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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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be­we­gen?“
    Un­ter mei­nen Fü­ßen öff­ne­te sich der Ab­grund. „Weil ich dann fal­len wür­de“, er­wi­der­te ich.
    Wie­der be­nutz­te er die Stim­me, und sie drang durch bis in die In­nen­welt, in der die Träu­me leb­ten und im­mer wahr ge­we­sen sind. Ich war ver­welkt und schwach und lag auf Staub und Fet­zen al­ter Klei­der. Ich hat­te einen fau­li­gen und stau­bi­gen Ge­ruch in der Na­se und sah nach un­ten, über den Rand, aus dem die Luft nach oben stieg. Die Luft von un­ten schmeck­te bes­ser. Ich war schon ziem­lich lan­ge da. Ah­meds Stim­me er­reich­te mich und frag­te: „Wie tief könn­test du fal­len?“
    Ich ver­such­te es mit Au­gen­maß. Ich war mü­de, und das Nach­den­ken streng­te mich sehr an. Drei bis vier Me­ter zu die­sem Ab­satz, dann mit dem Fuß auf die Lei­ter, die dort liegt und da­mit dann auf die nächs­te Trep­pen­flucht zu … Am Bo­den war­te­te der Tod.
    „Ein lan­ger Weg“, er­wi­der­te ich. „Ich bin zu schwer. Die Stu­fen sind zu steil.“
    „Dein Mund ist tro­cken“, sag­te er.
    Ich spür­te, wie der Durst mich bei­na­he ver­brann­te. Er dörr­te mei­ne Keh­le aus und mach­te aus mei­ner Zun­ge ein un­för­mi­ges Ding, als er mir die Haupt­fra­ge stell­te.
    „Sag mir, wie du heißt.“
    Ich ver­such­te mei­nen rich­ti­gen Na­men zu nen­nen – Ge­or­ge San­ford. Aber ei­ne an­de­re Stim­me krächz­te: „Jean Dalais.“
    „Wo wohnst du?“ frag­te er mit die­ser durch­drin­gen­den Stim­me, die im In­ne­ren mei­nes Kopf­es Echos er­zeug­te und in der bö­sen Welt wi­der­hall­te, in der ich oder ein an­de­rer auf dem Bo­den lag und den Staub ewi­gen Ver­falls ein­at­me­te.
    „Die Trep­pe run­ter“, hör­te ich mich sa­gen.
    „Und wo bist du jetzt?“ frag­te die glei­che durch­drin­gen­de Stim­me.
    „In der Höl­le“, ant­wor­te­te die Stim­me aus mei­nem Kopf.
    Ich hol­te aus, um ihn mit ei­nem ein­zi­gen Schlag nie­der­zu­stre­cken. Er war ge­fähr­lich. Ich muß­te ihn stop­pen, da­mit er auf­hör­te. Vol­ler Haß und mit großer Sorg­falt schlug ich zu. Er kipp­te nach hin­ten, und ich mach­te, daß ich weg­kam. Ich rann­te oh­ne Pau­se, ein, zwei Blocks weit. Mei­ne Bei­ne ge­hör­ten mir, mein Kör­per ge­hör­te mir. Ich war Ge­or­ge San­ford und konn­te mich be­we­gen, oh­ne Angst vor dem Fal­len zu ha­ben. Nie­mand war hin­ter mir. Nie­mand war vor mir. Die Son­ne schi­en durch die Wol­ken, ein fri­scher Wind blies über die lee­ren Bür­ger­stei­ge. Ich war al­lein. Ich hat­te die Kap­sel­welt des To­des­grau­ens wie ei­ne ver­wais­te Te­le­fon­zel­le hin­ter mir zu­rück­ge­las­sen.
    Jetzt wuß­te ich, was ich tun muß­te, um aus der Sa­che raus­zu­kom­men. Nicht dar­an zu­rück­den­ken. Ein­fach ver­ges­sen, was Ah­med zu tun ver­such­te. Scheiß drauf, was ge­hen dich an­de­re Leu­te an. Mach ein­fach einen Spa­zier­gang an der Pier ent­lang, und laß die neb­li­ge Son­ne auf dich schei­nen. Denk an was Net­tes oder auch an gar nichts.
    Ich schau­te zu­rück. Weit hin­ter mir saß Ah­med auf dem Rand­stein. Mir fiel ein, daß ich ziem­lich stark war und der Sport­leh­rer ge­sagt hat­te, ich sol­le mich zu­rück­hal­ten, wenn ich zu­schlug. Auch bei Ah­med? Er hat­te nach­ge­dacht und war nicht dar­auf vor­be­rei­tet ge­we­sen.
    Was hat­te ich ge­sagt? Jean Dalais. Jean Fitz­pa­trick hat­te mir ein paar von ih­ren Ge­dich­ten ge­zeigt. Sie hat­te sie mit die­sem Na­men un­ter­zeich­net. War Jean Dalais in Wirk­lich­keit Jean Fitz­pa­trick? Viel­leicht hat­te sie die­sen Na­men ge­habt, be­vor Mort Fitz­pa­trick ihr Mann ge­wor­den war.
    In­zwi­schen war ich an dem wei­ßen Haus mit den ro­ten Fens­ter­lä­den vor­bei­ge­lau­fen. Ich sah mich um – es lag nur einen hal­b­en Block hin­ter mir. Ich lief zu­rück, mit lan­gen Schrit­ten, und be­vor die Angst mich wie­der zu pa­cken be­kam, rüt­tel­te ich an der Klin­ke, zerr­te an der ro­ten Tür und sah mir das Schloß an.
    Ah­med hol­te mich wie­der ein. „Weißt du, wie man Schlös­ser knackt?“ frag­te ich ihn.
    „Dau­ert zu lan­ge“, er­wi­der­te er lei­se. „Laß es uns bei den Fens­tern ver­su­chen.“
    Er hat­te recht. Das ers­te Fens­ter, an dem wir

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