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Der erste Sommer

Der erste Sommer

Titel: Der erste Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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im Gesicht?«
    »Was Sie da vorher über die Männer erzählt haben –«
    »Kleine, wir sprechen immer über Männer«, unterbrach sie die Pummelige, »eine Pause gönnen wir uns nur, wenn einer auf uns liegt.«
    Anne unterdrückte mit Mühe einen neuerlichen Lachanfall und bemühte sich um einen ernsten Ton.
    »Erkennt man den Unterschied wirklich, wenn sie nackt sind?«
    »Zieh ihn aus, und du wirst schon sehen, dass wir Recht haben.«
    Anne zog fragend die Augenbrauen hoch. Wie gut, dass niemand in der Nähe war.
    »Schätzchen, das ist die ganz hohe Schule im Männergeschäft. Man erkennt seine Qualitäten an Größe und Form seines Pimmels.«
    »Mir geht es um etwas anderes«, wandte Anne ernüchtert ein, worauf die beiden Frauen lachten.
    »Zu Beginn geht es immer um etwas anderes, aber am Ende läuft es in jedem Fall auf diese Frage raus.«
    »Wenn er mal drin ist«, ergänzte die Hagere, »geht’s nur noch darum. Ist er groß und bleibt er groß? Das sind die Fragen der modernen Frau.«
    Sie bliesen ihr gleichzeitig Rauch ins Gesicht. »Schau nichtso gouvernantenhaft. In deinem Alter muss man mehr vertragen können als ein Backfisch. Im Übrigen, ich bin die Ilse«, sie hielt ihr die feiste Hand hin. »Und das ist Inge. Frisch aus der Reichshauptstadt. Beste Importware. Nicht verheiratet, nicht vergewaltigt, zumindest haben wir von beidem nichts gemerkt.«
    Anne gab beiden die Hand.
    »Gibt Anlass zu Verwechslungen, die Ähnlichkeit unserer Namen«, erklärte Ilse, »aber das ist durchaus beabsichtigt. Von der Statur will ich mal nicht reden.«
    »Hast du schon was vor an diesem schönen Sommertag?«, fragte Inge, bemüht, Anne ein wenig aufzulockern.
    Diese schüttelte den Kopf. Die beiden gefielen ihr, sie passten genauso wenig nach München wie sie selbst.
    »Dann würde ich vorschlagen, dass wir direkt am lebenden Objekt üben. In Treue fest zum Vaterland, bis zum letzten Schnullerjungen.« Ilse klopfte Anne kumpelhaft auf die Schulter. »Und keine Sorge. Wenn sie erst mal nackt sind, verlieren sie alles Gespenstische. Also, auf in den Kampf!«
    »Wenn du bis heute noch nie einen unbekleideten Mann in freier Wildbahn gesehen hast, wird es vielleicht ein bisschen viel auf einmal«, warnte Inge, »wir beginnen mit einer Kompanie. Heute üben wir, den Dienstgrad ohne Uniform zu erkennen. In der nächsten Lektion geht es dann um die Schniedel. Auf geht’s!«
    Sie hakten sich links und rechts bei Anne unter und zogen sie, ohne auf Widerstand zu stoßen, mit sich fort zur Straßenbahn.

21
    Ewald schlenderte die Dachauer Straße entlang. Den Stock, mit dem er im Juli hatte Frösche angeln wollen, schleifte er hinter sich her. Dachte er an die Prinzessin in dem Tümpel, wurde ihm ganz elend. Vielleicht kam es aber auch von der Schokolade. Sein Mund war damit verschmiert. Sophie, die seine Schwester nicht ausstehen konnte, hatte sie ihm zugesteckt. Ewald hatte das Gefühl, in etwas hineingezogen worden zu sein, das er nicht verstand. Aber die Lust auf die Schokolade war stärker. Und Katharina war groß genug, selbst mit Sophie fertig zu werden. Das behauptete sie schließlich ständig.
    Er sah sich um. Während der Mittagshitze war die Straße leer. Alle zehn Minuten rollte auf improvisierten Gleisen eine mit Schutt beladene Lore an ihm vorbei zu einer der Kippen im Norden der Stadt. Deutsche Kriegsgefangene in grauen, verstaubten Felduniformen hingen an den Seiten. Ganz am Ende saßen auf einem Anhänger die amerikanischen G. I.s mit Maschinengewehren und ließen die Beine baumeln. Einer rief Ewald etwas zu. Der senkte schnell den Kopf.
    Vor ein paar Tagen hatten sie ihn für einige hundert Meter mitfahren lassen, doch dann hatte er solche Angst bekommen, dass sie ihn beim nächsten Halt wieder absetzten. Heute war er jedoch ein Stück erwachsener. Morgen könnte er sich wieder am Hauptbahnhof herumtreiben und darauf warten, dass ihn jemand mitnähme. Er kickte lustlos ein Holzstück vor sich her. Prompt verfing es sich in einem Gullideckel. Bevor er es herausziehen konnte, sprach ihn jemand aus einem dunklen Hauseingang heraus an.
    »Halt! Wer weitergeht, wird erschossen.«
    Ewald fuhr zusammen und wagte kaum sich aufzurichten. Dieser Jemand trug eine abgewetzte Lederhose und hatte dasHaar streng gescheitelt. Und er war nicht einmal so alt wie er selbst. Ewald richtete sich zu seiner vollen Größe auf und pflanzte seinen Stab neben sich in den Boden. Mit der anderen Hand zog er sich Ferdinands

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