Der Esper und die Stadt
Weeny zog sie fluchend zurück, und sie landete mit einem Klirren auf dem Boden. Sofort nahm ich wieder eine kniende Position ein und fing an, die Knoten meiner Fußfesseln zu bearbeiten. Weeny war brutal und geladen, aber er war nur ein Anfänger, der sich von der Sucht nach Ruhm antreiben ließ statt von Wissen. Fluchend versuchte er einen harten Schlag gegen meine emsig arbeitenden Finger anzubringen.
Ich ließ den Knoten fahren und zog die Hände zurück. Die Kette fiel über meine Unterschenkel. Ihre Schlagkraft verpuffte größtenteils auf dem Boden. Ich lehnte mich zurück, setzte mich mit dem Hintern auf die glitzernden Metallglieder und hielt die Kette mit dem Leib und den Beinen fest.
Weeny sagte ein schmutziges Wort und zog. Ich grinste ihn an und hoffte, er würde in meine Reichweite kommen.
Dann holte er sein Stilett heraus und ließ die Klinge hervorspringen. Mein Grinsen wurde breiter. Während der Kampfspiele in der UN-Bruderschaft hatte Ahmed uns gezeigt, wie leicht es ist, mit Hilfe von Armen und Beinen einen Messerhelden abzuwehren.
Von außerhalb der Gitterstäbe hörte ich jemanden sagen: „Laß ihn in Frieden, Weeny.“ Larry stand da, die sein Gesicht bedeckende Farbe machte ihn fast unkenntlich. „Wenn du nicht aufhörst, George zu verarschen, wirst du nicht mehr lange leben“, sagte er. Er hatte eine Luftpistole in der Hand, die auf Weeny gerichtet war.
Weeny steckte das Messer wieder in die Tasche. „Du meinst wohl, er wird nicht mehr lange leben.“
Larry wandte sich mir zu. „Sag’ ihm, was du mit ihm machen würdest, George.“
„Ich wollte ihn ja gar nicht umbringen. Ich hab’ ja nur auf seine Rippen gezielt und hab’ auch gar nicht fest zugehauen.“
Larry sagte zu Weeny: „Du hattest doch vor, näher an George ranzugehen, um dir deine Kette zurückzuholen, Weeny, stimmt’s?“
„Stimmt. Er ist gefesselt. Er kann mir nichts tun.“
„Okay, George“, sagte Larry, „zeig’s ihm!“
Ich ließ mein Gewicht nach hinten fallen und landete rückwärts auf den Schulterblättern und den gefesselten Armen. Ich streckte die Beine aus und warf sie mitsamt dem Unterkörper mit einem gewaltigen Stoß hoch. Mit dieser Wucht hätte ich jeden im Umkreis von zwei Metern treffen können. Meine Füße durchstießen die Leere genau an jener Stelle, an der sich Weenys Hals befunden hätte. Dann ließ ich die Beine wieder sinken, nutzte den Schwung aus und stand, wenngleich ich nicht ganz das Gleichgewicht wahren konnte. Ich hüpfte zur Seite, um die Balance zurückzugewinnen, und bewegte mich dann auf Weeny zu.
Überrascht und aufgeregt nach seinem Messer tastend, zog er sich in eine Ecke zurück. Ich hielt an. „Ich glaube, ich könnte dich sogar jetzt noch so gegen die Wand schmettern, daß man dich abkratzen müßte. Die Fliesen sind ganz schön hart.“
„Du würdest dir an den Fliesen den Schädel einschlagen, Weeny“, sagte Larry ernsthaft durch die Gitterstäbe. „Erzähl’ ihm, wie es ist, George; Weeny kann durchaus ein bißchen Bildung gebrauchen. Wenn du ihn mit den Füßen getroffen hättest, wäre er jetzt vermutlich schon tot.“
Ich drehte mich um und hüpfte zurück. Weeny bewegte sich auf das Drehkreuz zu, hielt sich an der Wand. Mit dem Messer in der Hand warf er einen Vierteldollar in den Schlitz, öffnete die Käfigtür und drückte sich hinaus. Er verfluchte uns beide und seiberte dabei wie ein Hund. „Ihr haltet euch wohl für zwei besonders geniale Witzbolde“, schloß er mit weißem Gesicht und rotleuchtenden Pickeln. „Ich werde mich daran zu erinnern wissen.“ Er ging hinaus.
Larry sah nicht hinter ihm her. „Tut mir leid, daß er dir auf den Geist gegangen ist. Soll ich dir helfen, die Fesseln zu lösen, George?“
„Nein.“ Ich kauerte mich hin.
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