Der erste Versuch
überrascht, als von oben eine
Gestalt im grauen, eng anliegenden Trikot an einem Schweber
niederging und verhalten mit heller Stimme „Hallo“ sagte.
„Was ist mit ihm?“, fragte Milan und deutete auf Ahmed.
„Schläft, dank dieser neuen fabelhaften Erfindung.“ Cathleen
Creff hob ein handliches Gerät in Milans Augenhöhe, einer
Spielzeug-Wasserpistole nicht unähnlich.
„Verdampfender Stickstoff treibt ein Gifteisgeschoss. Keine
Spuren. Aber schnell, er wacht in wenigen Minuten auf.“
Die Frau streifte die Kappe ab. „Ich beobachte euch schon
eine Weile; dein Signalgeber hat einen Wackelkontakt. Also:
Wir sind gezwungen – frag nicht, weshalb –, die Taktik zu
ändern. Der Bau muss verzögert werden! Vier Leute Regen
diesseits der Sicherheitszone in einem U-Boot in Bereitschaft.
Sie warten, brauchen deine Hinweise auf günstige und
natürlich neuralgische Ansatzpunkte. Keine Leichen! Und du
bringst dich nicht in Gefahr, hörst du!“
Klang da Besorgnis mit? Milan trat einen Schritt auf die Frau
zu.
Doch da fuhr sie bereits geschäftig fort: „Offiziell neue Leute
einzuschleusen, ist schwierig geworden, seit diese Affen das
Luftschiff abgeschossen haben. Hier die genauen
Anweisungen und der neue Code. Ich schaue mich noch um
und verschwinde. Mit mir nur im äußersten Fall Kontakt
aufnehmen!“
Cathleen nestelte an ihrem Brustbeutel und übergab dann
Milan den winzigen Kristall, zögerte, als ihre Hand die seine
berührte. Dann zog sie die elastische Kappe über den Kopf und
stopfte die blauen Haare darunter. „Also: Mach ‘s gut!“, sagte
sie, klopfte Milan auf die Schulter. „Das nächste Mal treffen
wir uns ohne fremde Ohren und – Leute…“ Sie deutete auf den
am Boden Liegenden. „Und ich nehme mir mehr Zeit.“ Sie sah
ihn lächelnd an, kniff ein Auge zu und schaltete den Motor.
Sekunden später hob sie der Schweber surrend in die Höhe,
und sie entschwand über der Felskante.
Milan schaute ihr hinterher, stand noch wenige Augenblicke
mit erhobenem Kopf, auch als von der Frau weder noch etwas
zu sehen oder zu hören war. „Sie wird wissen, wie sie
unbeschadet über die Sperre kommt“, dachte er. Ein Gefühl,
als ob er freudig schwebe, durchströmte ihn.
Ächzende Geräusche ließen ihn den Blick auf seinen
Vorgesetzten richten; dessen Aufwachen stand offenbar kurz
bevor.
Milan griff dem Ohnmächtigen unter die Achseln, zog ihn in
den Schatten der Felswand und lehnte ihn an diese.
Ahmed öffnete die Augen und schaute verwirrt um sich.
„Hallo“, rief Milan munter. „Verdammte Hitze das!“
„Was war?“, fragte Ahmed besorgt, und er strich sich fahrig
über die Augen. Dann schob er sich langsam an der Wand
empor, wie es schien, noch immer ein wenig benommen.
„Du bist zusammengerutscht, die Hitze sicher“, erläuterte
Milan. „Hast dich wahrscheinlich übernommen die letzten
Tage.“
Ahmed antwortete nicht sogleich; er rang sichtlich nach
Fassung. „Das wäre das erste Mal“, sagte er dann dumpf. „Ist
mir noch nie passiert.“
„Jeder dritte Mensch soll im Lauf seines Lebens mindestens
einmal in Ohnmacht fallen, sagt man. Ich hab‘s schon hinter
mir.“
„Sprüche!“ Ahmed richtete sich vollends auf, dehnte sich.
„Also“, erläuterte er, um Forsche bemüht, „dort kommen noch
weitere Brennstoffzellen hin, dahinter zwanzig
Wasserstofftanks. Das Gas wird flüssig gelagert.“
„Hochexplosives Gas“, registrierte Milan gedanklich.
„Wollen wir nicht zurück? Du solltest ein wenig ruhen…“,
sagte er dann.
„Mir ist nichts. Aber wir sind ohnehin am Ende der Tour. Du
wirst demnächst die Bauleitung der E-Anlage für die
Brennzellen übernehmen; sie gehört zu unserem Bereich.
Dort…“, Ahmed zeigte in die Felsen, „auf der Klippe,
unmittelbar über dem Strand, wird ein HochleistungsWindpark gebaut. Auch mit deine Aufgabe. Die Kontinuität
der Stromversorgung dieser HAARP-Antennen
– das
Wichtigste – ist, wie du merkst, auf alle Fälle sicher.“
„Das werden wir sehen“, dachte Milan Nowatschek, und ihm
drängten sich die Worte der Creff in die Erinnerung: der Bau
müsse verzögert werden. Er empfand auf einmal den
Widerspruch zwischen diesem ihrem harten, gefährlichen Job
und ihrer Fähigkeit, zartfühlend, sehr zärtlich sein zu können.
Und er gestand sich ein, dass er sich sehnte, es möge sich
wiederholen, was auf Stützpunkt acht so einvernehmlich
spontan geschehen war.
Milan saß auf einem Stein, der das halb künstliche Felsplateau
überragte und
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