Der erste Verdacht
erinnerte Birgitta.
Andersson sah sie übellaunig an, verteidigte seine These daraufhin aber nicht weiter. Er hatte selbst darauf hingewiesen, dass es sich im Hinblick auf das Kaliber wahrscheinlich um ein- und denselben Mörder handeln musste. Er räusperte sich laut und sagte: »Es stellt sich nach wie vor die Frage, warum er oben beim Seezeichen erschossen wurde.«
»Der Mörder wollte verhindern, dass die Leiche gefunden wird. Offenbar war ihm das wichtig. Aber ich frage mich immer noch, warum er sie dann nicht einfach im Meer versenkt hat«, sagte Tommy.
»Versenken.« Irene fiel es wie Schuppen von den Augen. Das war das Schlüsselwort!
»Der Mörder hat sie nicht im Meer versenkt, weil er nichts hatte, womit er sie hätte versenken können!«, sagte sie aufgeregt.
»Jetzt fängt sie schon wieder an!«, seufzte Jonny und verdrehte die Augen.
Irene ignorierte seinen Versuch, komisch zu sein. Stattdessen suchte sie nach einer möglichst pädagogischen Ausdrucksweise.
»Man kann keine Leiche ohne Gewicht versenken. Denn sonst treibt sie recht rasch wieder an die Oberfläche. Und das wollte unser Mörder unbedingt verhindern. Das ist wahrscheinlich die Erklärung dafür, warum er Thomas zum Seezeichen auf Branteskär schleifte.«
»Klingt plausibel«, stimmte ihr Andersson zu.
»Die Finger«, erinnerte Tommy.
»Die Finger, stimmt. Was wollte er mit den vier Fingern?«, fragte Andersson.
»Trophäen«, wiederholte Jonny stur.
»Wenn sie abgeschnitten wurden, ehe er ermordet wurde, handelt es sich um Folter«, behauptete Birgitta.
Jonny seufzte.
»Was hätte es für einen Grund gegeben, diesen kleinen, fetten Börsenschieber zu foltern?«, fragte er gehässig.
»Dass er ein kleiner, fetter Börsenschieber war.«
Alle sahen Kajsa an, die plötzlich ihr Schweigen gebrochen hatte.
»Was meinst du damit?«, fragte der Kommissar.
Es kostete ihn Überwindung, freundlich zu sein, während er in ihr vielfarbiges Gesicht blickte. Als sich ihr die allgemeine Aufmerksamkeit zuwandte, überzog eine rosige Röte ihre Wangen, die einen interessanten Kontrast zu ihrem blaulila umrahmten linken Auge bildete.
»Schließlich war er ja ein Börsenschieber. Er hatte in London ungesetzliche Dinge getan und wurde im Zusammenhang mit dem ph.com-Konkurs der Unterschlagung bezichtigt. Vielleicht wurde er gefoltert, damit er seine Kontonummer preisgibt«, sagte sie eifrig.
Irene nickte und sagte: »Kajsa hat Recht. Allen Opfern ist gemeinsam, dass sie Börsenschieber waren und unsaubere Geschäfte machten, außer möglicherweise Kjell Bengtsson Ceder. Aber alle vier kannten sich.«
»Kannte Ceder wirklich Rothstaahl und Bergman? Und kannte er Bonetti?«, wollte Andersson wissen.
»Nein. Aber Sanna kannte sie«, antwortete Irene.
Jetzt kam Leben in den Kommissar. Er sprang von seinem Stuhl auf und sah Tommy durchdringend an.
»Hast du sie nochmals verhört?« Tommy schüttelte den Kopf.
»Nein. Nach den Morden an Ceder und Bergman war sie am Boden zerstört. Insbesondere der Tod Bergmans hat sie mitgenommen.«
»Jetzt setzt du sie unter Druck!«, entschied der Kommissar.
Er sah Tommy finster an, um das Gesagte noch zu unterstreichen.
»Irene und Tommy knöpfen sich die kleine Frau Ceder nochmals vor und suchen nach weiteren Berührungspunkten der vier Opfer. Birgitta und Kajsa, ihr überprüft die Finanzen, vielleicht taucht ja noch etwas auf, das wir übersehen haben. Seht euch auch noch einmal an, ob die Anklagen gegen Bonetti nach dem ph.com-Konkurs begründet waren. Und dann könnt ihr euch auch noch einmal die Finanzen der Familie Ceder vornehmen. Redet mit Bosse oder jemand anderem vom Dezernat für Wirtschaftskriminalität, obwohl es dort im Augenblick personell recht eng ist. Jonny und Fredrik sollen sich um die Vorhaben von Bergman und Rothstaahl kümmern. Da sie nach Schweden kamen, um sich in Rothstaahls Haus zu treffen, liegt der Verdacht nahe, dass die Sache auch hier laufen sollte. Redet noch einmal mit ihren Eltern. Ich habe das Gefühl, dass sie Dinge verschweigen, die ihre Söhne in ein schlechtes Licht rücken könnten.«
»Haltet eure Späheraugen offen nach Computern und Disketten. Solche Burschen haben keine Aktenordner. Alles befindet sich auf Festplatten«, warf Birgitta noch abschließend ein.
Auch Irene hatte sich wiederholte Male überlegt, weshalb sich Philip und Joachim unbedingt in Göteborg treffen mussten, wo sie doch in Paris zusammenwohnten. Es gab nur eine logische Erklärung. Sie
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