellgleis abgeschoben.«
»Sie wissen noch nicht, ob die Maschine funktioniert?«
»Ich bin überzeugt davon. Wollen Sie sie
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