Der erste Verdacht
steht auf dem Spiel.«
»Ich weiß. Ich rede mit den anderen.«
Irene gab ihr ihre Privat- und ihre Handynummer. Obwohl ein Polizist Wache hielt, machte sie sich Sorgen. Bislang war der Mörder äußerst frech und rücksichtslos aufgetreten, eine lebensgefährliche Kombination. Wenn das Personal ebenfalls aufmerksam war, konnte das nicht schaden.
Jenny und Katarina schliefen noch. Krister war schon ins Glady’s Corner gegangen. Er hatte Frühschicht und um 17 Uhr Feierabend. Irene freute sich auf einen gemütlichen Samstagabend in Gesellschaft ihres Mannes. Und morgen kommt Tommy mit seinen Kindern zum Abendessen, dachte sie. Dieser Gedanke löste gemischte Gefühle in ihr aus. Natürlich freute sie sich, dass ihr Tommy so viel Vertrauen geschenkt hatte. Das war von einem besten Freund auch nicht anders zu erwarten. Aber wie würde sich in Zukunft ihr Verhältnis zu Agneta gestalten? Seit vielen Jahren war sie ihre beste Freundin. Würde sie mit beiden auch nach der Scheidung eine normale Beziehung aufrechterhalten können?
Sie kam zu dem Schluss, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als abzuwarten. Müsste sie wählen, dann würde sie sich für Tommy entscheiden, das wusste sie. Sie beide verband eine lange gemeinsame Vergangenheit, und sie waren sich bewusst, wie ungewöhnlich es war, dass es einem Mann und einer Frau gelang, über so viele Jahre gut befreundet zu sein, obwohl beide Familie hatten. Das ist einzigartig, und dafür muss man kämpfen, dachte sie. Der Grund war, dass sie auf der gleichen Wellenlänge lagen und in etwa parallel Karriere gemacht hatten. Sie hatten zusammen die Polizeihochschule besucht, auf demselben Revier in Göteborg angefangen und waren dort meist im selben Streifenwagen herumgekurvt. Anschließend waren sie fast gleichzeitig zur Kriminalpolizei gewechselt. Tommy hatte dort ein knappes Jahr vor Irene angefangen. Seine Begeisterung hatte sie dazu veranlasst, sich zur Inspektorin ausbilden zu lassen. Das hatte sie nie bereut, und obwohl sie es manchmal anstrengend und frustrierend fand, wünschte sie sich keine andere Arbeit. Wahrscheinlich war sie schon als Polizistin zur Welt gekommen. Es war ihr in die Wiege gelegt worden, ihr Vater war Zöllner gewesen. Vielleicht stehe ich auf Uniformen?, dachte sie manchmal selbstironisch, obwohl sie schon vor fünfzehn Jahren beim Dezernat für Gewaltverbrechen angefangen hatte und seitdem keine Uniform mehr trug.
Da es an diesem Tag nur ein Wesen gab, das ihre Gesellschaft suchte, trat sie in die Diele. Sie zog ihre Jacke an und nahm die Hundeleine von einem Haken.
»Sammie! Lass uns gehen!«
Krallen schrappten über das Parkett im Wohnzimmer, wo er auf dem Teppich unter dem Couchtisch geschlafen hatte. Mit Karacho kam er in die Diele geflitzt, woraufhin sich der Läufer wie eine Ziehharmonika zusammenzog und halb im Wohnzimmer verschwand.
Alles war also wie immer, wenn bei Familie Huss der Hund ausgeführt wurde.
Die Sonne verschwand hinter einer dünnen Wolkendecke, aber es sah trotzdem nicht nach Regen aus. Vom Meer her wehte ein Wind, aber Irene entschloss sich trotzdem, in diese Richtung zu gehen. Sie mochte den salzigen Geruch des Tangs und das Geräusch der Brandung. Nichts sonst gab ihr so viel Ruhe, nirgendwo sonst konnte sie so gut nachdenken.
Sammie zerrte an seiner Leine und versuchte, schnüffelnd Informationen über andere Hunde zu sammeln. Sie näherten sich der Fiskebäcks-Marina. Dort waren nicht viele Menschen. Die Saison war vorbei, obwohl noch das eine oder andere Segel auf dem weiten Blau des Meeres zu sehen war. Einige Motorboote pflügten ebenfalls durch die Fahrrinne. Ob eines von ihnen wohl dem von Thomas Bonetti ähnelte? Irene hatte keine Ahnung, wie ein Storebro Royal Cruiser aussah, aber sie vermutete, dass es sich nicht um einen Kahn mit Außenborder gehandelt hatte. Wahrscheinlich hatte das Boot mehrere Decks, Dusche, Toilette gehabt …
Plötzlich war er da. Sie hatte keine Ahnung, wo er hergekommen war, denn sie war tief in Gedanken versunken gewesen. Mit einem bösartigen Knurren warf sich der große Schäferhund auf Sammie, der ebenso überrascht zu sein schien wie sein Frauchen. Gerade war er friedlich einer viel versprechenden Fährte gefolgt, nur um von einem freilaufenden Rüden angegriffen zu werden! Da er nie nein zu einer Keilerei sagte, verschaffte er sich blitzschnell ein Bild von der Lage. Glücklicherweise hatte er eine Leine, die sich automatisch aufrollte und die sein Frauchen
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