Der Eroberer
ihren Ohren nicht zu trauen. »J… ja«, stammelte sie.
Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Ungewöhnlich für eine Frau.«
»Ja.«
»Aber du bist ohnehin ziemlich ungewöhnlich, hab' ich recht?«
Sie hielt seinem Blick stand. Worauf wollte er hinaus? Bezog sich seine Bemerkung auf ihren bösen Blick? Er lächelte und rollte das Schriftstück auf, hielt es hoch und studierte es. Dann senkte er es wieder. »Ich kann nicht lesen. Lies mir vor.«
Ceidres Herzschlag setzte aus, um doppelt so schnell weiterzuschlagen. Ihre Hände zitterten, als sie die Schriftrolle entgegennahm. Sie wagte nicht, ihn anzusehen. »Der König«, begann sie mit belegter Stimme und räusperte sich.
»Der König lässt Euch grüßen. Und weiter heißt es … «, das Herz wurde ihr schwer beim Weiterlesen. »Ein Spion wurde gefangengenommen, ein Spion … meiner … Brüder.«
»Lies weiter.«
»Die Rebellen planen wieder einen Aufstand, doch der Spion konnte keine Auskunft geben, wann oder wo er angezettelt werden soll. Vielleicht schon bald. Diese Botschaft ist eine Warnung.« Hastig rollte sie das Schriftstück zusammen. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander. Wen hatten die Häscher des Königs gefangengenommen?
Plante Edwin tatsächlich einen Aufstand? Jetzt schon? Es war zu früh! Die Normannen waren gewarnt. Sie warteten nur darauf. Sie musste Verbindung mit Edwin aufnehmen!
Ceidre spürte seinen eindringlichen Blick. Errötend reichte sie ihm die Rolle, die er in die Kerzenflamme hielt. Mit gleichmütigem Gesichtsausdruck sah er zu, wie sie verbrannte. Doch sein Verstand arbeitete.
Der Köder war geschluckt. Die Falle war ausgelegt.
Teddys Vater war Ceidres Onkel Feldric, der Bruder ihrer Mutter, zwölf Jahr älter als Ceidre und verwitwet. Sein jüngster Sohn Teddy war vierzehn. Ceidre war scheinbar ziellos ins Dorf geschlendert und sich wohl bewusst, dass ihr einer von Rolfes Männer auf den Fersen war. Wie zufällig begegnete sie Feldric, der hinter seiner Hütte Brennholz aufstapelte. »Ich kann nicht«, knurrte er.
»Du musst, ich flehe dich an!« raunte Ceidre eindringlich.
»Warum ausgerechnet ich?« fragte Feldric und fuhr sich hastig durchs Haar.
»Überlege doch, meine Brüder sind in Gefahr«, zischte sie. »Feldric, wir müssen sie warnen, dass die Normannen Wind von ihren Plänen bekommen haben. Ich würde ja selbst gehen«, beschwor sie ihn eindringlich, »aber der Kerl läßt mich auf Schritt und Tritt bewachen. Heute Nacht kannst du dich fortschleichen. Sobald du in den Sümpfen bist, weist dir jeder sächsische Bauer den Weg. Bitte!«
Feldric seufzte. »Wenn du meinst«, brummte er schließlich. »Ich versuche es. Aber wenn ich sie in zwei Wochen nicht gefunden habe, kehre ich um.- «
»Danke dir, Feldric«, seufzte Ceidre erleichtert. »Vielen Dank. «
In der Nacht machte Feldric sich zu Fuß auf den Weg.
Beltain folgte ihm.
Kapitel 33
Ceidre erwachte am nächsten Morgen mit einem Gefühl bevorstehenden Unheils. Dazu mischte sich Besorgnis über das, was sie tags zuvor erfahren hatte, aber auch ein Gefühl von Stolz, selbst einen Boten losgeschickt zu haben, um ihre Brüder zu warnen. Endlich konnte sie etwas für Edwin und Morcar tun. Es war ein persönlicher Sieg – sie hatte den Normannen überlistet. Es war ihr tatsächlich gelungen, ihn zu täuschen.
Während des Mittagsmahls streifte sein Blick sie gelegentlich. Ceidre vermied es, in seine Richtung zu sehen aus Furcht, er würde ihr das schlechte Gewissen anmerken. Dabei schalt sie sich, es bestehe kein Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben, es sei schließlich ihre Pflicht, ihre Brüder im Kampf gegen den Normannen zu warnen.
Dennoch nagten Gewissensbisse an ihr, oder etwas, das dem sehr ähnlich war.
Beth kippte ihr das Servierbrett beinahe auf den Schoß, während sie Ceidre ins Ohr flüsterte, sie solle zu ihr in die Küche zu kommen. Ceidre bemühte sich, ihre Überraschung zu verbergen. Sie kannte Beth von Kindheit an, ohne mit ihr befreundet zu sein. Dass Beth ihr heimlich etwas sagen wollte, weckte Neugier und Hoffnung in ihr.
Nach dem Mittagsmahl ritten der Normanne und seine Männer zur Jagd. Ceidre, die immer noch von ihrem ›Schatten‹ verfolgt wurde, einem Mann, dessen Name sie nicht einmal kannte, schlenderte scheinbar ziellos über den Hof und traf Beth im Eingang zur Küche. »Was gibt's?« flüsterte Ceidre.
Beth' Gesicht war vor Aufregung krebsrot. »Ich habe Morcar gesehen«, wisperte sie und warf
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