Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Sexladen in der Crown Street im Wagen herumzuhocken und darauf zu warten, dass er aufmachte. Aber Logan hatte keine Wahl – DI Steel bestand nun einmal darauf. Sie saß auf dem Beifahrersitz und mampfte sich durch eine Tüte Chips mit Schinkengeschmack; vor ihr auf der Ablage stand eine Dose Irn-Bru. Ein feiner Nieselregen trübte die Frontscheibe ein und verdunkelte nach und nach das Grau der Mietshäuser aus Granit, passend zur Farbe des Himmels. Logan gähnte, hob den Handrücken vor den Mund und ließ sich in seinen Sitz zurücksinken. Er fragte sich gerade, ob es wohl okay wäre, ein kleines Nickerchen zu halten, als Steel ihm den Finger in die Schulter bohrte. »Achtung!«, zischte sie und deutete durch die Windschutzscheibe auf einen kleinen, kahlköpfigen Mann mit Brille, dick vermummt zum Schutz vor der Kälte, in der Hand einen großen Schlüsselbund.
Der Laden war unauffällig – nur ein Milchglasfenster mit dem eingeätzten Schriftzug Secret Times in Puderrosa. Der kleine Glatzkopf wühlte sich durch seinen Schlüsselbund, ging in die Hocke und nahm das Vorhängeschloss von dem Rollgitter ab, das den Ladeneingang versperrte. Sie warteten, bis er die Tür aufgeschlossen hatte, ehe sie aus dem Wagen stiegen und durch den kalten Nieselregen auf den Laden zugingen.
Drinnen säumten Regale voller Videos, DVDs und Latexartikel die Wände. Der Glatzkopf schälte sich gerade aus seinem Mantel. »Wir machen erst um zehn auf«, sagte er, ohne zu lächeln.
»Na, begrüßt man etwa so eine alte Stammkundin, Frank?«
»Hä?« Der Mann nahm seine beschlagene Brille ab, putzte sie mit dem Zipfel seiner Strickjacke und setzte sie wieder auf. »Inspector Steel! Wie nett, Sie wiederzusehen!« Diesmal lächelte er tatsächlich, wobei er eine Menge blendend weißer Zähne sehen ließ – so makellos, als hätte er sie gerade ausgepackt. Er streifte Logan mit einem Blick, ehe er wieder Steel ansah und ihr vernehmlich zuflüsterte: »Ich hab dieses Ding für Sie leider noch nicht da. Angeblich ist es immer noch vergriffen.«
Steel schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht deswegen hier, Frank. Ich muss wissen, ob Sie diesen Typ da kennen.« Sie wartete, bis Logan eine Kopie des Phantombildes hervorgekramt hatte – Baseballkappe, rundes Gesicht, Brille, mächtiger Schnauzer und Kinnbart.
Der kahlköpfige Mann nahm das Foto und betrachtete es stirnrunzelnd. »Was hat’n der ausgefressen?«
»Geht Sie nichts an. Erkennen Sie ihn? Müsste zur SM-Szene gehören.«
Frank studierte das Foto noch ein Weilchen und gab es dann zurück. »Nee. Aber ’n paar von denen schauen hier ab und zu mal rein; soll ich mal ’n bisschen rumfragen?«
»Kann nicht schaden.« Sie wandte sich zum Gehen, doch auf der Schwelle blieb sie abrupt stehen und drehte sich noch einmal um. »Und machen Sie Ihrem Lieferanten mal ein bisschen Feuer unterm Arsch, ja? Noch bin ich im besten Alter für Sex, aber man will ja nicht unnötig Zeit vergeuden, oder?«
Sie versuchten es noch bei den anderen lizenzierten Sexshops in Aberdeen, ehe sie Hals über Kopf ins Präsidium zurückdüsen mussten, weil Steel vergessen hatte, dass sie einen Termin mit dem leitenden Detective Chief Superintendent der Kriminalabteilung hatte. »Falls jemand fragt«, wies sie Logan an, als sie aus dem Wagen sprang, »wir wurden aufgehalten, weil wir noch einen Verdächtigen vernehmen mussten, okay?« Und dann war sie weg, nachdem sie zum wiederholten Mal geklagt hatte, dass ihr keine Zeit mehr für eine Fluppe blieb.
Logan stellte den Wagen ab.
Oben im Soko-Büro ging alles seinen normalen Gang – gelegentliche Anrufe irgendwelcher von Gemeinsinn beseelter Idioten, die behaupteten, einen blauen Volvo Kombi gesehen zu haben, während andere sagten, sie wüssten, wer der Mann auf dem Fahndungsfoto war, und wieder andere alternative Identifizierungen für Jason Fettes zu bieten hatten – ein paar behaupteten sogar, ihn heute Morgen beim Einkaufen im Drogeriemarkt gesehen zu haben. Und das, obwohl er nach wie vor in einem Kühlfach unten im Leichenschauhaus lag.
Logan saß mit der Teamassistentin, einer spindeldürren Mittvierzigerin, an einem Schreibtisch im HOLMES -Büro und ging mit ihr die Unmassen von Handlungsanweisungen durch, die das Home Office Large Major Enquiry System ausspuckte, um die Aufträge anschließend auf die verfügbaren Beamten zu verteilen. Danach nahm er sich die Tätigkeitsberichte vor. Und dann, als nichts mehr übrig war, um das er sich hätte
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