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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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bleiben. Besonders bei schlechtem Wetter war der Blick vom Parkplatz aus nicht gerade grandios. Ein Nachtsichtgerät stellte also eine große Hilfe dar, denn es verstärkte das vorhandene Licht elektronisch bis zu zehntausend Mal.
    Irene blickte durchs Glas, um sich einen raschen Überblick zu verschaffen.
    Sofort sah sie, was sie suchte.
    »Ich gehe zum Fahrradweg, der hinterm Haus verläuft, und beziehe im Gestrüpp jenseits der Wiesen Posten. Siehst du die Baumwipfel, die über das Dach ragen?«, fragte sie und deutete mit der Hand.
    »Gut.«
    Sie verglichen die Uhrzeit und schalteten ihre Handys auf Vibration. Irene verstaute das geliehene Nachtsichtgerät unter ihrer Jacke. Dort trug sie auch ihre Sig Sauer in einem Holster. Sie hatte sich warm angezogen, denn am Himmel hingen schwere Regenwolken, und der Wind hatte an Stärke zugelegt. Im Wetterbericht hatten sie für den Verlauf der Nacht Sturmböen angekündigt.
    »Sag Bescheid, wenn du im Auto sitzen willst, dann tauschen wir«, sagte Tommy.
    Irene stieg aus dem Wagen und verschwand Richtung Fahrradweg. Sie hatte ausgerechnet, dass sie ihm etwa hundertfünfzig Meter folgen und dann ins Dickicht abbiegen musste. Vom Meer her wehte ein starker Wind. Der Salzgeruch stach ihr in die Nase, und die Gischt peitschte mit winzigen Nadelstichen ihr Gesicht. Rasch zogen die schwarzen Wolken über den Himmel. Zwischen den dünn gesäten Laternen war es bereits stockdunkel. Der Wind war kalt, und Irene klappte ihre Kapuze hoch. In einiger Entfernung sah sie einen Mann mit einem Schäferhund. Vielleicht war es ja derselbe, der an jenem Abend, als Kjell Bengtsson Ceder ermordet worden war, den Jogger gesehen hatte? Mann und Hund gingen in dieselbe Richtung wie sie, schienen sie aber nicht zu bemerken. Um sich in etwa zu orientieren, zählte Irene ihre Schritte. Als sie einhundertfünfzig Schritte gegangen war, bog sie vom Fahrradweg ab und ging auf die Bäume zu. Die Wiese, die sie erklimmen musste, war recht steil. Rechts oben standen hohe Bäume. Kommt hin, dachte sie zufrieden. Es war mühsam, sich in der Dunkelheit einen Weg durch das hohe, vertrocknete Gras und die Himbeersträucher zu bahnen. Als sie es endlich geschafft hatte, stellte sie fest, dass sich ihr Ziel ausgezeichnet als Aussichtsplatz eignete. Sie konnte hinter einem Baumstamm hervorschauen und wurde von niedrigen Büschen und Birkengestrüpp verdeckt. Es war nicht zu befürchten, dass jemand im Haus ihre schwarze Gestalt im Dunkel unter den Bäumen entdecken würde.
    Sie nahm das Nachtsichtgerät und studierte die Rückseite des Hauses. Durch das Fernrohr waren keine Farben zu erkennen. Alles leuchtete in unterschiedlichen hellgrünen Schattierungen. Durch die Glasveranda konnte sie direkt ins Wohnzimmer schauen. Es war leer. In Ludwigs Zimmer brannte Licht. Irene sah, dass sich Elsy Kaegler dort befand. Sie bewegte die Lippen und beugte sich mehrmals vor. Sanna hatte in ihrem Schlafzimmer die Vorhänge vorgezogen. In der Mitte, wo sie aufeinander trafen, ließ sich etwas Licht erahnen. Vielleicht lag sie auf ihrem Bett, und der Großbildfernseher lief.
    Irene und Tommy hatten vor ihrem Einsatz zu Abend gegessen, aber gegen neun bekam Irene Durst. Sie hätte gern etwas Warmes getrunken. Obwohl sie zwischen den Bäumen recht windgeschützt stand, kroch ihr der unerbittliche, feuchte Meereswind unter die Kleider. Es war anstrengend, auf Dauer einfach nur so dazustehen, obwohl sie sich immer wieder vorsichtig bewegte, um ihren Kreislauf in Gang zu halten. Vielleicht sollten Tommy und sie sich ja eine Weile abwechseln.
    Gerade als sie seine Nummer wählen wollte, öffnete sich die Tür auf der Rückseite des Hauses. Irene hielt ihren Daumen über der Ruftaste in der Schwebe. Durch das Fernglas sah sie, wie Sanna den Kopf herausstreckte und sich umsah. Als sie das Gefühl hatte, die Luft sei rein, trat sie rasch ins Freie und zog die Tür hinter sich zu. Irene drückte die Taste.
    »Tommy«, antwortete er.
    »Sanna hat das Haus durch die Tür zur Waschküche verlassen. Sie trägt einen langen Mantel und die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie scheint in deine Richtung zu gehen«, sagte Irene leise.
    »Ich sehe sie. Sie biegt gerade um die Ecke. Ich glaube, sie hält auf den Fahrradweg zu. Au weh, jetzt ist sie gestolpert!«
    »Hat sie keine Taschenlampe?«
    »Nein.«
    Auch Irene sah Sanna schwanken. Es war sicher nicht leicht, im Dunkeln über die nasse Wiese zu gehen. Hoffentlich trägt sie

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