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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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nicht festgestellt hatte. Das verschaffte ihm mehrere Meter Bewegungsfreiheit. Der Schäferhund war mehr als doppelt so groß wie er, aber es müsste trotzdem funktionieren. Irene sah, dass sich das Fell des großen Hundes sträubte. Er fletschte die Zähne und war ziemlich aggressiv. Sie versuchte den Angriff abzuwehren, indem sie schrie und die Arme über den Kopf hob. Das hatte früher gelegentlich geholfen. Der Schäferhund hielt für den Bruchteil einer Sekunde inne, als sie ihre Vorführung veranstaltete.
    Mehr brauchte Sammie nicht. Er machte einen eleganten Satz quer über den Rücken des Schäferhunds und verbiss sich in seinem Hinterteil. Der Schäferhund wirkte außerordentlich erstaunt, als er ins Leere schnappte und nicht den Nacken eines Terriers erwischte. Dann wurde ihm bewusst, dass ihm sein Hinterteil wehtat. Wahnsinnig weh! Er begann kläglich zu winseln. Sammie hingegen hatte seinen Spaß. Sicherheitshalber biss er noch fester zu, damit ihm seine Beute auch ja nicht entwischen würde. Da heulte der Schäferhund vor Schmerzen. Irene tat der Ärmste leid. Verzweifelt schaute sie sich um, konnte den Besitzer aber nirgends entdecken.
    »Lieber Sammie … aus!«, flehte sie.
    Er hörte sie und warf ihr einen erstaunten Blick zu. Aus? War sie nicht ganz bei Trost? War man einmal so im Vorteil, ließ man nicht einfach los!
    »Lieber, lieber Sammie … aus!«, sagte sie erneut, den Tränen nahe.
    Sie war erstaunt und erleichtert, als Sammie endlich abließ. Der Schäferhund hinkte mit eingekniffenem Schwanz auf einen Passat Kombi zu und sprang durch die offene Beifahrertür.
    »Ach so, da kommst du her«, sagte Irene laut.
    Verwirrt schaute Sammie sie an. Einfach aufhören, wenn man die Oberhand hatte, war wahnsinnig bescheuert, wenn es nach ihm ging.
    »Brav, Sammie. Mein Goldstück … guter Hund. Brav … du hast dir doch nichts getan?«, redete Irene nervös weiter und hielt gleichzeitig ein Auge auf den Passat.
    Sammie schüttelte sich und schien vollkommen unverletzt zu sein. Irene machte sich mit ihm auf den Heimweg. Die ganze Zeit behielt sie den Passat im Blick. Sie fürchtete, dass den Schäferhund Rachegelüste packen könnten. Doch der war offensichtlich bedient und blieb lieber im Auto.
    Als sie zu ihrer Reihenhaussiedlung kamen, merkte Irene, dass Sammie hinkte. Erst war es kaum zu sehen, aber je mehr sie sich dem Haus näherten, desto deutlicher wurde es. Vor den Garagen setzte er sich und weigerte sich, noch einen Schritt weiterzugehen. Kläglich hielt er seine rechte Vorderpfote hoch. Als Irene das Gelenk anfasste, heulte er auf. Sie konnte keine Bisswunde entdecken, aber offenbar hatte die Pfote trotzdem was abgekriegt. »Alte Herren sollen sich auch nicht prügeln. Jetzt geht es zum Tierarzt«, sagte sie.
    Sammie war das egal. Er hatte nicht die Absicht, mit seiner lädierten Pfote auch nur einen Schritt weit zu laufen. Seufzend bückte sich Irene und hob ihren fast zwanzig Kilo schweren Hund hoch.
     
    »Ich brauchte nur anzurufen. Sie fanden, es klingt danach, dass die Pfote verstaucht ist. Der Veterinär hat ein Schmerzmittel und was zum Abschwellen verschrieben. Wenn es in zwei Tagen nicht besser wird, sollen wir wieder von uns hören lassen«, sagte Irene.
    Es war Abend, und die gesamte Familie Huss saß um den Esstisch. Krister hatte Nudeln und zwei Saucen gekocht, eine Tomatensauce für Jenny und eine Gorgonzolasauce. Sie waren eben mit dem Nachtisch, frische Ananas mit Vanilleeis, fertig geworden.
    »Schließlich ist er schon zehn. Reife Leistung, dann noch einen Schäferhund zu verprügeln«, meinte Krister.
    Seine Stimme klang stolz. Kein Wunder, dass Hundekämpfe in gewissen Ländern so beliebt sind, dachte Irene.
    »In Värmland hat er sich mehrfach mit irgendwelchen Dachsen geprügelt«, erinnerte sie Katarina.
    »Ja, aber in den letzten Jahren nicht mehr. Für solche Fights wird er langsam zu alt. Wir können dankbar sein, dass er mit einer verstauchten Pfote davongekommen ist.«
    Sammie lag unter dem Tisch und schnarchte, betäubt von der starken Medizin. Es war kein Problem gewesen, ihm die Tabletten zu verabreichen. Jenny hatte sie in ein paar Fischklößen versteckt unter sein Trockenfutter gemischt. Wie immer hatte er das Beste zuerst und ohne zu kauen verschlungen, in glücklicher Unwissenheit, dass die Fischklöße präpariert waren.
    »Wenn Sammie stirbt, kauft ihr euch dann einen neuen Hund?«, fragte Jenny plötzlich.
    Irene schluckte. Diesen Gedanken hatte sie

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