Der erste Versuch
hat – und dann mitten vom Cañon aus.“
„Und wann, glaubst du, ist dieser entstanden?“, fragte Alina.
„Da bin ich überfragt. Wenn wir nachher in der Vier sind,
musst du das Yvonne fragen. Aber sei vorsichtig, sie ist schwer
zu bremsen, wenn sie einmal redet.“
Es war jedoch in der Station IV keine Gelegenheit, mit dieser
redseligen Yvonne zu sprechen. Das Luftschiff traf früher als
erwartet ein, und so konnten sie den Rückflug zur Station II
sofort antreten, was Alina ein wenig bedauerte. Sie hatte den
Abend mit dem Team der Station in guter Erinnerung.
Alina war mit Arbeit eingedeckt, aber meistens mit
Tätigkeiten, die der Alltag bestimmte. Biologen hatten Formen
niedrigen Lebens entdeckt, und es kamen stets neue hinzu, die
es zu systematisieren und weiter zu untersuchen galt. Mit dem,
das offenbar ihre Berufung in die Marsmannschaft bewirkte
hatte, diesem merkwürdigen Instrument, konnte sie sich nicht
befassen. Langsam bildete sich in ihr der Eindruck, als sei die
Sache mit dem archaischen Theodoliten der Vorwand
gewesen, eine zusätzliche Arbeitskraft in die Station zu
bekommen; denn, das bekam sie nach und nach mit, die
Forschungsgesellschaft war in Personalfragen äußerst
knausrig. Manchmal schlich sich sogar der absurde Gedanke
ein, das Ganze, der Theodolit mitsamt den Gutachten, sei
getürkt – eine konspirative Kleinigkeit heutzutage, wenn ein
wenig investiert wird. Natürlich verwarf sie den Gedanken.
Aber um sich mit der Sache zu befassen – es waren nicht die
geringsten Daten oder andere Ansatzpunkte erkennbar
–,
wurde ihr kaum ein Zeitrahmen eingeräumt. Tragisch nahm sie
das nicht. Die Arbeit machte ihr Freude, die Atmosphäre in der
Crew war gut, und mit Connan verstand sie sich ausgezeichnet.
In den Tagen, die der Rückkunft vom Ausflug mit Connan
folgten, leitete Alina Aktivitäten ein, die ihr Auskünfte über
das Schicksal Milans geben sollten. Dazu erkundigte sie sich in
der Hauptzentrale, aus welcher Station demnächst Kollegen
einen Erdurlaub antreten würden, und mit denen setzte sie sich
in Verbindung. Da auch innerhalb der Marskommunikation
Privates nicht gern gesehen wurde, suchte sie die Kontakte mit
Dienstlichem zu verbinden, mitunter fand sie auch einen
solchen Vorwand. Im Wesentlichen bat sie die potenziellen
Urlauber, ihr aus dem irdischen Weltnetz so viele
Informationen wie möglich von der Vereinigung für das zweite
Leben zu sammeln, über automatisch funktionierende
Tiefschlafeinrichtungen und Bergwerke, die in irgendeiner
Weise genutzt wurden
– und natürlich über eine Person
namens Milan Nowatschek. Im Klaren war sich Alina
natürlich, dass sie
– wenn überhaupt
– die ersten dieser
Auskünfte frühestens in mehr als einem halben Erdenjahr
erhalten würde; eher war mit der Rückkunft von Urlaubern
nicht zu rechnen.
Die mageren Einheiten ihres Privatkontingents für die
Erdkommunikation verbrauchte Alina für einen längeren
Kontakt mit der europäischen Einwohnerdatenbank. Die
Auskunft, die sie von dort schließlich erhielt, beunruhigte sie
und stimmte sie äußerst nachdenklich: Es wurden ihr im
erweiterten Raum der Union elf Milan Nowatscheks genannt,
von denen einer den Daten nach möglicherweise der richtige
sein konnte, doch der sollte sich auf einer kleinen
Mittelmeerinsel namens Unije auf einer Großbaustelle
befinden. Eine Verbindung dorthin und weitergehende
Angaben seien aus Sicherheits- und Datenschutzgründen nicht
möglich.
Was war geschehen? Hatte Milan es sich überlegt und sich
nicht einschläfern oder sehr vorzeitig wecken lassen? Und ein
winziges Fünkchen leuchtete da: Es gäbe, träfe man sich eines
Tages wieder, keinen veränderten Altersunterschied… Am
liebsten hätte Alina weiter recherchiert, wäre dem
Merkwürdigen um Milan nachgegangen. Allein, die
Bedingungen auf dem Mars forderten ihren Tribut, sodass ihr
eben nur die Möglichkeit blieb, mehr durch die Urlauber,
vielleicht eingestreute Mitteilungen in Privatgesprächen der
Kollegen, zu erfahren und sich im Übrigen in Geduld zu
üben… Ihr selber standen erst wieder in einem halben Jahr
einige Einheiten für private Erdgespräche zur Verfügung.
Kreisrund und ohne Korona stand die Sonne über den fernen
Bergen, klein und, gemessen an irdischem Erleben, mit
mäßiger Kraft. Und doch, etwas Anheimelndes hatte er an sich,
der Sonnenuntergang auf dem Mars. Die kleinen Sandwehen
im Vordergrund warfen lange Schatten, die aus der Schwärze
der Berge drangen
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