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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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hat­te: „Es gibt kei­ne Zu­fäl­le.“
    „Du hast es tun wol­len, Ge­or­ge, sonst hät­test du es nicht ge­tan. Un­wis­sen­heit schützt vor Stra­fe nicht“, sag­te sei­ne Stim­me in mei­nem Kopf. Hat­te ich Lar­ry die Bom­ben tat­säch­lich zu­gäng­lich ma­chen wol­len? Hat­te ich ge­wollt, daß sie in die Hän­de von Wee­ny und Ni­cho­li ge­lang­ten? Lar­ry war ein His­to­ri­ker, ein Dich­ter, ei­ne Füh­rer­na­tur – und ver­rückt. Wee­ny maß sei­ne Wich­tig­keit dar­an, wie­viel er zer­stö­ren konn­te. Ni­cho­li mach­te sich einen Spaß dar­aus, die Leu­te ge­gen­ein­an­der auf­zu­het­zen und dem Re­sul­tat dann zu­zu­se­hen.
    „Un­wis­sen­heit schützt vor Stra­fe nicht“, wie­der­hol­te die Stim­me mei­nes Phi­lo­so­phie­leh­rers. „Du bist, was du ge­tan hast, und du bist, was du tust.“
    Ich stand da, ließ die Ny­lon­kor­del bau­meln und dach­te an Selbst­mord. Dann steck­te ich die Schnur in die Ta­sche.
    „Lar­ry, ich kann mich seit Diens­tag an nichts mehr er­in­nern. Ich weiß nichts mehr von den Bom­ben. Ich wür­de auch nie­mals ir­gend­ei­ner nichts­nut­zi­gen Ban­de was von Bom­ben er­zäh­len. Was habt ihr mir ein­ge­trich­tert?“
    Der Jun­ge zog ei­ne Fla­sche aus der Ta­sche. „Nichts Ge­fähr­li­ches.“ Er las vor, was auf dem Eti­kett stand. „Preop. Ad­rena­lin­re­du­zie­ren­des, hyp­no­ti­sches Eu­pho­ri­kum. Macht den Pa­ti­en­ten füg­sam, will­fäh­rig und be­freit ihn von Ängs­ten. Ein­zu­neh­men ma­xi­mal acht Stun­den vor grö­ße­ren Ope­ra­tio­nen, vor de­nen der Pa­ti­ent tie­fe Furcht zeigt. Min­dert den Streß, er­leich­tert die Vor­be­rei­tungs­ar­beit des be­han­deln­den Per­so­nals und ver­rin­gert post­ope­ra­ti­ve Schocks. War­nung: Der Pa­ti­ent ver­liert das Rich­tungs­ge­fühl, ver­gißt In­struk­tio­nen und wird nur je­ne Um­ge­bung wie­der­er­ken­nen, die er min­des­tens einen Tag vor der Ein­nah­me ge­se­hen hat. Rück­wir­ken­der Ge­dächt­nis­ver­lust wird die Er­in­ne­rung an al­le Er­eig­nis­se aus­lö­schen, die zwi­schen vier und sechs Stun­den nach der Ein­nah­me der Do­sis er­folgt sind. Ei­ne Kap­sel für je fünf­zig Ki­lo­gramm Kör­per­ge­wicht al­le vier Stun­den. Kri­ti­sche Men­ge: Fak­tor zwölf.“
    „Das ist schlimm“, sag­te ich und dach­te dar­an, daß Lar­ry mir die Fla­sche viel­leicht ge­ben wür­de, wenn ich sei­ne In­tel­li­genz be­lei­dig­te. „Du hast das Eti­kett nicht ge­le­sen, be­vor du mir die Pil­len gabst. Du hast mein Ge­hirn ka­putt­ge­macht. Auf dem Eti­kett steht was von Ge­dächt­nis­ver­lust, und ge­nau das ha­be ich. Und au­ßer­dem steht da was von acht Stun­den, nicht mehr. Wie vie­le Stun­den in fünf Ta­gen? Viel mehr als acht. Du hät­test das Eti­kett le­sen sol­len. Und die kri­ti­sche Men­ge, das ist die Men­ge, bei der man stirbt. Da steht was von zwölf Stück. Wie vie­le Pil­len hast du mir ge­ge­ben? Mehr als zwölf, viel mehr.“
    „Ver­dammt, dann guck’s dir doch sel­ber an.“ Lar­ry warf die Fla­sche durch die Git­ter­stä­be auf den Bo­den. „Da, lies es. Aber mach’ sie nicht ka­putt, Ge­or­ge. Ich hab’ noch ei­ne an­de­re Fla­sche.“
    „Ich werd’ sie schon nicht ka­putt­ma­chen.“ Ich hielt das Eti­kett hoch und fing lang­sam an zu le­sen. Da­bei zog ich mich von den Stan­gen zu­rück.
    „Siehst du“, sag­te Lar­ry, „du hast al­les falsch ver­stan­den. Kri­ti­sche Men­ge be­deu­tet, wie vie­le Pil­len man ein­neh­men muß, da­mit sie ei­ne töd­li­che Wir­kung ha­ben. Wenn zwei Pil­len einen freund­lich und ge­hor­sam ma­chen, müß­te man zwölf­mal so­viel neh­men, um dar­an zu ster­ben. Das macht vier­und­zwan­zig! Und man muß sie al­le auf ein­mal neh­men. Du wirst dich schon nicht ver­gif­ten, wenn du im­mer nur zwei auf ein­mal nimmst.“
    Ich las lang­sam wei­ter. Wenn man die Fla­sche schräg hielt, konn­te man noch mehr er­ken­nen. Das Klein­ge­druck­te, auf dem die me­di­zi­ni­schen Ein­zel­hei­ten stan­den. Laut las ich vor: „Über­do­sis­sym­pto­me: Brech­reiz, Ver­sa­gen der Atem­re­fle­xe, Blau­fär­bung der Haut, kal­te Hän­de und Fü­ße, lang­sa­mer Puls,

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