Der erste Verdacht
die Geschäfte der Familie. Ihr Vater ist jemand, wie die Amerikaner ihn lieben, ein Selfmademan. Er stammt aus armen Verhältnissen und hat sich abgerackert, um sich das Studium zu finanzieren. Dann hat er eine steile Karriere hingelegt. Er hat ein ganzes Geschäftsimperium aufgebaut und ist heute schwerreich.«
»Edward hat also in die Großfinanz eingeheiratet?«
»Jawohl.«
»Merkwürdig, dass er nicht für seinen Schwiegervater arbeitet.«
»Er hatte bereits einen guten Job bei einer Bank, als er seine spätere Frau kennen lernte. Vielleicht hatte er einfach keine Lust, für seinen Schwiegervater und Schwager zu arbeiten.«
Irene erzählte, was sie über Thomas Bonetti und seine tollen Streiche in der Londoner Bankenwelt herausgefunden hatte. Wie erwartet stieg Tommys Erregung, als sie ihm von den Kontakten zwischen Bonetti und Joachim Rothstaahl berichtete.
»Genau das haben wir die ganze Zeit geahnt. Die Morde hängen zusammen!«, rief er.
Irene ermahnte ihn, leiser zu sein. Sie merkte, dass die Leute an den Nachbartischen die Ohren spitzten. Es war zwar nicht ungewöhnlich, dass in der Kantine der staatlichen Versicherung polizeiliche Angelegenheiten verhandelt wurden, aber das Wort »Mord« in allen seinen flektierten Formen zog immer noch die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich.
»Es scheint vollkommen klar zu sein, dass sich alle, die in die Sache verwickelt sind, bereits länger kannten. Wir müssen herausfinden, was sie für ein Verhältnis zueinander hatten«, stellte Tommy mit gedämpfter Stimme fest.
»Wie immer graben wir in der Vergangenheit«, meinte Irene seufzend.
»Dort findet sich auch meist die Wahrheit. Wir …«
Tommy wurde unterbrochen. Sein Handy begann, in der Brusttasche seines Jeanshemds zu vibrieren.
»Hallo, Birgitta«, sagte er.
Anschließend hörte er eine Weile zu und wandte sich dann an Irene. Er hielt den Daumen hoch, und ihr war klar, dass sie die Leiche identifiziert hatten. Das dritte Mordopfer war Philip Bergman.
Nur Sannas Mutter Elsy Kaegler war zu Hause. Sie hütete Ludwig, während ihre Tochter Besorgungen machte. Es gab viel zu tun, unter anderem wollte Sanna mit einem Bestattungsunternehmen über die Beerdigung ihres Mannes sprechen. Elsy erwartete sie erst am späten Nachmittag zurück. Irene bat sie, ihr auszurichten, dass sie gegen halb fünf wieder vorbeischauen würden.
Svante Malm, dem Mann von der Spurensicherung, war es in den Ferien in Griechenland gelungen, sich etwa zehntausend neue Sommersprossen zuzulegen. Irene dachte an Krister, der goldblond war. Nach ihrer Kretareise vor einem Monat hätte er mit Svante konkurrieren können. Leute mit rötlicher Haut sollten nicht sonnenbaden, taten es aber trotzdem und sahen dann aus wie verbrühte Tomaten. Anschließend schuppen sie sich und sind wieder genauso bleich wie vorher. Darüber hatte sie mit ihrem Mann seit zwanzig Jahren vor sämtlichen Sommerferien gesprochen, ohne dass es etwas genützt hätte. Krister holte sich jedes Jahr einen Sonnenbrand. Svante sah jedoch munter und ausgeruht aus und winkte Irene und Tommy fröhlich zu, als sie ins Konferenzzimmer schlenderten. Sie setzten sich ganz nach hinten. Irene fiel auf, dass Kajsa Birgersdotter im Gegenzug ganz vorne Platz genommen hatte. Sie drehte sich um und lächelte. Irene beantwortete das Lächeln nicht, da ihr klar war, dass es nicht für sie bestimmt war.
Kommissar Andersson räusperte sich, ehe er das Wort ergriff:
»Ich will nur ein paar Worte sagen, bevor Svante weitermacht. Die beiden Opfer wurden als Joachim Rothstaahl, zweiunddreißig Jahre alt, und Philip Bergman, dreißig Jahre alt, eindeutig erkannt. Bergman wurde heute von seinen Eltern identifiziert. Sein Vater sah ihn am Montagabend gegen sieben wegfahren, um Rothstaahl zu treffen. Er wies darauf hin, dass seine neue Jacke fehlt. Offenbar hatte er auch eine Tasche dabei. Die Jacke ist aus hellem Leder. Das Auto von Bergman fehlt ebenfalls. Er hatte sich das seines Vaters geliehen, einen schwarzen Saab 93 Aero, das neueste Modell. Bergman wohnte nicht mehr in Schweden. Laut Auskunft seiner Eltern wohnte er in Paris. Ehrlich gesagt, warum muss diese Bagage eigentlich im Ausland wohnen? Können sie die Leute nicht hier zu Hause betrügen?«
Einige Zuhörer kicherten. Svante Malms langes Pferdegesicht verzog sich zu einem Grinsen.
»Hast du viel Geld verloren, als diese so genannten ›Platzierer‹ mit deinen Aktien spekuliert haben?«, fragte er spöttisch.
»Ich habe
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