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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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ver­geß’ so was nicht.“
    Ich be­tas­te­te mei­ne Fes­seln und dreh­te den Kopf so­weit nach hin­ten, daß ich sie se­hen konn­te. Je­mand hat­te mir die Hän­de und die Knö­chel auf ziem­lich lai­en­haf­te Wei­se mit meh­re­ren La­gen ei­ner Ny­lon­kor­del ge­bun­den. Ny­lon ist so ziem­lich das Schlimms­te, mit dem man einen fes­seln kann. Es läßt kei­nen Spiel­raum und gibt auch nicht nach. Man kann nichts da­ge­gen ma­chen. „Das kannst du doch ei­nem Ban­den­kum­pel nicht an­tun, Wee­ny. Das ist doch ge­gen den Eid.“
    „Du bist nicht mein Kum­pel, du Blöd­mann. Das warst du nur für drei Ta­ge, du Schwach­kopf. Da war un­ser Ver­spre­chen ab­ge­lau­fen.“
    „Wenn ich hier raus­kom­me, mach’ ich dich al­le.“
    Wee­ny kam nä­her und lös­te vor­sich­tig die Ket­te von den Stä­ben. „Be­vor du frei­kommst, leg’ ich dich um, du Blöd­mann. Ich hab’ dich schon vor­her ge­fes­selt und zu­sam­men­ge­hau­en, und da hast du auch nichts da­ge­gen ma­chen kön­nen.“
    „Was hast du? Ich kann mich nicht dran er­in­nern.“ Wee­ny zog sich zu­rück, stell­te sich an die Wand und roll­te sei­ne Ket­te zu­sam­men. Ir­gend­was von Wich­tig­keit war aus sei­nen Wor­ten zu mir durch­ge­drun­gen. Ich hat­te sie­ben Ta­ge über­sprun­gen. Das letz­te, an das ich mich deut­lich er­in­ner­te, war ein Diens­tag, an dem die Ban­de sich ge­strit­ten hat­te, wäh­rend Lar­ry in sei­ner Ver­klei­dung als äl­te­rer Schwar­zer drau­ßen ge­we­sen war. Ich such­te in mei­nem Kopf nach Spu­ren ei­ner Er­in­ne­rung an die letz­te Wo­che.
    „Faß dich doch mal an den Rücken, du Blöd­mann. Das hab’ ich ge­macht. Viel­leicht fällt dir auch auf, daß dir die Na­se weh tut, weil du näm­lich auf sie drauf ge­fal­len bist.“ Wee­ny stand tri­um­phie­rend da und ließ die Ket­te durch sei­ne Fin­ger glei­ten.
    „Ich weiß es nicht mehr“, gab ich zu. „Mitt­woch – war das vor sechs Ta­gen? Was ma­che ich über­haupt noch hier?“
    Wee­ny grins­te mit sei­nen lücken­haf­ten Zäh­nen. „Lar­ry hat dich in die­sen Kä­fig ge­lotst. Hat sich dei­ne gan­zen Vier­tel­dol­lars ge­pumpt und dich rein­ge­schickt, da­mit du da drin­nen was ar­bei­test. Blöd­mann. Wir ha­ben dir so lan­ge nichts zu es­sen ge­ge­ben, bis Lar­ry dir ei­ne prä­pa­rier­te Co­ke zu trin­ken gab. Du bist hyp­no­ti­siert wor­den und ar­bei­test seit­her un­un­ter­bro­chen für Lar­ry. Aber wenn ich dir Fra­gen stel­le, sagst du nichts. Und da­bei hab ich ge­nau­so­viel zu sa­gen wie Lar­ry. Ich kann dir nur ra­ten, daß du auch bei mir das Maul auf­machst, wenn du nicht zu Mat­sche ge­hau­en wer­den willst. Glück­li­cher­wei­se hat er dir heu­te kei­ne Pil­len ver­ab­reicht, des­we­gen bist du auch nicht wie ei­ne see­len­lo­se Ma­schi­ne auf ihn fi­xiert. Und jetzt kannst du mich auch re­den hö­ren. Du kannst jetzt Angst emp­fin­den und dich er­in­nern. Und du wirst dich an die­se Schlä­ge er­in­nern und sie nie wie­der ver­ges­sen.“
    Er roll­te die Ket­te in der Hand zu­sam­men und wipp­te mit den Bei­nen, um aus­zu­ho­len. Er war fast drei Me­ter ent­fernt.
    Ich stemm­te mich hoch, kam in ei­ne kni­en­de Stel­lung und lehn­te mich zu­rück, bis mei­ne Fin­ger die Fuß­fes­seln be­rühr­ten und an­fin­gen, sich den Kno­ten vor­zu­neh­men. „Nun war­te doch! Was willst du wis­sen?“
    Wee­ny woll­te ge­ra­de zu­schla­gen. Er hielt in­ne, zö­ger­te, und die Ket­te sank her­ab. Lang­sam roll­te er sie wie­der mit den Hän­den auf. „Du hast gar kei­ne Angst. Du willst nur Zeit schin­den.“ Die Ket­te zisch­te plötz­lich von der Sei­te her auf mich zu und be­schrieb einen auf mei­nen Kopf zie­len­den Bo­gen. Die zahl­rei­chen Jah­re, in de­nen ich als Kind in un­se­rer Ju­gend­ban­de ge­fähr­li­che Spie­le ge­spielt und von Ah­meds Er­fah­rung pro­fi­tiert hat­te, tru­gen jetzt ih­re Früch­te. So be­kannt wie mir die Sze­ne vor­kam, so leicht fiel mir ein ent­spre­chen­des Aus­weich­ma­nö­ver. Mein Kör­per straff­te sich, bot ihm ein noch bes­se­res Ziel, und in der letz­ten Se­kun­de ließ ich mich zur Sei­te fal­len. Die Ket­te ver­fehl­te mich und wi­ckel­te sich um die Stä­be.

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