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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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be­stimm­tes Pro­blem des mensch­li­chen Über­le­bens zu lö­sen. Lar­ry Ru­ba­schow hat­te die Ma­schi­ne vor die­se Auf­ga­be ge­stellt, und jetzt ar­bei­te­te sie mit sämt­li­chen Un­ter­ab­tei­lun­gen an der Lö­sung die­ser Auf­ga­be, die auch den mensch­li­chen In­stinkt und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fra­gen mit ein­be­zog. Nach der Be­en­di­gung die­ser Er­klä­rung war der TV-Spre­cher wie­der im Bild und las ein paar nicht un­wit­zi­ge Be­mer­kun­gen des Com­pu­ters über Pro­gram­mie­rer vor, de­nen der si­che­re Job am liebs­ten sei und die das Ver­lan­gen hät­ten, in den Au­gen der Au­ßen­welt mys­te­ri­ös zu er­schei­nen.
    Die Vi­bra­tio­nen der New Yor­ker Zu­hö­rer drück­ten zwar Furcht aus, aber auch den Im­puls, bes­tens un­ter­hal­ten zu wer­den.
    Der Spre­cher sag­te ir­gend et­was Lang­wei­li­ges. „Die com­pu­te­ri­sier­te Schnell­ge­richts­bar­keit …“ Ich dreh­te mich um und hör­te weg. „Lar­ry Ru­ba­schow wur­de ei­ner ex­trem anor­ma­len Ver­hal­tens­wei­se und ei­ner so­zio­pa­tho­lo­gi­schen Ori­en­tie­rung für schul­dig be­fun­den und ist zu ei­ner elek­tro­neura­len Feed­back-Be­hand­lung – im Volks­mund ‚Ge­hirn­wä­sche’ ge­nannt – ver­ur­teilt wor­den, die sei­ne Per­sön­lich­keit kor­ri­gie­ren wird. Sein An­walt hat kei­nen An­trag auf ei­ne Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens ge­stellt. Der bril­lan­te, aber ver­dreh­te jun­ge Mann …“ Ich streck­te den Arm aus und schal­te­te ab; da­bei dach­te ich an Lar­ry. Ein Teil der letz­ten Wo­che kam mir ins Ge­dächt­nis zu­rück.
    Halb im Schlaf träum­te ich, wie­der in die­sem U-Bahn-Kä­fig zu sein. Ich hat­te Hun­ger und Durst und ver­such­te das Ge­fühl des Ge­fan­gen­seins da­durch zu ver­drän­gen, daß ich an den ei­ser­nen Git­ter­stä­ben, die mich fest­hiel­ten, ein paar gym­nas­ti­sche Übun­gen mach­te.
    Lar­ry kam in Ni­cho­lis Zim­mer und schau­te sich um. Er nahm einen Schluck aus der Co­lafla­sche, die er in der Hand hielt, und sah mich an. „Wie kommst du zu­recht, Ge­or­ge?“
    „Gut. Aber mir ist lang­wei­lig.“ Ich mach­te einen Klimm­zug. Das war jetzt leich­ter, da ich ab­ge­nom­men hat­te. Mei­ne Hän­de zit­ter­ten in der glei­chen Wei­se wie da­mals, als ich ar­beits­los, plei­te, fett und hung­rig ge­we­sen war. Aber mei­ne Schlot­te­rei war nicht schlimm ge­we­sen. Ich war ge­sund dar­über hin­weg­ge­kom­men.
    Lar­ry woll­te mich na­tür­lich ir­gend­wie zum Auf­ge­ben be­we­gen. Mit ei­ner thea­tra­li­schen Ges­te nahm er einen Schluck aus der Pul­le. „Denkst du ei­gent­lich oft an Was­ser? Und Co­ke? Oder an Oran­gen­saft? Hast du nicht plötz­lich den Ge­schmack von ir­gend­ei­nem Saft im Mund, wenn du ver­suchst, an was an­de­res zu den­ken?“
    „Das hast du wohl auch schon mal mit­ge­macht“, sag­te ich, die Ge­nau­ig­keit sei­ner Be­schrei­bung er­ken­nend. Lar­ry starr­te mich an; ir­gend­ei­ne ul­ti­ma­te Angst schi­en ihn ge­packt zu ha­ben. In ei­nem kur­z­en Auf­blit­zen sah ich ein klei­nes Kind vor mir, das oh­ne et­was zu trin­ken in einen Raum ein­ge­schlos­sen war. Das Kind war von Ent­set­zen ge­packt, und es glaub­te, daß man ihm erst dann Was­ser brach­te, wenn es ge­horch­te. Und das kind­li­che Ent­set­zen schloß mit ein, daß Ge­hor­sam­keit nur ei­ne an­de­re Form des To­des war. Nur Ma­schi­nen ge­horch­ten. Wäh­le zwi­schen zwei Ar­ten des Ster­bens.
    „Dei­ne Al­ten schei­nen ja ganz schön ver­dreht zu sein“, sag­te ich.
    Der pa­ni­sche Schrei ver­stumm­te, als Lar­ry die Au­gen ein Stück zu­sam­men­kniff, „Ich werd’ schon mit ih­nen fer­tig“, sag­te er. „Und ich wird’ auch mit dir fer­tig. Al­le ver­su­chen mich auf­zu­hal­ten. Du ver­suchst mich da­durch auf­zu­hal­ten, in­dem du ein gu­ter Kerl bist. Aber mich hält nie­mand vom Nach­den­ken ab. Nie­mand hat es ge­schafft, mich vom Nach­den­ken ab­zu­hal­ten. Und du wirst es auch nicht schaf­fen.“
    Ich träum­te ei­ne Er­in­ne­rung, aber plötz­lich war da ein wei­ßer Blitz. Ein Blitz­strahl, der den Jun­gen traf. Sei­ne Sil­hou­et­te wur­de weiß und leer wie die ei­ner Glüh­bir­ne.

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