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Der erste Versuch

Der erste Versuch

Titel: Der erste Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Schein als Sein“ definiert sind. Andererseits, er hatte
entweder bornierte oder minderbemittelte Eltern – Alina tippte
auf Letzteres
–, sonst hätte man ihn nicht in der
Kleinwüchsigkeit belassen, eine Kleinigkeit, diese in der
Kindeswachstum-Periode zu korrigieren, allerdings eine
kostspielige Kleinigkeit. Was aber das Unangenehmste für
Alina war: Der Mensch, wenn er nicht gerade schlief, rauchte!
Nur noch selten frönte der eine oder andere diesem
nostalgischen, andere belästigenden und obendrein hochgradig
gesundheitsschädigenden Laster. Und ausgerechnet sie musste
an so einen geraten. Morris war bereits von der Sucht
gezeichnet. Er hatte ein braunes, lückenhaftes Gebiss, das er
obendrein vernachlässigte, und eine Gesichtshaut wie das
lebenslang gebrauchte Arschleder eines historischen
Bergmanns – der Vergleich stammte von Connan. Morris
hustete mitunter, dass man meinte, die Lunge stülpe sich nach
außen; er roch nach kaltem Rauch, dass sich einem auch nicht
vorhandene Schnurrbarthaare sträubten.
    Robby dagegen – bei dem Namen hatte Alina zunächst an
einen smarten Jungen gedacht – war Mitte fünfzig, ebenfalls
wortkarg, aber sehr hilfsbereit. In seinen Augen, seinem
Gesicht stand Humor, und wenn er lachte, zeigte er eine Reihe
tadelloser weißer Zähne, zu denen seine dichten Augenbrauen
und sein schwarzes, zu einem Knoten gewundenes Haar in
einem aparten Kontrast standen.
    Morris würde in unbekanntem Gelände den Weg
vorerkunden, auf alles achten, was der Planet an Gefahren
bergen mochte, Alina, die noch immer Neue, auf
Verschiedenes, das sie interessieren könnte, aufmerksam
machen und selber auch ihm Unbekanntes erfassen.
    Robby oblag alles Technische, was mit der Unternehmung im
Zusammenhang stand: die Navigation, Kartierung des
zurückgelegten Weges und des unmittelbaren Umfeldes der
Route sowie die Kommunikation mit der Station. Er hatte
dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug fuhr, alle mitgeführten
Geräte und Instrumente funktionierten, und zu seiner Aufgabe
gehörte auch – als Alina darüber informiert wurde, atmete sie,
eingedenk Connans Warnung, auf –, für das leibliche Wohl zu
sorgen.
    In der Station IV stand eines der modernen
Exkursionsfahrzeuge bereit: ein Breitraupenrover mit
Stelzlenkung, ein Typ, der sich im oftmals unverhofft
auftretenden Treibsand des Planeten bestens bewährt hatte.
    Alina dirigierte die Maschine zum Cañon. Bis dorthin war
der Weg ausgefahren, schwere Fahrzeuge hatten tiefe Rillen
gefräst, und es hatte kein Sandsturm nach der Fahrt mit
Connan die Spuren verweht.
    Entlang dem nördlichen Ufer des Cañons fuhren sie zum
halbierten Hügel.
„So – wir sind da“, rief Alina ein wenig enthusiastisch, „auf
ins Unbekannte!“, worauf Morris ihr einen geringschätzigen
Blick zuwarf.
„Okay“, sagte Robby, „also immer den Steinen nach“, und er
half Alina galant, den Beifahrersitz zu erklimmen.
„Den Steinen nach!“ bestätigte sie voller Entdeckerdrang.
Die Maschine ruckte kräftig an. Und Robby fuhr auf dem
jungfräulichen Boden bedeutend schneller als auf der vorigen,
gefurchten Piste. Eine dichte, lange in der Luft stehende Wolke
bildete sich hinter dem Fahrzeug.
    Etwa drei Kilometer vor der Hügelkette hörte die Steinreihe
plötzlich auf. Für einen Grund gab es keine Anzeichen. Alina
ließ halten, und sie suchten zu dritt über eine Stunde lang in
immer größer werdenden Kreisen das Gebiet sorgfältig ab –
ohne Erfolg.
    Alina wollte sich nicht eingestehen, dass sie mächtig
enttäuscht war. „Wir fahren weiter geradeaus in die Berge
hinein“, ordnete sie an, was ihr ein gleichgültiges
Schulterzucken Morris’ und ein „Okay“ Robbys einbrachte.
    Die nicht allzu fernen Erhebungen lösten sich sanft aus der
Ebene.
Und da war Alinas Enttäuschung wie hinweggefegt: Sie
erreichten den ersten Hügel an einer Stelle, wo dieser – genau
wie am Ausgangspunkt der Expedition ins Unbekannte – von
einem Cañon durchschnitten wurde, nur dass dieser nicht in die
Tiefe führte, sondern dessen Sohle auf dem Niveau der Ebene
blieb, was einige Lotungen ergaben; denn natürlich hatten die
Marsstürme mehrere Meter Flugsand in den Einschnitt
transportiert.
Die sehr steilen Wände wechselten – je nach Höhe des
durchschnittenen Hügelmassivs – zwischen 40 und 10 Metern.
Mitunter mussten die Scheinwerfer eingeschaltet werden, weil
das Tageslicht nicht bis auf die Sohle drang. Deutlich ließ sich
die Schichtung der durchtrennten

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