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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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heller Stern, der wie brennendes Magnesium leuchtete. Über ihm kreiste majestätisch ein merkwürdiges Dreigestirn, dessen Teile untereinander kaum weiter entfernt waren als Erde und Mond.
    File blickte wieder auf den Datumsanzeiger: etwas über zwanzig Jahre seit Abflug.
    Welche Zeitfolge lag all dem zugrunde? Wo war die Entwick lung, die er untersuchen sollte? Was würde Appeltoft aus diesen Erfahrungen schließen? Wie konnte er nur zu Appeltoft zurückfinden?
    Verzweifelt setzte er die Maschine erneut in Bewegung. In Panik beschleunigte er die Geschwindigkeit und setzte ein Höchstmaß an Energie frei. Diesmal umnebelte ihn kein grauer Dunst; er sah das Universum, durch das er raste.
    Nach einer Weile hatte er den Eindruck, daß die Maschine stillstand, während Zeit und Raum in Bewegung waren. Das Universum purzelte um ihn herum, ein chaotisches Durcheinander aus Kräften und Energien, ohne Richtung, ohne Sinn … Er raste weiter, Stunde um Stunde, als versuche er, vor einer Einsicht zu fliehen, die er nicht wahrhaben wollte. Aber er konnte sie angesichts des Chaos um ihn herum nicht länger verdrängen.
    Die Zeit durchlief keine Folge! Sie bewegte sich nicht auf einem Kontinuum. Sie war ungerichtet, ging weder vor noch zurück oder im Kreis. Genausowenig stand sie still. Sie verhielt sich rein zufällig.
    Das Universum entbehrte jeglicher Logik. Es war nichts als ein Chaos.
    Es verfolgte keinen Zweck, hatte keinen Anfang und kein Ende. Es existierte nur als zufälliges Auftreten von Gasen, Festkörpern, Flüssigkeiten und willkürlichen Strukturen. Wie ein Kaleidoskop fügte es sich zu Mustern zusammen, die eine Ordnung, Gesetze, Formen und Richtung vortäuschten . Aber im Grunde befand sich alles im chaotischen Wandel, im Fluß – der war das einzige, was konstant blieb. Die Zeit folgte keinem Gesetz! Appeltofts Plan konnte nicht aufgehen. Die Welt, aus der File kam, oder jede x-beliebige Welt konnte unvermittelt in ihre einzelnen Bestandteile zerfallen oder aber zu jedem bereits gewesenen Augenblick ins Sein treten, zusammen und in Übereinstimmung mit den Erinnerungen der Menschen . Wer sollte daraus schlau werden? Vielleicht hatte die Europäische Gemeinschaft bloß für eine halbe Sekunde existiert, für die Zeitspanne, die File zum Starten der Maschine benötigte. Kein Wunder, daß er nicht zurückfand!
    Chaos, Fluß, ewiger Tod. Alle Probleme blieben ungelöst. Als ihm dies klar wurde, brach File in ein entsetztes Heulen aus, das ihn nicht mehr losließ. Mit seiner Verzweiflung und Angst steigerte sich die Geschwindigkeit der Maschine. Schneller und schneller stürzte er durch das Getümmel des Universums. Schneller, weiter …
    Die formlose Welt um ihn herum verschwand in zunehmende Ferne, jenseits der Geschwindigkeitsgrenze. Materie zersplitterte, löste sich auf. Von Panik getrieben raste er weiter, bis die Maschine unter ihm zerbarst und sein Körper verfiel.
    Als körperlose Intelligenz trudelte er durchs Nichts. Dann verflüchtigten sich auch seine Emotionen. Seine Gedanken. Seine Identität. Das Gefühl der Bewegung verließ ihn. Max File war verschwunden. Nichts, was zu sehen, zu hören, zu fühlen oder zu wissen war.
    Nur das pure Bewußtsein blieb übrig. Es konnte keine Vorstellungen hervorbringen; dazu fehlte das Organ. Es hatte keinen Namen. Keine Erinnerung. Keine Qualitäten, Attribute oder Empfindungen. Es war einfach nur da . Reines »Ich«. So gut wie nichts.
    Zeitlosigkeit. Der Bruchteil einer Sekunde entsprach Milliarden von Jahren.
    Es war demnach für File später unmöglich, seinen Aufenthalt in der Leere des Nichts irgendeinem Zeitraum zuzuordnen. Als er wieder aufzutauchen begann, überspülte ihn die ungeordnete Fülle aller möglichen Eindrücke.
    Zuerst hatte er nur ein vages, verschwommenes Gefühl. Dann kehrten langsam weitere Qualitäten zu ihm zurück. Bewegung setzte ein. Chaotische Materie machte sich bemerkbar – unzusammenhängende Partikel, fließende Energien und verworrene Strukturen.
    Ein Name prägte sich seinem Bewußtsein ein: Max File. Dann ein Gedanke: Das bin ich.
    Um ihn herum nahm die Materie Formen an; bald hatte er wieder einen Körper. Erinnerungen tauchten auf, vervollständigten sich. Er akzeptierte jetzt seine Existenz im unorganisierten Universum. Er seufzte. Im selben Moment erschien unter ihm die Zeitmaschine in alter Form.
    Das einzige, was ihm jetzt übrigblieb, war der Versuch, nach Genf zurückzukehren, so gering die Erfolgschancen auch sein

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