Der erste Verdacht
setzen, mit sich bringen. Sanna reagierte wütend auf diesen Einwand: ›Ich arbeite jetzt schon seit Jahren im Bereich Mode und Design! Ihr habt davon doch überhaupt keine Ahnung!‹, erklärte sie den Beratern. Die Kritik verstummte. Schließlich beißt man nicht die Hand, die einen füttert.
Auch das Betriebsklima bei ph.com ließ keine Kritik zu. Man war ein Teil des ph.com-Geistes. Das heißt, man kam frühmorgens und ging erst spätabends. Es wurde erwartet, dass man auch am Wochenende zur Verfügung stand. Protestierte man, wurde man kaltgestellt. Dann gehörte man nicht mehr zu der coolen Gang und durfte nicht mehr bei den nächtlichen Partys dabeisein. Ein Privatleben der Angestellten war ausgeschlossen. Man pflegte fast ausschließlich mit anderen ph.com-Angestellten Umgang. Recht bald kristallisierte sich ein innerer Kreis um das Führungstrio heraus. Gleichzeitig wurde das gesamte Unternehmen von einer starken Solidarität mit und einem großen Glauben an ph.com durchdrungen.
Das Interesse der Medien konzentrierte sich immer mehr auf Philip Bergman und Sanna Kaegler. Sie liebten es, im Rampenlicht zu stehen, und führten ihre trendigen Londoner Wohnungen gerne in Einrichtungszeitschriften vor. Bonetti besaß ebenfalls eine Wohnung an einer guten Adresse, gewährte aber nie Journalisten Einlass. Die Mieten wurden von ph.com bezahlt. Alle drei erhielten einen Lohn von einhundertfünfzigtausend Dollar im Jahr. Oft waren ihre Gesichter auf dem Umschlag von Fortune zu sehen. Wie ein Mantra wiederholten sie in den Interviews, dass sie die avancierteste Technik des Internet kreieren würden.
Dort türmten sich bald die wirklichen Probleme. Bergman und Kaegler verwarfen ständig Vorschläge für Homepages, die ihnen von Electroz vorgelegt wurden. Im Februar 1999 gab Electroz auf, und ph.com hatte keinen Partner mehr für die Technik. Zum ersten Mal zeigte Philip Bergman Anzeichen von Nervosität. Er hatte den Investoren versprochen, dass die Homepage im April 1999 fertig sein würde. Die Trojka wollte Ende März eine zweite Finanzierungsrunde einläuten. Deshalb wollten sie den Investoren gegenüber nicht offiziell zugeben, dass man das Datum für die Etablierung der Homepage nicht einhalten konnte.
Zur gleichen Zeit wies Thomas Bonetti darauf hin, dass die finanzielle Kontrolle innerhalb des Unternehmens unzulänglich bzw. teilweise gar nicht vorhanden sei. Alle Abteilungen tätigten ihre Bestellungen, ohne mit der Zentralbuchhaltung, für die er zuständig war, Rücksprache zu halten. Es gingen keine monatlichen Berichte ein, und so war es unmöglich, die Finanzen ordentlich in den Griff zu bekommen. Thomas und das Gespann Philip und Sanna gerieten sich wegen der mangelnden Kontrolle der Finanzen des Unternehmens immer häufiger in die Haare. Thomas zog den Kürzeren, da er immer die beiden Partner, die füreinander durch Feuer und Wasser gingen, gegen sich hatte. Auch für die anderen in der Firma wurde zunehmend deutlicher, dass es um die Harmonie in der Führungscrew nicht sonderlich gut bestellt war. Vielleicht entschloss sich Thomas bereits da, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Während einer feuchtfröhlichen nächtlichen Party vertraute er einigen Mitarbeitern an, dass er nur noch versuchen wolle, ph.com an die Börse zu bringen, um dann rasch seine Aktien zu verkaufen.
Die zweite Finanzierungsrunde war ein voller Erfolg. Gleichzeitig gelang es, einen neuen Partner für die Technik zu gewinnen: Watsis. Doch auch diese Firma hatte Bedenken, da man den Zeitrahmen für zu knapp hielt. Die Homepage bis zum 1. Juni 1999 fertigzustellen war unmöglich. Trotz ihrer ausdrücklichen Bedenken gab Bergman den 1. Juni 1999 als Startdatum für die Homepage bekannt. Es ging darum, die Investoren bei Laune zu halten. Die Führungscrew beauftragte bekannte Webdesigner aus New York. In Stockholm und Berlin kümmerte man sich um die Administration und die Logistik. Da alle unter Hochdruck arbeiten mussten, waren diese Dienstleistungen natürlich besonders teuer.
Ein Beraterteam beraumte den frühestmöglichen Termin für die Einführung der Homepage auf den 1. November 1999 an. Philip Bergman und Sanna Kaegler protestierten, mussten sich aber schließlich fügen. Wünschten sie die coolste und technisch ausgereifteste Homepage des Internets, dann musste es eben dauern dürfen, wenn es funktionieren sollte.
Nach außen hin ließen sie sich nichts anmerken, und positive Artikel in Wirtschaftszeitungen
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