Der Eroberer
Würgen an. Hätte er etwas an diesem Tag gegessen, hätte sein Magen den Inhalt von sich gegeben. »Ceidre«, stieß er hervor und hielt sie mit einem Arm um ihre Mitte fest.
»Fass mich nicht an«, röchelte sie, setzte sich aber nicht gegen ihn zur Wehr.
Unendlich sanft hob er sie in seine Arme. »Je le regrette«, raunte er.
Sie wimmerte und klammerte sich an ihn, barg ihr Gesicht an seinem Hals.
Kapitel 26
Rolfe trug sie ins Haus und die Stiege hinauf. Er wollte sie in seine Kammer bringen, doch die Vernunft gebot ihm, sie in den Söller zu tragen, wo er sie behutsam bäuchlings auf das Bett legte, in dem Alice genächtigt hatte, ehe sie seine Gemahlin wurde.
Alice war ihm auf den Fersen. »Was macht Ihr da?« kreischte sie spitz. »Sie muss ins Verlies geworfen werden!
Ihr habt sie ohnehin zu nachsichtig behandelt … «
Rolfe fuhr zornfunkelnd herum. »Euer Verhalten ist beschämend.«
Alice erstarrte.
»Geht in die Kammer und denkt darüber nach, wie sich eine Herrin zu benehmen hat.«
Alice' Augen weiteten sich. »Wollt Ihr mich einsperren?«
»Geht!« donnerte Rolfe. »Und kommt mir erst wieder unter die Augen, wenn ich Euch rufe! «
Alice machte auf dem Absatz kehrt und entfernte sich.
Rolfe schloss die Augen, um das Bild dieser Frau abzuschütteln, die begierig lüstern zugesehen hatte, wie Ceidre sich vor Schmerz unter den Peitschenhieben wand. Ihn schauderte vor Abscheu, welchen Genuss Alice bei der Züchtigung ihrer Schwester empfunden hatte. Dann ließ er sich auf ein Knie nieder und hob die Hand, wollte sie berühren, doch Ceidre hob den Kopf und funkelte ihn an, die Augen vor Schmerz verdunkelt – und vor Hass. »Geht weg!« fauchte sie.
Rolfe ließ die Arme sinken. Dann erhob er sich.
»Ich schicke dir jemand, um deine Wunden zu verbinden«, krächzte er. »Und du bleibst im Söller, bis du wieder gesund bist.« Er wollte sie in seiner Nähe haben, er wollte, dass sie gesund gepflegt wurde.
»Was?« fragte sie hohntriefend. »Ihr hört nicht auf Eure reizende Gemahlin? Ihr werft mich nicht ins Verlies?
Kommt Euer Erbarmen nicht reichlich spät?« Eine Träne quoll über und lief ihr langsam die Wange hinunter.
Rolfe wusste, wie ihr zumute war. Er beobachtete die Spur der Träne, wünschte den Mut aufzubringen sie wegzuwischen – er, dem es noch nie an Mut gefehlt hatte. Sein Blick wanderte zu ihrem zerschundenen Rücken, über und über bedeckt mit aufgequollenen Striemen und drei blutige n Schnitten, wo die Haut unter der Peitsche geplatzt war. Sie würde Narben davontragen.
»Ceidre … « brach es gequält aus ihm heraus.
Sie bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick und drehte das Gesicht zur Wand.
Rolfe betrachtete sie. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zu gehen, auch wenn es ihm widerstrebte, sie allein zu lassen in ihrem zerschundenen Zustand. Er wandte sich ab.
Erst als die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, ließ Ceidre ihren Tränen freien Lauf.
»Schon gut, schon gut«, raunte die alte Frau tröstend. »Ich weiß, es tut weh. Halt still.«
Ceidre biss die Zähne aufeinander, während ihre Großmutter die Wunden auswusch, damit sie nicht eiterten. Die geringste Berührung schmerzte höllisch, ihr Rücken brannte wie Feuer. Sie kniff die Augen zusammen, Tränen liefen ihr übers Gesicht.
»Du bist stark, mein Kind« raunte die Großmutter mit ihrer tiefen Stimme, eine steinalte Frau mit schlohweißem Haar und Ceidres dunkelblauen Augen im verwitterten Gesicht. »Bald ist alles wieder verheilt.«
»Du schimpfst mich nicht aus?«
»Ich kenne dich, Ceidre. Du hast nur getan, was du tun musstest.«
»Ich muss meinen Brüdern helfen, ich muss einfach.«
»Schsch, reg dich nicht auf.«
Ceidre barg ihr Gesicht im Kissen, während die alte Frau feuchte Umschläge auf ihre Wunden legte. »Ich hasse ihn«, knirschte Ceidre zwischen den Zähnen. »Er hat kein Herz.«
»Ach nein?« fragte die alte Frau. »Deshalb hat er dir die Fesseln durchgeschnitten und dich ins Haus getragen unter den Augen von ganz Aelfgar und seiner Männer?«
Ceidre stieg Hitze in die Wangen. »Vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen, das würde mich freilich sehr wundern.« Doch sie sah seine Augen vor dem Auspeitschen, die er in die ihren gesenkt hatte, Aufruhr und Schmerz waren darin zu lesen gewesen. Und sie hörte seine heisere Stimme, als er ihren Namen gekrächzt hatte … wie ein Flehen. Aber warum?
»Er hat seine Pflicht getan, nicht anders als du«, sagte ihre
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