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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Ei­ne flüs­tern­de Stim­me sag­te: „Ich kann nicht ge­hor­chen. Wenn ich ge­nau das tä­te, was ihr wollt, Mam­mi­pap­pi, wür­de ich nicht mehr ich sein. Ihr wer­det nie her­aus­krie­gen, wer ich bin. “ Es war ein Flüs­tern, das noch schlim­mer war als ein Hil­fe­schrei. Ich hat­te einen wei­ßen Blitz im Kopf. Lar­ry lös­te sich auf. Es hat­te ihn nie ge­ge­ben.
    Ich er­wach­te, be­weg­te mich nicht – und war eben­falls in Ge­fahr. Der Blitz war­te­te nur dar­auf, auch mich zu tref­fen.
    Ich tas­te­te in mei­nem Geist her­um, um zu er­fah­ren, was ge­sche­hen war, fand aber kei­ner­lei Un­stim­mig­kei­ten – nur ei­ne fremd­ar­ti­ge, fried­li­che Lee­re, die sich an der Stel­le be­fand, wo es eben noch ge­blitzt hat­te. Ir­gend et­was, das ich über das Le­ben wis­sen woll­te, war in die­ser Wo­che bei­na­he be­ant­wor­tet wor­den, aber jetzt konn­te ich mich nicht mehr an die Fra­ge er­in­nern. Der Blitz hat­te mich ir­gend­wie ge­trof­fen. Ich konn­te die Fra­ge, nach der ich in Lar­rys Ban­de ge­sucht hat­te, nicht mehr for­mu­lie­ren.
    Man hat­te Lar­ry ei­ne Ge­hirn­wä­sche ver­paßt, und da­mit wa­ren auch all die Fra­gen ver­schwun­den, die ich ihm ge­stellt hat­te, da­mit er sie be­ant­wor­te­te.
    Ich tas­te­te nach Lar­ry, griff mit mei­nen ESP-Kräf­ten in die Stadt hin­ein, be­rühr­te aber le­dig­lich ei­ne des­ori­en­tier­te, fried­li­che Lee­re. Im all­ge­mei­nen wand­te man ei­ne Ge­hirn­wä­sche an, um jeg­li­che Er­in­ne­rung an Angst und Haß in be­zug auf die Au­to­ri­tä­ten aus­zu­lö­schen so­wie Er­in­ne­run­gen an Be­stra­fun­gen und Ra­che­ge­lüs­te zu ver­nich­ten. Seit er ein Säug­ling ge­we­sen war, hat­ten Lar­rys El­tern ver­sucht, ih­ren Sohn zu kon­di­tio­nie­ren. Je­de freie Mi­nu­te sei­nes Le­bens hat­te er in Angst ver­bracht – in der Angst vor Be­stra­fung und der Angst vor ei­ner ima­gi­nären Au­to­ri­tät. Jetzt war al­les aus­ge­brannt. Die Be­hand­lung hat­te sei­ne ge­sam­te Er­in­ne­rung aus­ge­löscht. Der Mensch, der einst der Dich­ter, His­to­ri­ker und ju­gend­li­che Ra­di­ka­le Lar­ry Ru­ba­schow ge­we­sen war, hat­te zu exis­tie­ren auf­ge­hört und war nur noch ein lee­rer, le­ben­di­ger, fünf­zehn Jah­re al­ter Kör­per, der sich nicht mehr an sich selbst er­in­nern konn­te.
    Ich stand auf. Ich hat­te noch im­mer ein ziel­ge­rich­te­tes Ge­fühl in be­zug auf den Blitz. Ob­wohl ich ge­schla­fen hat­te, schie­nen die schwä­cher wer­den­den Echos in mei­nem Kopf aus der Nä­he zu kom­men. In wel­chem Kran­ken­haus war ich über­haupt?
    Mein Zim­mer war leer. Der Bet­tauf­zeich­ner hör­te auf, mei­nen Puls­schlag, mei­ne Tem­pe­ra­tur, die Herz- und Ge­hirn­wel­len­funk­ti­on auf­zu­zeich­nen. Die wel­len­för­mi­gen Li­ni­en wur­den zu ge­ra­den Stri­chen. Da der un­ter dem Bett be­fes­tig­te Ge­wichts­mes­ser re­gis­trier­te, daß ich auf­ge­stan­den war, konn­te die Zen­tral­ein­heit da­von aus­ge­hen, daß ich kei­nes­falls tot war. Schließ­lich muß­te je­der mal ins Bad.
    Aber wie fan­den sie her­aus, daß man auch wirk­lich auf die Toi­let­te ging? Maß die Klobril­le et­wa das Ge­wicht ei­nes auf ihr Sit­zen­den? Ich nahm ein Nacht­schränk­chen, das ne­ben mei­nem Bett stand und stell­te es auf die Klobril­le, da­mit es aus­sah, als hät­te je­mand dar­auf Platz ge­nom­men.
    Mei­ne Klei­der fand ich in ei­nem schma­len Schrank. Sie hin­gen an ei­nem Ha­ken. Sie wa­ren feucht vom Blut ge­we­sen, aber jetzt wa­ren sie wie­der tro­cken und sau­ber. Ich zog mich an und be­eil­te mich, denn ich woll­te zur Quel­le des töd­li­chen wei­ßen Blit­zes vor­sto­ßen und die Bü­ro­kra­ten da­zu be­we­gen, ihn zu­rück­zu­neh­men, es ir­gend­wie un­ge­sche­hen zu ma­chen, Lar­ry sei­ne Er­in­ne­run­gen wie­der­zu­ge­ben und ihn zu fra­gen, was er woll­te, denn er woll­te ir­gend­was vom Le­ben ha­ben, et­was, das wir uns al­le von ihm wün­schen soll­ten; et­was, das das Le­ben aus­macht.
    Mei­nem Rie­cher fol­gend pirsch­te ich durch die Kor­ri­do­re, klau­te mir aus ei­nem Schrank einen wei­ßen Kit­tel, brab­bel­te et­was vor mich hin,

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