Der erste Verdacht
zurückkehrte, sah sie Kajsa vor den Fahrstühlen. Frenetisch wischte sie mit einem Mopp über den Boden, als hätte sie in ihrem Leben nie etwas anderes getan.
Das Zimmer 3 hatte zwei Betten. Die Patienten waren ältere Männer.
»Da sind Sie ja endlich mit meinem Frühstück! Jetzt ist alles kalt! Warum bekomme ich mein Essen immer als Letzter? Wahrscheinlich haben Sie auch wieder vergessen, dass ich Diabetikerkost bekomme!«, fauchte J. Fredriksson wütend.
»Stänker nicht, Jocke! Die Mädchen rennen, so schnell sie können«, meinte sein Bettnachbar freundlich.
Dieser saß bereits auf der Bettkante und frühstückte. Er schien ein paar Jahre jünger zu sein als Jocke Fredriksson und war klein und kräftig. Am Ende seines Betts stand ein Rollstuhl, Irene fiel auf, dass seine beiden Beine über dem Knie amputiert waren, das war die Erklärung.
Irene lächelte den beiden Männern zu und stellte das Tablett auf den ausgeklappten Tisch von Fredrikssons Nachttisch.
»Entschuldigen Sie, aber ich bin neu hier«, zwitscherte sie.
»So verdammt frisch wirken Sie aber nicht mehr«, murrte Jocke Fredriksson.
Blöder Alter! dachte Irene, lächelte jedoch weiterhin, wenn auch weniger strahlend.
»Steht da Pflegehelferin auf Ihrem Schild?«, wollte der Amputierte wissen.
»Ja.«
»Dann bekomme ich wohl heute von Ihnen den frischen Verband?«
Irene hoffte, dass ihr nicht anzusehen war, wie sehr sie erschreckte.
»Nein … nein. Ich glaube, das macht Schwester Ann-Britt. Ich frage sie«, entgegnete sie.
Er nickte und schien sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben. Irene verließ unauffällig das Zimmer.
Als sie auf den Korridor trat, eilte Fredrik mit wehenden Rockschößen auf sie zu. Aus seiner Umhängetasche ragte ein Ordner, und in der Hand hielt er ein dickes Buch. Er trug eine Halbbrille, die nach vorne gerutscht war, und betrachtete seine Umgebung über den Brillenrand. Aus der Entfernung sah er tatsächlich recht intelligent aus.
Oberarzt Nils Dürsell saß hinter dem Fenster des Schwesternzimmers und versuchte so zu tun, als läse er in einem dicken Handbuch. Mit einem Auge schielte er auf den Eingang der Station.
Irene zuckte zusammen, als jemand von hinten an ihrem Kittel zupfte. Sie drehte sich um und sah ins Leere. Als sie nach unten schaute, entdeckte sie das verschreckte Gesicht einer winzigen Alten.
»Entschuldigen Sie, Schwester, aber wissen Sie, wann die Laborergebnisse meines Mannes kommen?«, fragte sie zaghaft. Irene fing sich rasch wieder und sagte: »Wie heißt Ihr Mann denn?«
»Jakob Fredriksson«, flüsterte die Alte.
Die unterdrückte kleine Frau des blöden Alten, dachte Irene. Dann sagte sie freundlich: »Leider ist das keines von meinen Zimmern, aber ich kann Schwester Ann-Britt fragen.«
»Danke … vielen Dank. Man will schließlich Gewissheit haben, wenn es um … Krebs geht«, flüsterte die alte Frau und verschwand in dem Zimmer ihres Mannes.
Krebs. Vor mehr als zehn Jahren war Irenes Vater an Krebs gestorben. Sie erinnerte sich an die furchtbare Zeit, bevor er endlich das Zeitliche gesegnet hatte. Natürlich hatte die Heilkunst große Fortschritte gemacht, und heute überlebten Leute, die früher zum Tode verurteilt gewesen waren. Aber immer noch war das Wort »Krebs« furchteinflößend. Plötzlich empfand Irene Mitleid mit Jocke. Es stand ihm ein harter Kampf bevor. Vielleicht hatte er ihn bereits verloren. Kein Wunder, dass er so übellaunig war. Das war immer noch besser, als würde er sein Schicksal apathisch annehmen. Dann ist es vorbei. Man muss kämpfen, to the bitter end, pflegte ihre Mutter zu sagen. Das war einer der wenigen englischen Sätze, die sie beherrschte.
Magnus streckte seinen schwarzen Schopf durch eine Tür und sagte: »Britt, wir gehen jetzt Kaffee trinken. Kannst du die Tabletts einsammeln?«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich Irene daran erinnerte, dass auf ihrem Namensschild »Britt« stand.
»Klar. Wird gemacht«, erwiderte sie.
»Ich helfe dir«, sagte eine blonde, kleinere Frau in Irenes Alter.
Sie hieß Anette und war eine echte Pflegehelferin. Sie lächelte Irene zu und meinte: »Wir warten noch ein paar Minuten, damit alle aufessen können. Dann fangen wir jede an einem Ende des Gangs an. Du kannst da hinten beginnen, dann nehme ich dieses Ende.«
Die Pflegehelferin deutete auf die ersten Zimmer am Anfang des Korridors. Irene nickte und schlenderte Richtung Empfang.
Der Kommissar hatte sich wirklich in die Rolle des alten
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