Der erste Verdacht
habe mit der Spurensicherung gesprochen. Sie sind immer noch dabei, im Haus und auf dem Grundstück alles zu durchkämmen. Es ist wie verhext. Erst schien bei diesem Fall alles sonnenklar zu sein, aber jetzt habe ich immer mehr den Eindruck, dass es keine einzige vernünftige Spur gibt. Niemand hat was gesehen, und niemand weiß was«, sagte Irene seufzend.
»Wir müssen uns wohl mit einem Appell an die Öffentlichkeit wenden, etwaige Beobachtungen zum fraglichen Zeitpunkt zu melden. Das machen wir doch sonst auch«, entgegnete Tommy unbekümmert.
»Wahrscheinlich. Aber dafür müssen wir den fraglichen Zeitpunkt erst einmal eingrenzen. Und dann müssen wir diesen Jogger finden. Verdammt!«
Letzteres sagte Irene, weil ihre Reiskugel auseinander fiel. Konzentriert fischte sie nach ihrer Riesenkrabbe, die in der Schale mit der Sojasauce verschwunden war.
»Ich habe einiges über diesen Segelunfall in Erfahrung gebracht. Ich habe mir die Ermittlungsakten und Zeitungsartikel kommen lassen. Kjell Bengtsson Ceder heiratete 1985 Marie Lagerfeit, die einzige Tochter des Großreeders Carl Lagerfeit und seiner Frau Alice. Beide waren schon recht alt, als die Tochter zur Welt kam, über vierzig. Die Mutter starb, als Marie ein Teenager war, und der Vater zwei Jahre vor ihrer Heirat mit Ceder. Sie und Ceder waren gleich alt, also fünfunddreißig. Für beide war es die erste Ehe. Keine Kinder. Die bessere Gesellschaft in Göteborg sah mit Spannung einem Erben entgegen. Im Sommer 1988 waren sie genau drei Jahre verheiratet. Zusammen mit zwei anderen Paaren unternahmen sie einen Segeltörn nach England. Alle sechs verstanden sich aufs Segeln und waren mit dem Meer vertraut. Es war Mitte August und das Wetter gut, als sie Göteborg verließen. Mitten auf der Nordsee nahm der Wind dramatisch zu, zwar nicht auf Sturmstärke, aber der Seegang war stark, und es regnete. Außerdem war es stockfinster. Drei kümmerten sich um das Boot, und die anderen drei versuchten, sich auszuruhen. Einer der Männer stand am Ruder, als er sah, wie sich eine Schot löste. Marie und Kjell gingen nach vorn, um anzuluven. Aus irgendeinem Grund trugen sie keine Schwimmwesten, was einem in Anbetracht des Wetters vollkommen wahnsinnig vorkommt. Aber in den Ermittlungsakten steht, dass bei dem Törn einiges an Alkohol getrunken wurde, und vielleicht war das der Grund dafür, dass sie es vergaßen. Plötzlich stürzte Kjell ins Ruderhaus und rief, sie müssten wenden, Marie sei über Bord gefallen. Sie kreuzten mehrere Stunden und versuchten, sie zu finden. Ohne Ergebnis. Ihre Leiche wurde drei Monate später von Fischern gefunden. Sie hatte sich im Schleppnetz verfangen und befand sich in einem sehr schlechten Zustand.«
»Wie fürchterlich!«, meinte Irene. Es schauderte sie.
Tommy beugte sich über den Tisch und sagte mit noch leiserer Stimme: »Auffällig ist, dass Kjell und Marie allein auf Deck waren, als sie ins Wasser fiel. Niemand sonst hat etwas gesehen. Laut Kjell ging alles ganz schnell. Es war ihm gelungen, die Schot in der Winde festzumachen und anzuholen, als er plötzlich merkte, dass Marie nicht mehr neben ihm stand. Als er sich umschaute, war das Deck leer. Er begann zu rufen und ins Wasser zu spähen, sah aber nichts. Sicherheitshalber schrie er auch nach unten in die Kabine, falls sie reingegangen wäre, ohne dass er es gemerkt hätte. Aber sie befand sich nicht im Boot. Sie war im Meer verschwunden.«
»Du meinst also, dass er ihr über Bord geholfen haben könnte?«
Tommy nickte.
»Dieser Verdacht bestand damals schon. Sie hatte etliche Millionen, und ihr Mann erbte alles. Man konnte ihm aber nicht nachweisen, dass es nicht so gewesen war, wie er behauptete. Obwohl ich seine Erklärung recht unwahrscheinlich finde. Er hätte merken müssen, dass sie über Bord gespült wurde.«
Tommy verstummte und dachte eine Weile nach.
»Erst sechzehn Jahre später heiratet er also ein weiteres Mal. Sanna Kaegler, die er noch dazu vor der Hochzeit geschwängert hat«, fuhr er nachdenklich fort.
»Vielleicht wollte er sicher gehen, dass sie Kinder bekommen kann. Vielleicht haben Männer auch eine biologische Uhr. Für einen Erben war es vermutlich höchste Zeit. Besser spät als nie. Die erste Frau war schließlich nach drei Jahren auch noch nicht schwanger gewesen«, meinte Irene.
»Das ist nicht die ganze Wahrheit. Bei ihrem Tod war sie nämlich im dritten Monat.«
»Dann war das also ein doppelt tragischer Todesfall.«
»Weil ich schon
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