Der erste Verdacht
klingelte. Eine wohlklingende Männerstimme mit einem deutlichen amerikanischen Akzent stellte sich als Jack Curtis vom Generalkonsulat der USA vor. Ohne Umschweife bat er Irene darum, sofort dafür zu sorgen, dass ihm Michael Fullers Fingerabdrücke zugestellt würden. Sein Tonfall war höflich- korrekt, aber es war klar, dass er davon ausging, dass sein Ansinnen nicht in Frage gestellt würde. Hier war nicht von »demnächst« die Rede, sondern von »sofort«.
Irene war leicht verwirrt, als sie auflegte. Fingerabdrücke? Jack Curtis hatte rasend schnell seinen Rang mit »Officer of Security Irgendwas« angegeben.
Was war eigentlich los?
Am Montagnachmittag kamen einige der Fahnder, und zwar Andersson, Irene, Tommy und Fredrik, zu einer raschen Besprechung zusammen. Die anderen vernahmen noch das Personal des Hotel Gothenburg und des Krankenhauses.
Fredrik hatte Folgendes zu berichten: »Malin Eriksson ist richtig kooperativ. Sie hat alle Urlaubslisten und Beurlaubungslisten und was weiß ich noch hervorgesucht. Es ist bemerkenswert, dass die normalen Regeln für Mister Fuller nicht gegolten haben. Er ist gekommen und gegangen, wie es ihm gerade passte. Laut der Listen hat er abgesehen von seinen fünf Wochen Urlaub zwischen zwölf und sechzehn Wochen gefehlt. Unzählige ›Sicherheitskonferenzen‹ in den USA. Insgesamt dreißig Stück in drei Jahren. Warum musste der Sicherheitschef eines Hotels in Schweden immer wieder zu Konferenzen in die USA reisen? Wohlgemerkt auf Kosten seines Arbeitgebers. Wenn es sich um eine große Hotelkette gehandelt hätte, wäre das ja noch zu verstehen gewesen, aber darum geht es hier nicht. Es ist also höchst merkwürdig.«
»Verdammt merkwürdig«, pflichtete ihm der Kommissar bei.
»Die Sache ist die, dass er eigentlich als Chef niemanden unter sich hat. Alles wird von den Wachleuten der Securitas organisiert. Die kümmern sich auch um die Videoüberwachung. Allein für sein Dasein hat er fünfzigtausend im Monat kassiert.«
»Fünfzigtausend!«, riefen Irene und Andersson wie aus einem Mund.
Fredrik nickte.
»Nicht schlecht, was?«, meinte er zufrieden.
»So viel verdient ein Sicherheitstyp in einem Hotel nicht. Haben die anderen auch solche Phantasielöhne?«, fragte Andersson.
Fredrik schüttelte den Kopf.
»Nein, die verdienen normal. Kjell Bengtsson Ceder kassierte ebenfalls fünfzigtausend. Also genauso viel wie sein Sicherheitschef.«
»Seltsam. Aber das erklärt, wie er es schaffte, Ceder zu erschießen. Er sah auf seinem Monitor, wie Ceder runter in die Garage ging und sich in seinen Wagen setzte. Er brauchte ihm nur noch hinterherzufahren, ein Stück von der Villa entfernt zu parken, sich in seine Joggingklamotten zu werfen und sich unbemerkt dem Haus zu nähern. Ich habe vorhin von der Spurensicherung erfahren, dass der halbe Daumenabdruck auf dem Reflexband von Fuller stammt«, erzählte der Kommissar zufrieden.
»Aber wie kam er da rein, ohne dass Ceder was merkte?«, fragte Fredrik.
»Er hatte einen Schlüssel. Laut Sanna hat der Sicherheitschef ihres Mannes zum Zeitpunkt des Mordes in der Villa eine Alarmanlage installiert«, erklärte Irene.
Sie wandte sich an den Kommissar und fuhr fort: »Ich glaube, dass sich Mike Fuller bereits im Haus befand, als Kjell Bengtsson Ceder dort eintraf. Wahrscheinlich nahm er den Hintereingang und erwartete sein Opfer in der Waschküche. Als Ceder nach oben ging, um sich einen Whisky einzugießen, schlich er sich unter die Wendeltreppe. Ich glaube, sie hatten sich dort verabredet, weil Ceder wusste, dass dort niemand sein würde. In Ceders Wohnung wartete schließlich seine Geliebte Malin Eriksson. Sie hätte Fuller sofort erkannt und sich gefragt, was er zu Hause bei seinem Chef verloren hätte.«
»Vergiss nicht, dass sich Fuller dieselbe Frage gestellt hätte, was sie anging«, meinte Tommy.
»Natürlich. Es fragt sich nur, worüber sich Fuller und Ceder unterhalten wollten, was sie nicht auch bei der Arbeit hätten besprechen können. Fuller hätte doch einfach bei seinem Chef anklopfen und um eine Unterredung unter vier Augen in einer wichtigen Sicherheitsfrage bitten können«, meinte Irene.
Niemand hatte eine Erklärung für das Treffen von Michael Fuller und Kjell Bengtsson Ceder in der Villa in Askim. Irene fuhr fort: »Ich erhielt vor etwa einer Stunde eine Mail von Glen Thomsen aus London. Er teilt mit, dass Special Agent Lee Hazel morgen gegen zwei in Landvetter eintrifft. Glen schreibt …« –
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