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Der erste Weltkrieg

Der erste Weltkrieg

Titel: Der erste Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Berghahn
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Alliierten auf dem Gebiet der Propaganda erfolgreicher waren als die beiden zentraleuropäischen Monarchien. Das galt tendenziell auch allgemeiner für die Fähigkeit der Regierung und der Volksvertreter, den Konnex zur Bevölkerung aufrechtzuerhalten. An der Spitze standen charismatische Führer wie Georges Clemenceau in Frankreich, David Lloyd George in Großbritannien und Wilson in Amerika. Sie fanden leichter die richtigen Worte in einer Stunde der Krise als Bethmann, der pessimistische «Philosoph von Hohenfinow», der greise Franz Joseph, der eher zur Witzblattfigur gewordene Wilhelm II. oder der hölzerne Paul von Hindenburg, der ab 1917 als Chef der OHL der Sprecher einer (von dem kanadischen Historiker Martin Kitchen so genannten) stillen Diktatur wurde.
    Aus den Kreisen der Wirtschaft und der Gebildeten kam schließlich schon früh die Frage nach den Zielen dieses Krieges,sollte er denn den jeweils erhofften glücklichen Ausgang haben.
    Soweit es Frankreich und England betraf, wird man allerdings sagen müssen, dass ihre Kriegsziele diffus blieben und auf jeden Fall nicht zielstrebig koordiniert waren. Der Eintritt der Amerikaner in den Krieg auf Seiten der Alliierten komplizierte die Lage weiter. Allerdings hielten sich alle strikt an das Anfang September 1914 abgegebene Versprechen, keinen Separatfrieden zu schließen und auch keine Friedensangebote zu machen, die nicht zuvor unter den Verbündeten abgestimmt waren. Erst die Bolschewisten brachen im Oktober 1917 aus dieser Front heraus. Schließlich ist daran zu erinnern, dass einigen Nationen für ihren Eintritt ins alliierte Lager oder ihre Neutralität territoriale Versprechungen gemacht worden waren, die beim Friedensschluss 1919 dann mit den Realitäten und den geostrategischen Überlegungen der Großen am Verhandlungstisch der Pariser Friedenskonferenz kollidierten.
    Die mangelnde Greifbarkeit und Koordination der alliierten Kriegsziele verhinderte indessen nicht, dass Frankreich und England für sich eine Reihe von Ansprüchen entwickelten. Für Paris war das Hauptanliegen, gegen eine erneute Invasion von Osten her absolute Sicherheit zu erringen. Das 1871 verlorene Elsass sollte zurückgewonnen und die Grenze auch weiter im Norden durch die Schaffung kleiner Vasalleneinheiten bis an den Rhein vorgeschoben werden. Die französischen Militärs wollten Deutschland gar in neun Gebiete zerlegen. Schließlich dachte man noch an hohe Reparationszahlungen. Dabei spielte nicht nur die Erinnerung an jene Zahlungen eine Rolle, die die Deutschen Paris 1871 auferlegt hatten, sondern auch an den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete und die Zahlungen der Kriegsversehrten-, Witwen- und Waisenrenten, die nach dem Kriege anfielen. Im Dezember 1917 wurde in Paris schließlich beschlossen, auch in Osteuropa einen Staatengürtel zu schaffen, um eine erneute deutsche Expansion im Osten zu verhindern.
    Anders als Frankreich entwickelte Großbritannien auf dem europäischen Kontinent keine territorialen Ambitionen. Umso nachdrücklicher visierte es aber den Erwerb der deutschen Kolonienund von Teilen des Osmanischen Reichs an. Die Wiederherstellung eines souveränen Belgiens war ebenso selbstverständlich wie die Notwendigkeit, den preußisch-deutschen Militarismus ein für alle Mal in seine Schranken zu weisen. Im Jahre 1917 kamen noch Vorschläge zu einer Restauration Serbiens und Polens hinzu, und im Januar 1918 erweiterte Premierminister Lloyd George die Liste durch Forderungen, in denen den Nationalitäten des Osmanischen und Habsburger Reiches zumindest eine größere Selbstbestimmung versprochen wurde. Den Italienern waren 1915 beim Übertritt in das alliierte Lager Südtirol, der Trentino, Territorien um Triest und an der Dalmatinischen Küste, das nördliche Albanien sowie die Dodekanesischen Inseln zugesagt worden.
    Das Zarenreich hatte nach der Niederlage im russisch-japanischen Krieg von 1904 seine einstigen Expansionsversuche im Fernen Osten aufgegeben. Der Abschluss der Entente mit England im Jahre 1907 bedeutete eine Einigung über die jeweiligen Interessenssphären in Zentral- und Südasien, wo sich London bisher durch die Ambitionen des Zaren unter Druck gesetzt fühlte. Hiernach richtete sich die Aufmerksamkeit von Nikolaus II. auf den Südwesten und den alten Traum eines Zugangs zum Mittelmeer. Der russisch-türkische Konflikt, der Ende 1914 dann in einen Krieg mündete, eröffnete für den Zaren die Chance, im Falle eines alliierten Sieges

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