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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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nicht sonderlich lange. Im April 2000 war der Konkurs ein Faktum. Aus der fünften Finanzierungsrunde wurde nichts. Die Investoren hatten kalte Füße bekommen und spürten den kalten Atem des ›Dotcom-Tods‹, obwohl zu Beginn des Jahres 2000 noch niemand ahnte, was für Ausmaße die Sache annehmen würde.
    Von Seiten H.P. Johnson’s wurden einige Versuche zur Rettung unternommen. Noch Anfang März setzte man sich dort für den Börsengang ein. Doch dieser zerschlug sich bald endgültig, die Schulden holten ph.com ein und verschlangen am 15. April das Unternehmen restlos.
    Den Tränen nahe erklärten Sanna Kaegler und Philip Bergman dem Personal im Londoner Büro, dass alle Schuld bei den Investoren liege. Sie seien ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen. Jetzt habe man ph.com den Teppich unter den Füßen weggezogen! Davon, dass die Investoren über einhundert Millionen Dollar in das Unternehmen gepumpt hatten, ohne eine einzige Krone zurückzubekommen, war nicht die Rede!
    Da es so gut wie keine Buchhaltung in dem Unternehmen gegeben hatte, ließ sich kaum erklären, wohin das Geld verschwunden war. Allein die Reklame und das Marketing hatten neununddreißig Millionen Dollar gekostet. Wer eigentlich bezahlt worden war, konnte nie richtig geklärt werden. Den Angestellten von ph.com gelang es, in nicht ganz einem Jahr einhundertundneun Millionen Dollar durchzubringen. Das entsprach nach damaligem Kurs einer Milliarde schwedischer Kronen. Darüber nachzudenken, wohin dieses Geld verschwand, ist schwindelerregend. Einige Monate nach dem Konkurs behaupteten Sanna Kaegler und Philip Bergman, ihr ehemaliger Partner Thomas Bonetti habe mehrere Millionen Dollar unterschlagen. Bonetti wies diese Anklagen kategorisch zurück und behauptete, Sanna und Philip hätten das Geld selbst beiseite geschafft, nur um ihm dann die Schuld zuzuschieben. Es gab weder eine Ermittlung noch ein gerichtliches Nachspiel, da Thomas Bonetti im September 2000 verschwand.«
     
    Irene beendete die Lektüre, als eine Stimme aus dem Lautsprecher mitteilte, man habe mit dem Landeanflug begonnen und die Passagiere sollten sich bitte wieder anschnallen. Im Text, den sie gelesen hatte, wimmelte es von wirtschaftlichen Fachausdrücken, die sie nicht verstanden hatte, aber eines war vollkommen klar: Beim ph.com-Konkurs war Geld verschwunden, und zwar sehr viel Geld.

KAPITEL 9
    Irene und Kajsa hatten beide einen Rucksack als Handgepäck mitgenommen. Da sie nicht über Nacht bleiben wollten, brauchten sie keine Reisetasche. Es war angenehm, nicht zu denen zu gehören, die in der Gepäckausgabe warten mussten. Der Flughafen Charles de Gaulle war ein trauriger Koloss aus grauem Beton, aus dem sie sich schnellstmöglich mit dem Flughafenbus in die Stadtmitte von Paris entfernten.
    »Der Bus fährt über den Boulevard Raspail in die Stadt. Die Frage ist, wo wir aussteigen sollen. Die Straße ist verdammt lang«, sagte Kajsa.
    Sie studierte den Stadtplan, den sie sich an der Information auf dem Flughafen hatte geben lassen. Nach einer Weile faltete sie ihn zusammen und sagte: »Wir müssen vor dem Place Denfert Rochereau aussteigen. Dann gehen wir einfach den Boulevard entlang, bis wir zur Hausnummer 207 kommen.«
    Irene nahm den Stadtplan und betrachtete ihn. Sie versuchte, sich zu orientieren. Es gelang ihr, den Boulevard Raspail zu finden, und sie konnte Kajsa nur zustimmen, er war wirklich lang. Gegen einen Spaziergang bei dem schönen Wetter hatte sie jedoch nichts einzuwenden. Das Wetter erinnerte an einen schönen schwedischen Sommertag.
    Sie begannen, sich dem Zentrum von Paris zu nähern. Auf den breiten Boulevards war die Geschwindigkeit auf siebzig Kilometer in der Stunde begrenzt. Der dichte Verkehr floss rasch dahin. Zwischen den Häusern gab es viele Bäume und blühende Beete. Trotz Stein und Asphalt schien Paris eine grüne Stadt zu sein. Der Fahrer sagte die Haltestelle an, an der sie aussteigen wollten. Draußen blieben sie kurz stehen und sogen die Luft ein, die nach Benzin roch.
    »Ich bin hungrig. Sollen wir zu Mittag essen, bevor wir uns die Wohnung ansehen?«, fragte Kajsa.
    »Gute Idee.«
    Sie gingen in Richtung eines breiten Boulevards, der laut Stadtplan Montparnasse hieß. Fast auf der Ecke fanden sie Haus Nummer 207, in dem Philip Bergman und Joachim Rothstaahl ihre Wohnung gehabt hatten. Das Haus war etwas niedriger als die anderen achtgeschossigen Gebäude ringsumher und wirkte auch etwas älter. Es war gut unterhalten,

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