Der Esper und die Stadt
weiter Ferne – den Fußboden an meinem Gesicht.
Ein seltsames Rumsen ließ den Boden erzittern, und ein kratzendes Geräusch zerrte an meiner Neugier. Ich fing an wieder aufzuwachen. Es war ein bekanntes Geräusch, ich kannte es aus dieser anderen Welt und aus einem anderen Leben, das nun sechs Tage hinter mir lag, eine Ewigkeit, und ich hatte es fast vergessen. Der Fußboden der Dachkammer drückte gegen mein Gesicht und roch nach Staub. Das Rumsen und Kratzen kam wieder. Metall auf Holz. Ich war neugierig. Ich öffnete die ausgetrockneten, sandgefüllten Augen und hob den Kopf, und diese Bewegung erweckte meinen Körper und warf ihn in eine Hölle aus Durst, Schmerzen und Schwäche.
Ich sah die beiden Enden der Aluminiumleiter, die durch die Falltür in die Dachkammer hineinragten. Die Leiter war wieder da. Sie war vor langer Zeit umgekippt, aber jetzt war sie wieder da, sah mich an, erwartete, daß ich sie hinunterkletterte. Ich verfluchte sie, schleuderte ihr eine Welle von Haß entgegen. Was nützt einem eine Leiter, wenn man sich nicht bewegen kann? Ich hatte schon lange herausgefunden, daß Bewegungen Schmerzen hervorriefen. Es war nicht gut, das Baby hier zu bekommen. Es war besser, still liegenzubleiben.
Ich hörte eine Stimme. „Sie ist hier, George. Ruf die Rettungsbrigade an.“ Ich haßte die Stimme. Sie war nur eine von vielen in diesem langen Alptraum imaginärer Rettung. Wer war „George“? Ich war Jean Dalais.
George. Jemand hatte „George“ gerufen. Unten, in der kleinen, imaginären Küche, stellte ich mir das kleine Abbild eines Mannes vor, der nach einem Telefon tastete, das neben ihm auf dem Boden stand. Schwerfällig wählte er die Null. Eine weibliche Stimme stellte eine Frage. Der imaginäre Mann sagte „Rettungsbrigade“. Mit schwerer Zunge.
Das Telefon klickte und summte, dann sagte eine tiefe Stimme: „Rettungsbrigade“.
Ich auf dem Dachboden wußte, wie sich der Traum von der Rettungsbrigade abspielen sollte. Ich hatte ihn schon einmal geträumt. Ich sprach jetzt durch das kleine Abbild des Mannes. „Mein Name ist Jean Fitzpatrick. Ich bin in der Washington Street Nummer neunundzwanzig. Ich sitze in der Dachkammer fest und habe nichts zu trinken. Wenn ihr nicht so blöde Narren wärt, hättet ihr mich schon lange gefunden. Beeilt euch. Ich bin schwanger.“ Sie ließ das Abbild des Mannes den Hörer niederlegen. Als das Abbild des Mannes die Hände vors Gesicht schlug, verblaßte der Traum wieder.
Meine Augen waren zu; der Boden der Dachkammer preßte sich gegen mein Gesicht. Ganz in der Nähe knirschten die Leiterstufen unter einem Gewicht. Dann der Dachkammerboden. Da war etwas Schweres, das sich langsam über ihn hinwegbewegte. Eine Bewegung; das Rascheln von Kleidern. Ich hörte das Klicken eines Flaschenöffners, der gegen einen Flaschendeckel schrammte, dann das Klicken eines zu Boden fallenden Verschlusses und das Blubbern und Zischen einer kalten Flüssigkeit. Da war eine Hand, die vorsichtig meinen Kopf anhob und einen kalten Flaschenhals gegen meine Lippen drückte. Ich öffnete den Mund. Die kalte Berührung einer Flüssigkeit … Sie drang in mich ein und lief mir die Kehle hinab. Ich fing an zu schlucken.
George Sanford – ich – nahm die Hände von den Augen und sah auf das Telefon herab. Ich lag gar nicht auf dem Boden. Ich trank auch nicht. Ich hatte überhaupt keinen Durst. Hatte ich auf Ahmeds Ruf hin die Rettungsbrigade alarmiert? Das kleine Abbild eines Mannes in Jean Fitzpatricks Geist hatte sowohl angerufen als auch wieder eingehängt, aber dieses Abbild, diese Marionette, war ich gewesen; ich, George Sanford, fast einen Meter neunzig groß. Ich bin nicht die Marionette
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