Der Esper und die Stadt
Als ich mich nach vorne beugte, zog sich meine Rückenhaut zusammen und schmerzte mit der Steifheit einer halbgeheilten Verletzung. Meine Arme bildeten einen Kreis. Ich zog sie unter den Beinen hindurch. Jetzt befanden sie sich vor meiner Brust. Ich hielt die Hände vor das Gesicht und fing an, die Knoten mit den Zähnen aufzumachen. „Ich bin bei Bewußtsein, Larry.“
„Merke ich. Was dich wütend macht, weckt dich immer auf. Weißt du, welchen Tag wir heute haben?“
„Ich kann mich an nichts erinnern, was seit Dienstagabend passiert ist, aber jetzt bin ich bei Bewußtsein.“
„Du bist auch nicht ohne Bewußtsein, wenn du die Pillen drin hast, George. Du bist dann nur kooperativer und gehorsamer und lachst eine Menge. Heute morgen habe ich sie abgesetzt, damit du nicht süchtig wirst. Vier Tage sind genug.“
„Zu was habt ihr mich getrieben?“ Die Knoten lösten sich. Ich setzte mich hin und setzte die fast freien Hände ein, um die Fußfesseln zu lösen.
„Du warst uns eine große Hilfe.“ Larry grinste.
Ich stand auf. „Was habe ich getan? Habe ich jemanden verletzt?“
„Hör’ auf“, sagte Larry und gestikulierte mit dem Lauf der Pistole. „Hör’ auf, dir Gedanken über Recht und Unrecht zu machen. Sei ein Mitglied meiner Bande. Das Sich-Sorgen-machen kannst du mir überlassen.“
Ich antwortete nicht. Ich kam mir vor wie jemand, den man hintergangen und dem man völlig den Wind aus den Segeln genommen hatte. Larry war zu gerissen für mich. Er zog sich von den Gitterstäben zurück. Seine Stimme klang hoch und nervös. „Wenn du das nicht tust“, sagte er, „setze ich dich einfach wieder unter Drogen, und dann wirst du so oder so für uns arbeiten.“
Ich kaute langsam auf einem losen Nylonknoten und frag te: „Wo sind die anderen?“
„Sie arbeiten an den Bomben und schließen die Zeitzünder an.“ Den Blick auf meine Hände gerichtet, trat Larry von dem Gitter zurück. Er war jetzt außerhalb meiner Reichweite.
„Welche Bomben?“ Das wurde ja immer schlimmer. Endlich hatte ich die Kordeln gelöst. Die erste Hand war frei.
„Die Bomben. Du hast uns gesagt, wie wir an sie herankommen.“
Ich schob die letzte Schlinge über meine andere Hand und zog die Kordel in die Länge. Ich dachte daran, mich zu erhängen.
Larry musterte neugierig mein Gesicht. Er konnte meine Vibrationen nicht empfangen. Er konnte auch meinen Ausdruck nicht deuten. „Du hast uns gesagt, wo sie gelagert werden, wie man die Rechnungsformulare fälscht und dich auf einen Experten eingestimmt, der weiß, wie man Bomben bastelt und Schaltkreise zeichnet. Du wirst immer besser beim … Du erinnerst dich wohl an gar nichts, was?“
Als ich als Kind der UN-Bruderschaft beigetreten war, hatte ich einen Eid geschworen, laut dem ich mich verpflichtete, alle Tricks zu lernen, um Menschen vor Verbrechern und Mördern zu schützen. Und ich hatte diesen Eid immer ernst genommen.
Plötzlich war ich der Verbrecher und Mörder. Ich hatte mich dazu verleiten lassen, irgendwelchen durchgedrehten Kindern Bomben zu besorgen. Ich war mir jetzt sicher, daß Larry nicht richtig tickte. Als ich seine Vibrationen untersucht hatte, um herauszufinden, ob er verrückt war, hatte ich nichts gefunden. Aber das lag daran, weil ich nach Haßgefühlen Ausschau gehalten hatte. Und Larry haßte niemanden.
Ahmed hatte recht gehabt. Irre sollte man nur nach ihren Handlungen beurteilen … Was hatte der Junge mit meiner Hilfe angestellt? Würde es wieder zu einem Massensterben wie im Fall der Jersey-Kuppel kommen? Würde man mich dafür verantwortlich machen? Wenn noch einmal dreitausend Menschen starben – konnte ich dann ehrlich sagen, daß ich damit nichts zu tun hatte?
Ich erinnerte mich an meinen Philosophielehrer, der gesagt
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