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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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wei­ter Fer­ne – den Fuß­bo­den an mei­nem Ge­sicht.
    Ein selt­sa­mes Rum­sen ließ den Bo­den er­zit­tern, und ein krat­zen­des Ge­räusch zerr­te an mei­ner Neu­gier. Ich fing an wie­der auf­zu­wa­chen. Es war ein be­kann­tes Ge­räusch, ich kann­te es aus die­ser an­de­ren Welt und aus ei­nem an­de­ren Le­ben, das nun sechs Ta­ge hin­ter mir lag, ei­ne Ewig­keit, und ich hat­te es fast ver­ges­sen. Der Fuß­bo­den der Dach­kam­mer drück­te ge­gen mein Ge­sicht und roch nach Staub. Das Rum­sen und Krat­zen kam wie­der. Me­tall auf Holz. Ich war neu­gie­rig. Ich öff­ne­te die aus­ge­trock­ne­ten, sand­ge­füll­ten Au­gen und hob den Kopf, und die­se Be­we­gung er­weck­te mei­nen Kör­per und warf ihn in ei­ne Höl­le aus Durst, Schmer­zen und Schwä­che.
    Ich sah die bei­den En­den der Alu­mi­ni­um­lei­ter, die durch die Fall­tür in die Dach­kam­mer hin­ein­rag­ten. Die Lei­ter war wie­der da. Sie war vor lan­ger Zeit um­ge­kippt, aber jetzt war sie wie­der da, sah mich an, er­war­te­te, daß ich sie hin­un­ter­klet­ter­te. Ich ver­fluch­te sie, schleu­der­te ihr ei­ne Wel­le von Haß ent­ge­gen. Was nützt ei­nem ei­ne Lei­ter, wenn man sich nicht be­we­gen kann? Ich hat­te schon lan­ge her­aus­ge­fun­den, daß Be­we­gun­gen Schmer­zen her­vor­rie­fen. Es war nicht gut, das Ba­by hier zu be­kom­men. Es war bes­ser, still lie­gen­zu­blei­ben.
    Ich hör­te ei­ne Stim­me. „Sie ist hier, Ge­or­ge. Ruf die Ret­tungs­bri­ga­de an.“ Ich haß­te die Stim­me. Sie war nur ei­ne von vie­len in die­sem lan­gen Alp­traum ima­gi­närer Ret­tung. Wer war „Ge­or­ge“? Ich war Jean Dalais.
    Ge­or­ge. Je­mand hat­te „Ge­or­ge“ ge­ru­fen. Un­ten, in der klei­nen, ima­gi­nären Kü­che, stell­te ich mir das klei­ne Ab­bild ei­nes Man­nes vor, der nach ei­nem Te­le­fon tas­te­te, das ne­ben ihm auf dem Bo­den stand. Schwer­fäl­lig wähl­te er die Null. Ei­ne weib­li­che Stim­me stell­te ei­ne Fra­ge. Der ima­gi­näre Mann sag­te „Ret­tungs­bri­ga­de“. Mit schwe­rer Zun­ge.
    Das Te­le­fon klick­te und summ­te, dann sag­te ei­ne tie­fe Stim­me: „Ret­tungs­bri­ga­de“.
    Ich auf dem Dach­bo­den wuß­te, wie sich der Traum von der Ret­tungs­bri­ga­de ab­spie­len soll­te. Ich hat­te ihn schon ein­mal ge­träumt. Ich sprach jetzt durch das klei­ne Ab­bild des Man­nes. „Mein Na­me ist Jean Fitz­pa­trick. Ich bin in der Wa­shing­ton Street Num­mer neun­und­zwan­zig. Ich sit­ze in der Dach­kam­mer fest und ha­be nichts zu trin­ken. Wenn ihr nicht so blö­de Nar­ren wärt, hät­tet ihr mich schon lan­ge ge­fun­den. Be­eilt euch. Ich bin schwan­ger.“ Sie ließ das Ab­bild des Man­nes den Hö­rer nie­der­le­gen. Als das Ab­bild des Man­nes die Hän­de vors Ge­sicht schlug, ver­blaß­te der Traum wie­der.
    Mei­ne Au­gen wa­ren zu; der Bo­den der Dach­kam­mer preß­te sich ge­gen mein Ge­sicht. Ganz in der Nä­he knirsch­ten die Lei­ter­stu­fen un­ter ei­nem Ge­wicht. Dann der Dach­kam­mer­bo­den. Da war et­was Schwe­res, das sich lang­sam über ihn hin­weg­be­weg­te. Ei­ne Be­we­gung; das Ra­scheln von Klei­dern. Ich hör­te das Kli­cken ei­nes Fla­schen­öff­ners, der ge­gen einen Fla­schen­de­ckel schramm­te, dann das Kli­cken ei­nes zu Bo­den fal­len­den Ver­schlus­ses und das Blub­bern und Zi­schen ei­ner kal­ten Flüs­sig­keit. Da war ei­ne Hand, die vor­sich­tig mei­nen Kopf an­hob und einen kal­ten Fla­schen­hals ge­gen mei­ne Lip­pen drück­te. Ich öff­ne­te den Mund. Die kal­te Be­rüh­rung ei­ner Flüs­sig­keit … Sie drang in mich ein und lief mir die Keh­le hin­ab. Ich fing an zu schlu­cken.
    Ge­or­ge San­ford – ich – nahm die Hän­de von den Au­gen und sah auf das Te­le­fon her­ab. Ich lag gar nicht auf dem Bo­den. Ich trank auch nicht. Ich hat­te über­haupt kei­nen Durst. Hat­te ich auf Ah­meds Ruf hin die Ret­tungs­bri­ga­de alar­miert? Das klei­ne Ab­bild ei­nes Man­nes in Jean Fitz­pa­tricks Geist hat­te so­wohl an­ge­ru­fen als auch wie­der ein­ge­hängt, aber die­ses Ab­bild, die­se Ma­rio­net­te, war ich ge­we­sen; ich, Ge­or­ge San­ford, fast einen Me­ter neun­zig groß. Ich bin nicht die Ma­rio­net­te

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