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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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wirklich gegangen bist. Zweihundert geteilt durch eins macht zweihundert. Wärst du vorher in zwei andere gegangen und hättest erst dann die richtige gefunden, wäre die Chance, daß du dich irrst, zweihundert geteilt durch zwei gewesen. Das macht einhundert. Deiner Trefferzahl stand die Möglichkeit entgegen, dich zu irren oder sie aus reinem Zufall zu finden. Deine Trefferzahl liegt bei zweihundert. Kapierst du? Und hier hält man schon vierzig für ein gutes Ergebnis.“
    Ich guckte ihn ziemlich blöd an. In der Schule hatten ganze Lehrerscharen zwei Semester lang versucht, mir was beizubringen, bevor sie das Handtuch warfen. Für mich bedeutete das gar nichts. Es schien für mich nie etwas mit Menschen zu tun zu haben. Und ich fand auch ohne Algebra und Geographie heraus, daß sie mich nie Psychologie, Geschichte, Sozialkunde, Systemanalyse, Wirtschaftskunde, Programmieren oder Sozialarbeit studieren lassen würden. Sie würden mich nicht mal als Verkehrspolizist haben wollen. Elektrotechnik hätte ich zwar erlernen können, aber ich wollte mit Menschen arbeiten statt mit Fernsehgeräten, deswegen warf ich es hin. Ich konnte zwar kein Lehrer werden, aber das, was Ahmed bei der Rettungsbrigade machte, konnte ich auch.
    „Ahmed, bei der Rettungsbrigade würde ich mich ganz gut machen. Ich brauche keine Statistik. Weißt du noch, was ich gesagt habe, als du Bessie zu tief reinschobst? Hatte ich nun recht oder nicht? Du warst im Unrecht. Das zeigt doch, daß ich keine Ausbildung brauche.“
    Ahmed sah mich bedauernd an. „George, dafür hast du keinen Draht. Alle weichherzigen Burschen haben Angst, wenn sie sehen, wie jemand in die traumatischen Zonen der subjektiven Welt eindringt. Sie werden immer versuchen, das zu verhindern. Auch wenn du im Unrecht gewesen wärst, würdest du jetzt sagen, ich hätte zu stark auf sie eingewirkt.“
    „Ich hatte aber recht.“
    Ahmed erhob sich halb aus seinem Stuhl, aber dann regte er sich wieder ab.
    Er nahm wieder Platz. Seine Lippen wäre blaß. Er preßte sie aufeinander. „Es ist mir egal, ob du recht hast; es sei denn, du hast recht gegen die Umstände. Du bekommst eine lobende Erwähnung, weil du aus allen Kneipen ausgerechnet die White-Horse-Taverne herausgepickt hast. Und du kriegst eine weitere lobende Erwähnung, weil du zwischen all den Häusern ausgerechnet das des Mädchens gefunden hast. Ich werde die beiden Zahlen miteinander multiplizieren, und damit kommst du wahrscheinlich auf über 80 000 Punkte. Das ist eine ganze Menge.“
    Es hatte jetzt keinen Sinn, etwas dagegen zu sagen. Er lobte mich. „Aber ich bin nur zu dieser Taverne gegangen, weil ich Durst hatte. Dafür kannst du mir keine Punkte geben. Du hast mich irgendwie durstig gemacht. Und zu dem Haus bin ich nur gegangen, weil ich sie sehen wollte. Vielleicht hatte ich einfach Sehnsucht nach ihr.“
    „Es ist mir gleich, was deine Gründe waren! Du bist an die richtige Stelle gegangen, stimmt's? Du hast sie gefunden, stimmt’s?“ Ahmed stand auf und schrie: „Du redest wie ein Höhlenmensch! Was glaubst du, wann wir leben? 1950? Oder in der Zeit, als deine Großmutter noch einen Laden hatte? Es ist mir gleich, welche Gründe du hattest; niemand schert sich noch einen Dreck darum, welche Gründe man hat. Wir kümmern uns nur um die Ergebnisse, klar? Wir wissen nicht, warum die Dinge sich ereignen, aber solange jeder einen guten Bericht über sie schreibt – mit einer lesbaren Statistik –, können wir die Maschinen damit füttern, und die sagen uns dann ganz genau, was passiert. Und damit können wir arbeiten, weil wir dann Fakten haben – und das ist die reale Welt. Ich weiß, daß du Leute aufspüren kannst. Aber deine Gründe interessieren niemanden. Wissenschaftliche Theorien darüber interessieren auch keinen!“
    Er war ganz rot im Gesicht und brüllte, als hätte ich was gegen seine Religion oder so was gesagt. „Ich wünschte, wir könnten ein paar Theorien über manches kriegen. Aber wenn die Statistik sagt, daß irgendwo etwas Komisches passiert und das gleiche komische Ding dann anderswo geschieht, dann müssen wir nicht rauskriegen, wie diese Sachen zusammenhängen. Wir dürfen dann nichts anderes tun, als auf die zweite Sache vorbereitet sein, nachdem die erste passiert ist. Klar?“
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete. Zwar hatten auch die Lehrer solche Sachen zu mir gesagt, aber Ahmed schien die Sache so an die Nieren zu gehen, daß er sie auch noch laut herausschreien

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