Der erste Versuch
die, so
unwahrscheinlich das anmutete, Pflanzen sein konnten. Kein
Wunder also, dass Ungeduld und Spannung ins Unermessliche
wuchsen.
Im Gold-Cañon, wie sie den nördlichen Einschnitt, den Alina
erkundet hatte, nunmehr nannten, waren maximal 47,7 Prozent
Sauerstoff in der Atmosphäre nachgewiesen worden, und zwar
unmittelbar zwischen den groben Geröllen an der Stirnwand.
Für Alina stand unverrückbar fest, dass es zwischen den
beiden Messstellen einen Zusammenhang geben musste, den
aufzudecken sie nunmehr als die wichtigste Aufgabe empfand.
Sie beriet sich mit Connan, der sich natürlich noch immer in
Quarantäne befand, und erreichte, dass mit der Großbohrung
sofort begonnen wurde und Geräte überfuhrt werden sollten für
die Beräumung der Geröllhalde im Gold-Cañon. Hinter den
Felsbrocken, davon war Alina überzeugt, musste ein Ursprung
des hohen Sauerstoffgehalts zu finden sein.
Nach fünf Tagen stand fest, dass die zweizeiligen Wesen im
aufgefundenen Marswasser für den menschlichen Organismus
keine Gefahr darstellten, dass also die Quarantäne aufgehoben
und der Hohlraum untersucht werden konnten.
Die Großbohrung war niedergebracht, und sie zeichnete bei
Dunkelheit einen kreisrunden, geheimnisvollen, bläulich
schimmernden, hellen Lichtfleck an die Decke des
Schutzgehäuses.
Connan und Alina sollte die Ehre zuteil werden, als Erste
einzusteigen – nur ließ sich dieses Vorhaben äußerst schwierig
an. Die Bohrung stand mittig über dem untermarsischen See;
zu den Ufern waren es jeweils mehr als 50 Meter.
Ein Schlauchboot wurde durch das Bohrloch gezwängt, bis
zur Wasseroberfläche abgelassen und mittels einer
Luftzuleitung aufgeblasen. Dann wurden zuerst Connan und
danach Alina an einer Seilwinde in das Boot befördert.
Erst als sich Alina von der Schlaufe befreit und neben
Connan gesetzt hatte, erfasste sie mit Macht die Größe des
Augenblicks. Sie griff nach Connans Hand, gab sich
sekundenlang der Stille und einem nie empfundenen
Glücksgefühl hin. Und erst langsam begann sie eine
geheimnisvolle Welt um sich herum aufzunehmen.
Die kleinen Wellen um das Boot hatten sich geglättet, und es
war, als ruhe es auf milchigem, sanft strahlendem Glas; denn
das Licht entstieg zweifelsfrei dem See.
War es ein See? Eine Strömung ließ sich nicht feststellen,
aber es gab nur zwei geradlinig verlaufende Begrenzungen im
Osten und Westen. In Nord-Süd-Richtung verschmolz in
großer Entfernung das gleichförmig ausgebildete
Deckengewölbe mit der Wasseroberfläche.
„Fahren wir dorthin“, flüsterte Alina, und sie erschrak: Sie
hatte den Eindruck, als ob selbst der Hall der gehauchten Töne
den Ort entweihte. Dann wies sie stumm auf das Westufer, das
vielleicht zehn Meter näher war.
Connan nickte, auch er schien vom Einmaligen des
Ereignisses gefangen. Langsam, bemüht, wenig Geräusch und
Wellen zu verursachen, setzte er das Boot in Fahrt.
Alina atmete tief, ein Gefühl der Frische durchströmte sie,
und es kam gewiss nicht von der Temperatur in der Höhle, die
neun Grad höher war als an der Oberfläche.
Der Uferstreifen bestand aus einem Sims, der etwa ein Meter
über der Wasseroberfläche verlief, vielleicht drei Meter breit
war, eine Einheit mit der Höhlenwand und gleichsam eine mit
Boden gefüllte Wanne bildete. Daraus sprossen tatsächlich
dornige, ineinander dicht verwobene Pflanzen
unterschiedlichster Arten, aber keine, die auf den ersten Blick
einer irdischen geglichen hätte. Das undurchdringliche
Gebüsch rankte sich bis zur Decke, und zahlreiche Ranken
hingen über.
Plötzlich stand in Alinas Erinnerung ein Bild aus der
Kindheit: die Hecke vor Dornröschens Schloss. So wie diese
hier müsste sie ausgesehen haben…
„Nicht anfassen“, raunte Connan, und Alina zog ihre Hand
zurück.
Blätter und Nadeln glänzten, als seien sie mit Wachs
überzogen. Dunkles Blaugrün wechselte mit lackartigem oder
mattem Schwarz, ein Zeichen, dass nach wie vor neue Triebe
entstanden.
Nur der erste Eindruck deutete darauf hin, der untermarsische
Hohlraum sei nicht natürlichen Ursprungs.
Connan trieb das Boot langsam in nördliche Richtung am
pflanzenüberwucherten Sims entlang, und alsbald zeigte sich,
dass dieses durchaus nicht im Gleichmaß verlief, sondern
mitunter stark ausgebuchtet war und in der Breite wechselte.
Lediglich die Höhe blieb einigermaßen konstant, was
möglicherweise auf ehemals unterschiedliche Wasserstände
oder Strömungsverhältnisse und damit
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