Der erste Marsianer
Fall der Würfel. Er blickte nicht sofort zu General Clark und versuchte sich auf seine erste Wette zu konzentrieren. Als er einen kleinen Gewinn einstrich, drückte er seinen linken Arm leicht gegen die Pistole in seinem Schulterhalfter. Die Waffe war noch dort, bereit für die Krise, die in wenigen Minuten kommen mußte.
Er verlor zweimal hintereinander, und dann, als er selbst zu würfeln hatte, gewann er seine Einsätze zurück. Als er den Knobelbecher weiterreichte, riskierte er einen ersten Blick zu General Clark. Ein aufmerksames und mißtrauisches Augenpaar begegnete diesem forschenden Blick. Der General sagte beiläufig:
„Sie sind gekommen, um mit mir zu sprechen, Roberts?“
Morlake legte seine rechte Hand auf die Tischkante, die Finger leicht gekrümmt und nur eben die Platte berührend. Von da waren es nur dreißig Zentimeter zu seiner Waffe.
Er sagte mit fester Stimme: „General, Sie sind ein kluger Mann, aber Sie haben es sich nicht ganz richtig ausgedacht.“
In seiner Stimme war ein Unterton, der Beginn von Spannung und von tödlicher Absicht. Die Atmosphäre im Raum veränderte sich. Die Offiziere merkten auf und tauschten verdutzte Blicke. Senator Tormey sagte:
„Es wird warm hier drinnen. Ich glaube, ich rufe einen meiner Wächter, daß er die Fenster weiter öffnet.“
„Ich werde es tun, Sir.“ Morlake war schon auf den Beinen, ohne eine Zustimmung abzuwarten.
Er untersuchte die Fenster und sah, daß sie, wie er erwartet hatte, aus dickem, kugelsicherem Glas waren. Was er dann tat, beruhte auf einer profunden Entdeckung, die er in den vergangenen sechs Monaten gemacht hatte: sagt man, daß man etwas tun will, und geht dann hin und tut etwas Ähnliches, so bemerkt niemand den Unterschied – wenigstens nicht gleich.
Mit aller Selbstverständlichkeit, der er fähig war, schloß und verriegelte er die drei Fenster und kehrte dann an den Tisch zurück. Die Würfel rollten weiß über den grünen Filzbelag. Senator Tormey gewann von mehreren der Offiziere. Als er den Gewinn einstrich, sagte General Clark:
„Morley Roberts. Der Name klingt vertraut, aber das Gesicht erlaubt eine bessere Identifikation. Angenommen, wir drehen den Namen ein wenig herum und sagen Robert Morlake, früherer Captain der Armeeflieger, vom Kriegsgericht zu dreißig Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Klingt das nicht überzeugender?“
Er hob seine Stimme. „Meine Herren, warten Sie!“ Die Männer um den Tisch erstarrten. Zwei hatten bereits ihre Stühle zurückgestoßen, einer hatte seine Hand unter dem Uniformrock. Der Senator entspannte sich als erster. Er saß an einer Längsseite des Tischen, vom General ungefähr so weit entfernt wie von Morlake, und er summte leise vor sich hin. Clark sagte:
„Sie sind heute abend als Senator Tormey Gast gekommen. Ich nehme an, er weiß, wer Sie sind.“
„Ich bin überzeugt, daß der Senator mich erkannt haben muß“, sagte Morlake. „Aber ich möchte zur Sache kommen. Meine Herren, dies ist ein gefährlicher Augenblick, nicht eigentlich wegen mir – ich bin nur ein katalytisches Agens –, sondern weil mein Erscheinen einer bestimmten Person die Möglichkeit gab, einen schon früher ausgearbeiteten Plan auszuführen.
Es war meine Absicht, daß er mich für seinen Plan verwenden sollte, denn nur so konnte ich ihn für meinen gebrauchen.
Ein paar Worte über die äußeren Umstände sind angebracht: Stellen Sie sich einen reichen Kongreßabgeordneten vor, skrupellos und mit unbegrenzten Ambitionen. Es fällt ihm nicht schwer, sich selbst als einen Berufenen zu sehen, der nur von der Dummheit der anderen am Aufstieg zur Macht gehindert wird. Nachdem er Senator geworden ist, entdeckt er in zwei aufeinanderfolgenden Präsidentschaftswahlen, daß er keine Chance hat, an die Spitze des Staates zu kommen. Seine Erbitterung über diesen Fehlschlag ist irrational, seine Rachsucht durch nichts ausbalanciert. Seine Frau beginnt sich Sorgen zu machen, aber sie ahnt nichts von der wahren Bedeutung seiner Pläne und von den Zielen der Organisation, die die er im Süden der Vereinigten Staaten aufbaut; der Haß und die Gewalttätigkeit des Mannes – so erzählt sie mir später – waren von oberflächlicher Höflichkeit und weltmännischen Manieren verdeckt. Am Tag der Katastrophe befindet er sich an einem sicheren Ort – sehr zufällig. Danach erweist sich die Armee als das Haupthindernis auf dem Weg zu seiner Machtergreifung, aber als kluger Taktiker findet er auch hier
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