Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
kümmern müssen, schlenderte er hinunter ins Archiv, um zu sehen, wie Jackie vorankam. Aber sie war gar nicht da.
Oben am Empfang sah der dicke Gary ihn an, als wäre er als Kind auf den Kopf gefallen. »Sie ist im Gericht, Sie Trottel – heute ist doch diese spezielle Anhörung im Fall Macintyre.«
»Mist, verdammter.« Das hatte er komplett vergessen.
»Wenn Sie sich beeilen, können Sie Ihre Liebste immer noch anfeuern.« Gary tunkte ein KitKat in seine riesige Teetasse und lutschte die geschmolzene Schokolade ab. »Eric sagt, sie ist als Nächste dran.«
Im Verhandlungssaal 1 war wesentlich mehr los als sonst – die Zuschauergalerie gerammelt voll mit Schaulustigen, die sehen wollten, wie Sandy Moir-Farquharson Rob Macintyre vom Vorwurf der Vergewaltigung zu entlasten versuchte. Der Gerichtssaal erinnerte Logan immer an ein umgebautes Kino: cremefarbene Wände, Balkon und Parkett, anstelle der Leinwand eine hohe hölzerne Plattform mit Säulen und Portikus, und ganz oben an der Wand das königliche Wappen, das über das Geschehen im Saal wachte. Auch wenn es im Moment mit Einmachgummis behängt war, die vermutlich irgendwer raufgeschossen hatte, als der Saal leer gewesen war und niemand hingeschaut hatte. Vor dem Richterstuhl befand sich ein ovales Podium mit dem Gerichtsschreiber und seiner Assistentin auf der einen Seite, dem gemeinen Volk zugewandt, und den Vertretern der Anklage und der Verteidigung auf der anderen Seite, wo sie zum Amtsrichter in seiner Robe mit der seidenen Halsbinde aufblicken konnten.
Normalerweise hätte das Ganze hinter verschlossenen Türen in einem kleinen Hinterzimmer stattgefunden, aber die Verteidigung hatte eine öffentliche Anhörung beantragt, und zur allgemeinen Überraschung hatte Sheriff McRitchie dem Antrag stattgegeben. Im Präsidium machte das Gerücht die Runde, es habe etwas damit zu tun, dass der Richter ein eingefleischter Fan der »Dons« war und dringend eine zusätzliche Dauerkarte brauchte.
Der gerissene Sandy war gerade voll in Fahrt, als Logan sich zur Hintertür hineinschlich und auf einen freien Platz ganz am Ende einer Reihe setzte, direkt hinter DC Rennie. Der Constable trug seinen »Gerichtsanzug« – den, in dem er immer eher wie der Angeklagte als wie ein Zeuge der Polizei aussah.
Logan rückte ein Stückchen vor und flüsterte Rennie ins Ohr: »Wie läuft’s denn?«
Der Constable drehte sich um und musterte ihn mit gequältem Gesichtsausdruck. »Nicht gut. Ich dachte, Insch würde Sandy der Schlange an die Gurgel gehen, als der anfing, über die Voreingenommenheit und die Schikanen der Polizei zu faseln.«
Logan deutete auf den Zeugenstand, wo Jackie saß und finster auf den gerissenen Sandy hinabstarrte, der für das Gericht seine Show abzog.
»Wie hält sie sich?«
»Na ja … noch hat sie niemanden geschlagen.«
»Oh.«
»Wie Sie also sehen, Euer Ehren«, sagte der Anwalt mit großartiger Geste, »war die Grampian Police jedes Mal, wenn sie gegen meinen Mandanten ermittelte, am Ende gezwungen, ihre Anklage fallen zu lassen, weil sich die bösartigen Behauptungen dieser Frauen als vollkommen grundlos erwiesen. Mein Mandant ist Inspector Insch und seinesgleichen ein Dorn im Auge: ein unschuldiger Mann, dem sie einfach nichts ›anhängen‹ können, sosehr …«
Die Vertreterin der Anklage schoss sofort von ihrem Stuhl hoch. »Einspruch, Euer Ehren!«
Sandy wartete erst gar nicht die Entscheidung des Richters ab; er setzte gleich sein öliges Lächeln auf und entschuldigte sich. »Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass wir zwar nicht mehr im Mittelalter leben, die Grampian Police aber dennoch entschlossen scheint, einen Kreuzzug zu führen …«
Logan sah sich im Gerichtssaal um. Es dauerte nicht lange, bis er DI Inschs riesige, zornbebende Gestalt entdeckt hatte – der Mann sah aus, als müsse sein Kopf jeden Moment explodieren. Hinterher würde er mal wieder absolut unerträglich sein. Rachael Tulloch – die stellvertretende Staatsanwältin, die die Stellung halten musste, während ihre Chefin auf den Seychellen in der Sonne lag – sah auch nicht viel glücklicher aus. Sie saß an ihrem Tisch in der Mitte des Saals neben der Anklagevertreterin und schrieb grimmig mit, während Moir-Farquharson seine Einmannshow abzog.
Der Strafverteidiger hielt einen transparenten Plastikbeutel hoch, sodass alle den Inhalt sehen konnten. »Können Sie diesen Gegenstand identifizieren, Constable Watson?«
Jackie nickte. »Das ist das
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