Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Typen im Pub. Ich …« Er hustete, räusperte sich und setzte erneut an. »Ich wusste, dass sie Zander gehören. Ich hatte vor, sie ihm zurückzugeben. Ich bin … bloß noch nicht dazu gekommen …«
»Und hat dieser Typ aus dem Pub auch einen Namen?«
»Ich …« Garvie fixierte wieder seine mit Curryflecken verzierte Jogginghose. »Ich hatte ihn noch nie vorher gesehen.«
Logan stand auf und schüttelte betrübt den Kopf. »Sie müssen einer der schlechtesten Lügner sein, die mir je über den Weg gelaufen sind. Frank Garvie, ich verhafte Sie wegen des Besitzes von gestohlener Ware. Sie müssen nichts sagen …«
»Ron! Ron Berwick. Er verkauft ab und zu Ware in den Pubs in Bridge of Don – er hat eine Wohnung in der Gegend von Balmedie. Ich hatte nichts damit zu tun, ich schwöre es!«
»Wo in der Gegend von Balmedie?«
Und Garvie erzählte ihnen alles.
Der Nachmittag war frisch und klar. Eine Reifschicht überzog noch wie Puderzucker die im Schatten liegenden Grasflächen und die dürren Zweige der Brombeersträucher. Darüber wölbte sich ein blassblauer Himmel, der sich zum Horizont hin dunstig weiß verfärbte. Das Meer war von hier – acht Meilen nördlich von Aberdeen – nur als dünner dunkelblauer Strich zu erkennen. Die kleine Wohnanlage war ursprünglich Teil eines Bauernhofs gewesen – ein weitläufiger, hufeisenförmiger, eingeschossiger Kuh- oder Schweinestall aus Granit –, aber irgendjemand hatte daraus sechs Reihenhäuser mit jeder Menge lackiertem Holz und Dachgauben gemacht, an die sich links eine Reihe von Einzelgaragen anschloss. Laut Information der Leitstelle wohnte Ronald Berwick mit Frau, drei Kindern und einem Labrador in einem Endhaus.
»Äh, Sir …«, sagte Rickards und rutschte verlegen auf dem Fahrersitz des klapprigen Vauxhall aus dem Kripofuhrpark herum, während sie zusahen, wie ein halbes Dutzend Polizeibeamte mit Schusswaffenausbildung aus einem nicht gekennzeichneten, schmutzig weißen Transporter sprangen. »Ist das nicht ein bisschen …« Er deutete auf die Männer und Frauen, die auf Ronald Berwicks Haus zurannten, alle komplett in Schwarz: schwarze kugelsichere Westen, schwarze Tücher vors Gesicht gebunden, klobige schwarze Helme auf dem Kopf, alle tief über ihre schwarzen Heckler-&-Koch-MP5-Maschinenpistolen gebeugt, die Glock 9 mm am Hüftgurt. »… na ja … übertrieben …?«
»Nein.« Es war nicht leicht gewesen, den zuständigen Inspector der Leitstelle dazu zu überreden, ihm das Schusswaffenteam zur Verfügung zu stellen, aber Logan wollte auf keinen Fall eine Wiederholung dessen riskieren, was bei seiner letzten Razzia zur Sicherstellung von gestohlenen Waren passiert war. Er wollte nie wieder zur Beerdigung eines Kollegen gehen müssen, und erst recht nicht zu einer, für die er persönlich verantwortlich war.
Zwei der schwarz gekleideten Beamten drückten sich links und rechts der Haustür flach an die Wand, ein dritter stand mit einem schwarzen Rammbock im Anschlag bereit, während der Rest zum Hintereingang lief. Am Fenster eines der Häuser gegenüber erschien das Gesicht eines kleinen Jungen, die Augen weit aufgerissen, die Nase an der Scheibe plattgedrückt. Rickards’ Airwave-Telefon gab ein metallisches Piepsen von sich, und die Stimme des Truppführers ertönte, begleitet von Knistern und Knacken. » Team 1 – sind in Position .«
Wieder ein Piepsen: » Team 2 – Aye , wir sind hinterm Haus. Kein Schwein weit und breit .«
Logan gab das Kommando. Die Tür wurde aus den Angeln gerissen und fiel krachend in die Diele, während drei der SEK-Bobbys hineinpreschten und brüllten: » POLIZEI ! ALLES AUF DEN BODEN! KEINE BEWEGUNG !« Fünf Minuten später erschien der Truppführer des Schusswaffenteams in der Lücke, wo eben noch die Haustür gewesen war, und reckte die Daumen in die Höhe. Bei der ganzen Aktion war kein einziger Schuss gefallen.
In Berwicks Haus roch es nach frischer Farbe. An den Wänden hing kein einziges Bild, der Teppichboden im Wohnzimmer war mit Zeitungen abgedeckt, vor dem elektrischen Kamin stand eine Trittleiter und daneben offene Eimer mit mattweißer Farbe. Irgendwo im hinteren Teil des Hauses rief eine weibliche Stimme: »Ich sagte, lassen Sie die Hände da, wo ich sie sehen kann!« Ein panischer Schrei war die Antwort.
Logan lief rasch durchs Wohnzimmer in einen kleinen Flur und erblickte eine schwarz gekleidete Beamtin, die mit ihrer MP durch eine offene Tür zielte. »Ich sag’s nicht noch einmal!«
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