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Der erste Sommer

Der erste Sommer

Titel: Der erste Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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beeindrucken würde. Aber es war teuer, zu teuer. Also musste er doch mit Gudrun spielen. Einmal noch, aber dann wäre Schluss. Ein für alle Mal.
    »Aber natürlich habe ich deine Scheine, mein kleiner Räuberhauptmann. Komm doch rein.« Gudrun zog ihn an der Hand in die Wellblechhütte. Sie teilte sie sich mit drei Freundinnen, Flüchtlingen besser gesagt. Aber für diese Nacht gehörte das Feldbett ihr allein.
    Zu anderen Zeiten hätte Gudrun mit ihren 26 Jahren, mit den blauen Augen und dem kleinen Stupsnäschen jeden Mann haben können. »Schätzchen«, riefen ihr die Männer nach, die den Schutt wegräumten, wenn sie mit ihrem kurzen grauen Rock – geschneidert aus einem Wehrmachtsmantel – von der Arbeit über den Karlsplatz stolzierte, mit einem hübschen Hut über der Dauerwelle. Aber sie war wählerisch, nicht jeder dahergelaufene DP’ler oder Kriegsinvalide würde sie bekommen, nur ein Engel. Sie war eine moderne Frau mit Ansprüchen.
    »So ein schöner Mann wie du darf nicht kriminell werden. Wofür brauchst du nur das viele Geld?«, fragte sie Ferdinand. Wie jedes Mal.
    »Ich muss ein Geschenk kaufen.« Er presste die Lippen aufeinander.
    Gudrun zuckte zusammen, als hätte man sie geschlagen. Spitz fragte sie: »Für eine andere Frau? Oder für deine kranke Mutter?« Sie zupfte bettelnd an seiner Hose. Nur eine kleine Lüge, und ihr Abend wäre gerettet. Wieder starrte er sie so aufregend gefährlich an, wie nur echte Engel gefährlichsein konnten. Ihr gruselte wohlig. »Leidet sie wieder, die Arme?«
    Einen Moment lang dachte Ferdinand an seine »liebe Mutter«. Aber nur einen Moment. Bei ihrer letzten Begegnung existierte von ihr nur noch die obere Hälfte. Den Unterleib hatte eine Granate zerfetzt. Langsam nickte er.
    »Das teure Penicillin! Wusste ich es doch! Was für ein Held du bist, dich so für sie abzurackern. Aber du darfst mich nicht erschrecken, sonst falle ich auf der Stelle tot um, und was tust du dann?«
    Er schwieg.
    »Du solltest nicht so hart für deine liebe Mutter arbeiten. Sie will sicher auch, dass aus dir ein Polizist wird oder etwas Bedeutendes. Mit einem Studium. Vielleicht sogar ein Richter. Etwas, womit sich ein bisschen renommieren lässt.«
    Bei all seiner Hübschheit, so richtig wollte ihr Verhältnis nicht vom Fleck kommen, so sehr sich Gudrun auch anstrengte. Kennen gelernt hatten sie sich beim Schlangestehen drei Wochen zuvor. Augenblicklich war sie Ferdinand verfallen und stellte sich für ihn stundenlang an, während er auf einer Wiese in der Sonne auf sie wartete. Dann lud sie ihn zu einem Stück Kuchen ein und zahlte selbst. Mit ihrem eigenen Geld. Sie arbeitete als Putzfrau in einer Druckerei. Als sie ihm das erzählte, wurde Ferdinand hellhörig. Bald schon zahlte sich ihre Bekanntschaft für ihn aus. Für ihn stahl sie die frisch gedruckten Benzingutscheine, und er verkaufte sie mit dem Chef der Panther-Bande auf dem Schwarzmarkt. So genau wollte sie nicht wissen, wie er die Scheine zu Geld machte, schließlich ergaunerte er sich die Medikamente für seine schwerkranke Mutter. Gudrun zog die bunten Papiere aus der Tasche und wedelte damit vor seiner Nase herum.
    »Schau, was ich für dich habe.«
    Brüsk riss er ihr die Scheine aus der Hand und zählte sie.
    »Das reicht nicht. Hast du den Schlüssel von der Druckerei? Ich brauche mehr.«
    Sie schmollte wie ein kleines Kind.
    »Ach du!«
    »Wenn ich meiner Mutter nicht genug Geld bringe, stirbt sie. Und du siehst du mich nie wieder.«
    Das Lügen ermüdete Ferdinand.
    »Sag so etwas nicht, so etwas darf man nicht einmal denken.«
    »Dann gib mir den Schlüssel.«
    »Wenn du mir einen Schmatz gibst!«, forderte sie.
    Widerwillig drückte ihr Ferdinand einen Kuss auf die Wange. Ihr Parfum war ihm widerwärtig.
    »Aber ich komme mit. Ich lasse dich nicht alleine stehlen. Wenn wir verhaftet werden, gehen wir gemeinsam ins Gefängnis.«
    Ferdinand verdrehte die Augen.
     
    Eine halbe Stunde später betraten sie die Druckerei in der Holzstraße, ganz in der Nähe des Sendlinger Tors. Drei schwarze Druckmaschinen füllten den kleinen Raum fast völlig aus. In einem der beiden Hinterzimmer wurden die Scheine mit den Registrierungsnummern versehen und gestempelt. Überall lagen Stapel von bereits gültigen Scheinen herum. Ferdinand stopfte sich so viel wie möglich in die Taschen.
    »Fass nichts an, mein Engel. Wir dürfen keine Spuren hinterlassen.« Voller Furcht und Lust drückte sie sich an ihn. »Ich brauche

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