Der Eroberer
entwischte ihm, schwang sich wie ein Eichhörnchen durchs Geäst seitlich an ihm vorbei, wieder nach unten und sprang auf die Erde. Sie lachte über seinen verdatterten Blick, blieb unter ihm stehen, die Hände in die Hüften gestemmt. »Es sieht reichlich kindisch aus, wie du in diesem Baum hängst, Mylord, und der Ast wird gleich brechen! «
Als er absprang, rannte sie los, er hinterher. Er griff nach ihr; sie wich aus, suchte Schutz hinter dem nächsten Baum. Er hechtete nach rechts, sie duckte sich nach links; er sprang nach links, sie schlug einen Haken nach rechts und lachte die ganze Zeit dabei. Rolfe feixte. Er machte eine Finte nach links, in der Hoffnung, sie würde wieder einen Haken nach rechts schlagen. Sie tat es und lief ihm direkt in die Arme. Mit einem Triumphschrei hob er sie hoch über den Kopf und wirbelte sie im Kreis herum.
»Lass mich runter«, rief sie.
»Aber du magst es doch gern hoch oben«, meinte er unschuldig. »Ist es dir nicht hoch genug?«
»Du lässt mich fallen«, rief sie lachend.
»Nie und immer«, antwortete er und drückte sie an seine Brust. Sie schlang die Arme um seinen Hals. »Was treibst du für ein Spiel mit mir, Ceidre?« fragte er heiser.
Ihre veilchenblauen Augen senkten sich tief in die seinen. »Ein lustiges Spiel«, meinte sie schlicht. »Hat es dir nicht gefallen?«
Er knurrte, war sich beim Fangen wie ein sechsjähriger Junge vorgekommen. »Das gefällt mir viel besser«, raunte er und nagte an ihrem Kinn, forderte ihren Mund mit mühsam verhaltener Leidenschaft.
»Willst du mich hier nehmen?« japste Ceidre, als er in die Knie ging und sie mit sich zog.
»Ja, hier im Gras«, raunte er. »So wie ich es tun wollte, als ich dich zum ersten Mal sah.«
Ceidre sah ihn an.
Er lag auf dem Rücken, sein Kopf ruhte auf ihren zusammengerollten Kleidungsstücken im Stroh, er blickte abwesend vor sich hin. Ceidre lag halb auf ihm, ihr Kinn auf seiner Brust, ihre Beine waren mit seinen verschlungen. Seine Hand lag an ihrem Steißbein und streichelte sanft über die Rundung einer Gesäßbacke.
Es war Nacht geworden, und sie hatten sich wieder im Stall getroffen. Rolfe war entspannt, die harte Linie seines Mundes weich, er strahlte tiefe Zufriedenheit aus. Wie schön er ist, dachte Ceidre, und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Rolfe sah sie an, und seine blauen Augen leuchteten so liebevoll, dass Ceidre glaubte, das Herz müsse ihr aus der Brust springen.
»Warum siehst du mich so an?« fragte er. Seine Hand glitt nach oben und seine Finger spielten in ihrem Haar.
»Ich betrachte dich gern, Mylord«, sagte sie kühn. »Dein Anblick raubt jeder Frau den Atem. Und das weißt du auch.«
Er lächelte. »Findest du mich schön?«
»Du weißt, dass es so ist. Du übst eine große Anziehungskraft auf mich aus und lenkst mich sogar von der Arbeit ab.«
»Gut«, meinte er seelenruhig und spielte mit ihrem Ohrläppchen. »Dann sind wir Quitt. Weil ich in deiner Gegenwart schon lange nicht mehr klar denken kann.«
Seine Worte schmeichelten ihr, und um ihre Freude zu verbergen, grub sie das Gesicht in sein dichtes Brusthaar.
Wie konnte sie nur so glücklich sein? Im hintersten Winkel ihres Verstandes machte sich ständig eine lästige, störende Stimme bemerkbar, die immer lauter wurde. Das hier geschieht nicht wirklich, sagte diese innere Stimme.
Du hast ihn aus einem bestimmten Grund verführt. Vergiss das nicht!
Sie aber wollte vergessen, sehnte sich danach zu vergessen. Selbst wenn sie nur bis zu dem Tag vergessen könnte, an dem sie ihre Spitzeldienste wiederaufnehmen musste. Als sie ihren Brüdern versprochen hatte, seine Buhle zu werden, hätte sie sich nie träumen lassen, dass es so schön sein würde. Zugegeben, er war hochfahrend und selbstherrlich, er konnte schroff und herrschsüchtig sein, aber er konnte sich auch unendlich zärtlich und sanft geben. Sie Hasste ihn längst nicht mehr. Wenn sie getrennt waren, konnte sie kaum an etwas anderes denken als an ihn; ihr Blut geriet beim bloßen Gedanken an ihn in Wallung. Seit sie ungebeten in sein Bett geschlüpft war, sehnte sie sich nur danach, in seinen Armen zu liegen.
Sie wollte nicht an die Zukunft denken, wollte einfach so tun, als sei das, was zwischen ihnen war, Wirklichkeit, unbelastet von Politik, Krieg und Verrat.
Sie liebkoste seinen Arm, spürte seine dichte Behaarung, die seidige Haut, die harten Muskeln und Sehnen. Sie wandte ihm das Gesicht zu. »Mylord? Wird es dir nicht
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