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Der erste Weltkrieg

Der erste Weltkrieg

Titel: Der erste Weltkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Berghahn
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−123 Mill. Mark bzw. −55 Mill. Mark am unteren Ende des Spektrums, während die USA und Japan einen Zuwachs in ihren Goldreserven von 128 Mill. Mark bzw. 183 Mill. Mark verzeichneten. Aber auch die Engländer (−42 Mill.), die Franzosen (−25 Mill.) und die Italiener (−19 Mill.) waren Schuldner geworden, deren Konten vor 1914 noch schwarze Zahlen geschrieben hatten.
    An der Steuer- und Anleihepolitik lässt sich indessen am besten ausmachen, warum am Ende nicht nur die Unterschichten, sondern – wie schon erwähnt – auch die Mittelklassen hart getroffen wurden, egal ob sie 1918 zu den Siegern oder den Besiegten gehörten. Nur das Maß der Verluste war unterschiedlich. So war die deutsche Praxis schon vor 1914 stark regressiv gewesen. Staatsausgaben – voran solche für Rüstungen – waren immer wieder über Anleihen finanziert worden. Die Reichsschuld wuchs dadurch zwischen 1900 und 1913 von 2298 Mill. Mark auf fast 5000 Mill. In der Steuerpolitik verschob sich dieHauptbelastung mehr und mehr auf die Verbrauchssteuern, die vor allem die kleinen Einkommen trafen, während der Widerstand der Wohlhabenden und vor allem der konservativen Großgrundbesitzer gegen eine Erhöhung der direkten Steuern (Erbschafts- und Einkommenssteuer) noch 1913 trotz der hohen Kosten der beiden Wehrvorlagen von 1912/13 so erfolgreich war, dass eine nachhaltige Verschiebung der Proportionen zwischen Verbrauchssteuern einerseits und den Einkommens- und Erbschaftssteuern andererseits nicht erfolgte.
    Gerade weil die wilhelminische Steuerpolitik den innenpolitischen Konflikt schon vor 1914 anheizte, indem die Arbeiterbewegung sich gegen eine weitere Erhöhung der Verbrauchssteuern wandte, während die Reichen gegen eine Progression der direkten Steuern kämpften, wollte die Reichsleitung eine Fortsetzung dieser Spannungen im Kriege möglichst vermeiden. Daher legte sie den Schwerpunkt ihrer Haushaltspolitik auf die Auflage von Kriegsanleihen. Der Vorteil dieser Praxis war, dass man Steuererhöhungen auswich. Anleihen waren auch deshalb attraktiv, weil sie mit einem Appell an den Patriotismus, aber auch an die Gewinnsucht der Besitzer von Sparkonten aufgelegt werden konnten. Man gab seine Goldstücke zur Unterstützung des Krieges und hoffte, später sein Geld zusammen mit einem günstigen Zinsgewinn vom Staat zurückzuerhalten. Wir haben aber auch bereits gesehen, dass der Staat dieses Versprechen angesichts der deutschen Niederlage nicht aufrechterhielt und nicht aufrechterhalten konnte. Die Weimarer Republik entledigte sich der von der Monarchie geerbten Schulden durch eine massive Entwertung der Währung.
    Während die Franzosen eine dem Deutschen Reich ähnliche Finanz- und Steuerpolitik verfolgten und als Sieger 1918 daher auf eine Finanzierung ihrer Kriegsschulden durch Reparationszahlungen drängten, hatte England schon vor 1914 eine Steuerprogression durchgesetzt. Zwar waren die direkten Steuern im Vergleich zu später immer noch gering; aber es war ein Anfang gemacht. Das zahlte sich im Kriege dadurch aus, dass man sich nicht so stark wie in Deutschland auf die politisch problematischeren Anleihen verlassen musste. Auch nach dem Kriegewaren die durch die Kriegsfinanzierung angetriebenen sozialen Spannungen in England nie so groß, dass sie wie in Frankreich die Außenpolitik radikalisierten oder wie in Deutschland die Lebensfähigkeit des politischen Systems bedrohten. Dennoch waren auch in England, das mit seinem Weltreich im 19. Jahrhundert viel Reichtum angesammelt hatte, die Folgen des Weltkrieges tiefgreifend, sosehr sich seine politischen und ökonomischen Eliten auch um eine Milderung bemüht hatten.
    Schließlich ist der Anteil der Bildungseliten auf dem immer wichtigeren Gebiet der geistigen Mobilmachung der Bevölkerung im Zeichen des totalen Krieges zu beachten. An den Bemühungen, im eigenen Land eine optimistische Stimmung zu erhalten und zu festigen und zugleich durch Propaganda nach außen die Kampfmoral des Feindes zu untergraben, beteiligten sich zahlreiche Akademiker und Journalisten. In allen am Krieg beteiligten Ländern hielten sie patriotische Reden und stellten ihre Zeitungen und Zeitschriften in den Dienst am Vaterland.
    Die Führungen der beiden christlichen Kirchen bis hin zu den Priestern und Pastoren leisteten ebenfalls einen wichtigen Beitrag zum Seelenkrieg, und von den Kanzeln fiel manches religiös verbrämte, chauvinistische Wort.
    Insgesamt wird man sagen müssen, dass die

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