Der erste Verdacht
ihren linken Arm nicht benutzen. Nach einer Weile beruhigte sie sich und sah sie mit Augen an, die in dem abgemagerten Gesicht riesig wirkten.
»Woher wusste Mike … von unserem Treffpunkt? Und die SMS kam von Edwards Handy. Mike kannte sogar die richtigen Losungsworte! ›Wir treffen uns in den Büschen.‹ Keine Unterschrift, kein Fragezeichen. Das bedeutete, dass wir uns auf der anderen Seite der Wiese treffen würden. In den Büschen unten am Fahrradweg. Es ist nicht zu fassen!«
Irene und Tommy konnten ihr keine Antwort geben.
Eine andere wichtige Frage war, wie es Mike Fuller gelungen war, in den Besitz von Edward Fentons Handy zu gelangen.
Da Tommy keine weiteren Fragen hatte, kam Irene mit einer, auf die sie am dringendsten nach einer Antwort suchte. Vielleicht spielte es ja keine Rolle mehr, aber man wusste schließlich nie.
»Eine Frage habe ich mir mehrfach während dieser Ermittlungen gestellt. Warum haben Sie und Kjell Ceder eigentlich geheiratet?«, fragte sie.
Sanna schloss die Augen und seufzte gequält.
»Edward wollte das so. Er bekam Angst, als ich ihm erzählte, ich sei schwanger und wolle nicht abtreiben. Seine Frau … sie ist reich, und ihr Vater besitzt die Bank, bei der Edward arbeitet. Sie … die Familie ist katholisch. Wenn sie erfahren hätten, dass Edward und ich ein Kind haben, hätte es ein wahnsinniges Theater gegeben. Er sagte auch, dass ihn die Familie bereits bedroht hätte, wegen des … Geldes.«
Sie verstummte und trocknete die Tränen, die ihr die ganze Zeit, während sie erzählt hatte, die Wangen hinuntergelaufen waren. Irene half ihr erneut mit einem Papiertaschentuch aus. Tommy fragte leise: »Welches Geld?«
Sannas tränennasse Augen blitzten.
»Das Geld, das verschwand, natürlich!«, fauchte sie.
Ohne sich von ihrem Ton beeindrucken zu lassen, fuhr er genauso gelassen fort: »Von welchem Geld reden Sie?«
»Vom Geld aus dem ph.com-Konkurs«, antwortete sie mürrisch.
Das Geld, das beim IT-Crash verschwand. Dieses Geld hatte sie durch die Ermittlungen begleitet wie eine dumpfe, bedrohliche Hintergrundmusik.
»Hat die Familie von Edwards Frau ihn wegen des Geldes, das beim ph.com-Konkurs verschwand, bedroht?«, präzisierte Tommy seine Frage.
Sanna nickte und schluchzte leise. Sie schnauzte sich erneut mit Irenes Hilfe und versuchte, sich zusammenzunehmen.
»Edward sagte, er müsse zurückzahlen, was die Familie verloren hatte. Das ist verrückt! Alle verloren schließlich bei dem Börsencrash!«
Sie hielt inne, schluckte und fuhr dann fort: »Er sagte, dass das … mehrere Jahre dauern könne. Erst dann sei er frei … um mit mir und Ludde zusammenzuleben. Bis dahin sei es das Sicherste, wenn niemand den Verdacht schöpfen würde, dass Ludde … sein Sohn sei. Er dachte an unsere Sicherheit, an die von Ludde und mir, als er die Ehe von Kjell und mir einfädelte.«
Sie hob trotzig das Kinn, aber ihre zitternde Unterlippe zerstörte den stolzen Eindruck, den sie vermitteln wollte. Sie sah aus wie ein Mädchen, das man im Stich gelassen hatte.
Irene behielt ihre Ansichten für sich und setzte die Vernehmung einfach fort: »Wie fand Kjell das mit dieser arrangierten Ehe?«
»Er zögerte anfänglich, aber dann war er einverstanden. Wir hatten uns im Jahr zuvor ab und zu getroffen und verstanden uns gut … aber mehr war nicht. Ich meine … er hatte nichts gegen mich … also ließ er sich aus alter Freundschaft, sowohl zu Edward als auch zu mir, auf die Sache ein. Wir heirateten dann recht rasch.«
Irene kam ein Gedanke. Edward hatte vielleicht etwas gegen Kjell Ceder in der Hand. Edward war der Einzige, der in jener Nacht etwas gesehen haben konnte, als Marie Lagerfelt-Ceder im Meer verschwunden war. Was das gewesen war, würden sie nie erfahren, da alle drei Beteiligten inzwischen tot waren.
»Hatten Sie sich schon vor der Ehe darauf geeinigt, wie Sie leben wollten? Getrennte Wohnungen und so?«, fuhr Tommy mit dem Verhör fort.
»Ja. Da waren wir uns vollkommen einig. Wir wollten beide nicht mit dem anderen zusammenleben. Aber es ist mir wichtig … dass wir uns nie gestritten haben. Im Gegenteil! Wir hatten wirklich unseren Spaß zusammen. Beispielsweise machten wir im August zusammen Urlaub in Portugal. Dort traf ich allerdings Edward, und Kjell hatte eine Französin dabei, die Brigitte hieß. Wir mieteten zusammen ein großes Haus.«
Sie lächelte bei dieser schönen Erinnerung, ohne es zu merken. Tommy und Irene tauschten einen raschen Blick
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