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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Wee­ny zog sie flu­chend zu­rück, und sie lan­de­te mit ei­nem Klir­ren auf dem Bo­den. So­fort nahm ich wie­der ei­ne kni­en­de Po­si­ti­on ein und fing an, die Kno­ten mei­ner Fuß­fes­seln zu be­ar­bei­ten. Wee­ny war bru­tal und ge­la­den, aber er war nur ein An­fän­ger, der sich von der Sucht nach Ruhm an­trei­ben ließ statt von Wis­sen. Flu­chend ver­such­te er einen har­ten Schlag ge­gen mei­ne em­sig ar­bei­ten­den Fin­ger an­zu­brin­gen.
    Ich ließ den Kno­ten fah­ren und zog die Hän­de zu­rück. Die Ket­te fiel über mei­ne Un­ter­schen­kel. Ih­re Schlag­kraft ver­puff­te größ­ten­teils auf dem Bo­den. Ich lehn­te mich zu­rück, setz­te mich mit dem Hin­tern auf die glit­zern­den Me­tall­glie­der und hielt die Ket­te mit dem Leib und den Bei­nen fest.
    Wee­ny sag­te ein schmut­zi­ges Wort und zog. Ich grins­te ihn an und hoff­te, er wür­de in mei­ne Reich­wei­te kom­men.
    Dann hol­te er sein Sti­lett her­aus und ließ die Klin­ge her­vor­sprin­gen. Mein Grin­sen wur­de brei­ter. Wäh­rend der Kampf­spie­le in der UN-Bru­der­schaft hat­te Ah­med uns ge­zeigt, wie leicht es ist, mit Hil­fe von Ar­men und Bei­nen einen Mes­ser­hel­den ab­zu­weh­ren.
    Von au­ßer­halb der Git­ter­stä­be hör­te ich je­man­den sa­gen: „Laß ihn in Frie­den, Wee­ny.“ Lar­ry stand da, die sein Ge­sicht be­de­cken­de Far­be mach­te ihn fast un­kennt­lich. „Wenn du nicht auf­hörst, Ge­or­ge zu ver­ar­schen, wirst du nicht mehr lan­ge le­ben“, sag­te er. Er hat­te ei­ne Luft­pis­to­le in der Hand, die auf Wee­ny ge­rich­tet war.
    Wee­ny steck­te das Mes­ser wie­der in die Ta­sche. „Du meinst wohl, er wird nicht mehr lan­ge le­ben.“
    Lar­ry wand­te sich mir zu. „Sag’ ihm, was du mit ihm ma­chen wür­dest, Ge­or­ge.“
    „Ich woll­te ihn ja gar nicht um­brin­gen. Ich hab’ ja nur auf sei­ne Rip­pen ge­zielt und hab’ auch gar nicht fest zu­ge­hau­en.“
    Lar­ry sag­te zu Wee­ny: „Du hat­test doch vor, nä­her an Ge­or­ge ran­zu­ge­hen, um dir dei­ne Ket­te zu­rück­zu­ho­len, Wee­ny, stimmt’s?“
    „Stimmt. Er ist ge­fes­selt. Er kann mir nichts tun.“
    „Okay, Ge­or­ge“, sag­te Lar­ry, „zeig’s ihm!“
    Ich ließ mein Ge­wicht nach hin­ten fal­len und lan­de­te rück­wärts auf den Schul­ter­blät­tern und den ge­fes­sel­ten Ar­men. Ich streck­te die Bei­ne aus und warf sie mit­samt dem Un­ter­kör­per mit ei­nem ge­wal­ti­gen Stoß hoch. Mit die­ser Wucht hät­te ich je­den im Um­kreis von zwei Me­tern tref­fen kön­nen. Mei­ne Fü­ße durch­s­tie­ßen die Lee­re ge­nau an je­ner Stel­le, an der sich Wee­nys Hals be­fun­den hät­te. Dann ließ ich die Bei­ne wie­der sin­ken, nutz­te den Schwung aus und stand, wenn­gleich ich nicht ganz das Gleich­ge­wicht wah­ren konn­te. Ich hüpf­te zur Sei­te, um die Ba­lan­ce zu­rück­zu­ge­win­nen, und be­weg­te mich dann auf Wee­ny zu.
    Über­rascht und auf­ge­regt nach sei­nem Mes­ser tas­tend, zog er sich in ei­ne Ecke zu­rück. Ich hielt an. „Ich glau­be, ich könn­te dich so­gar jetzt noch so ge­gen die Wand schmet­tern, daß man dich ab­krat­zen müß­te. Die Flie­sen sind ganz schön hart.“
    „Du wür­dest dir an den Flie­sen den Schä­del ein­schla­gen, Wee­ny“, sag­te Lar­ry ernst­haft durch die Git­ter­stä­be. „Er­zähl’ ihm, wie es ist, Ge­or­ge; Wee­ny kann durch­aus ein biß­chen Bil­dung ge­brau­chen. Wenn du ihn mit den Fü­ßen ge­trof­fen hät­test, wä­re er jetzt ver­mut­lich schon tot.“
    Ich dreh­te mich um und hüpf­te zu­rück. Wee­ny be­weg­te sich auf das Dreh­kreuz zu, hielt sich an der Wand. Mit dem Mes­ser in der Hand warf er einen Vier­tel­dol­lar in den Schlitz, öff­ne­te die Kä­fig­tür und drück­te sich hin­aus. Er ver­fluch­te uns bei­de und sei­ber­te da­bei wie ein Hund. „Ihr hal­tet euch wohl für zwei be­son­ders ge­nia­le Witz­bol­de“, schloß er mit weißem Ge­sicht und rot­leuch­ten­den Pi­ckeln. „Ich wer­de mich dar­an zu er­in­nern wis­sen.“ Er ging hin­aus.
    Lar­ry sah nicht hin­ter ihm her. „Tut mir leid, daß er dir auf den Geist ge­gan­gen ist. Soll ich dir hel­fen, die Fes­seln zu lö­sen, Ge­or­ge?“
    „Nein.“ Ich kau­er­te mich hin.

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