Der Eroberer
aufzunehmen. Er müsste mit der Entwicklung der Dinge höchst zufrieden sein. Guy war ein tapferer Ritter; ihn an der Nordgrenze seines Lehens zu wissen, war eine große Beruhigung. Rolfe hatte bereits beschlossen, noch mehr Söldner in seinen Dienst zu nehmen und sie hier im Grenzgebiet in Garnison zu legen.
Ceidre. Sehnte sie sich nach ihrem Gemahl? Bitterkeit nagte an Rolfes Eingeweiden. Er entfernte sich vom Lagerfeuer, um seine unerklärliche Unruhe loszuwerden.
Sie liebte Guy. Leichtfertig war die Bezeichnung, die ihm für sie in den Sinn kam; sie war leichtfertig und unbeständig. Wie war das möglich? Mit einer Vergewaltigung konnte er das Herz dieser Frau nicht gewinnen.
Aber war danach nicht etwas anderes gewesen? Er schnaubte verächtlich. Was kümmerte ihn ihr Herz! Liebe war etwas für Narren – für Weiber und Milchbärte. In Wahrheit gab es die Liebe gar nicht, sie war nur eine höfliche Umschreibung für Wollust. Empfand sie in Guys Armen wirklich dieselbe Leidenschaft, dieselbe Glut wie mit ihm? Er redete sich zum hundertsten Male ein, dass er sich nicht darum scherte, dass er freie Wahl unter den Schönen des Landes hatte, die sich im Dunkeln kaum voneinander unterschieden.
Er war bis zum Dorf gewandert und wollte schon umkehren, als plötzlich heiseres Lachen an sein Ohr drang, das er als Guys Lachen erkannte. Rolfe spähte in die Dunkelheit.
Unter einer Eiche, vom Mondlicht schwach beschienen, nahm er ein Liebespaar wahr. Seine Neugier war geweckt.
Er musste wissen, ob es sich tatsächlich um Guy handelte. Er näherte sich lautlos, bis er seiner Sache sicher war.
Guy lag mit dem Rücken gegen den Baum gelehnt, die Frau saß rittlings auf ihm, die Röcke bis zu den Hüften geschürzt. Die beiden bewegten sich rhythmisch in eindeutiger Pose. Rolfe spürte Zorn in sich aufsteigen.
Er blieb reglos stehen und wartete, bis die beiden fertig waren. Die Frau erhob sich, strich sich kichernd die Röcke glatt. Guy stand ebenfalls auf, zog die Hose hoch und schlug ihr klatschend auf den Hintern. Als er Rolfe sah, erschrak er. Auch das Mädchen hatte ihn bemerkt und warf ihm anzügliche Blicke zu, die Rolfe nicht beachtete, worauf sie sich enttäuscht trollte.
»Sucht Ihr mich, Mylord?«
»Nein, ich komme nur zufällig vorbei.« Die beiden machten sich gemeinsam auf den Rückweg ins Lager.
»Du bist deiner Gattin nicht treu«, sagte Rolfe ohne Umschweife. Es war eine Feststellung, hörte sich aber an wie der Beginn eines Verhörs.
Guy räusperte sich verlegen. »Nein. Wieso auch? Ich bin zu jung, um mich mit einer einzigen Frau zufriedenzugeben, noch dazu mit einer Hexe. «
»Sie ist keine Hexe, Guy«, entgegnete Rolfe unwirsch.
»Tut mir leid, ich vergaß, dass Ihr anderer Meinung seid.« Guy wirkte unruhig, unsicher.
»Ich wundere mich«, fuhr Rolfe bedächtig fort, »dass du, nachdem du sie in den Armen gehalten hast, das Verlangen nach anderen Frauen verspürst.« Sein funkelnder Blick durchbohrte den Gefährten.
Guy schwieg beklommen. Rolfe fragte sich, ob er verlegen war, weil seine Bemerkung sich unverhohlen darauf bezog, dass er, Rolfe, seine Gattin als erster bestiegen hatte. Schließlich hob Guy die Schultern. »Ich bin eben jung.« Mit gesenktem Kopf ging er weiter.
Wäre Rolfe mit Ceidre verheiratet, hätte er weder die Energie noch das Verlangen, sich anderen Frauen zuzuwenden. Gedankenvoll ruhte sein Blick auf dem Freund. Und er fragte sich, was Ceidre empfinden würde, wenn sie wüsste, dass ihr Gatte sich so sorglos mit anderen Frauen vergnügte.
»Nehmt sie fest«, schrie Alice.
Ceidre, die die Fackeln in den Wandhaltern der Halle entzündete, erschrak. Zwei Normannen stürmten vor, und einer packte sie am Arm. Beltain stand mit verdüstertem Gesicht neben Alice. »Was wollt Ihr von mir?« rief Ceidre aufgebracht.
Alice' Gesicht verzog sich zu einer hässlichen, höhnischen Grimasse. »Du hast ein letztes Mal Verrat begangen, Ceidre. In Abwesenheit meines Herrn sehe ich mich verpflichtet, ihn und seinen Besitz zu beschützen. Nehmt sie fest!«
»Verrat?« entfuhr es Ceidre. »Ich habe nichts getan.«
Beltain hielt ihr ein Stück Pergament unter die Nase. »Eine Magd fand das in Eurer Kammer«, beschuldigte er sie.
Ceidre sah sich das Schriftstück an. »Ich weiß nicht, was das ist.«
»Es ist an Euch adressiert. Von Eurem Bruder Edwin.«
Ihr Herzschlag setzte aus, um doppelt so schnell weiter zuschlagen. »Das ist eine Lüge! Ich habe nichts damit zu tun! Das habe
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