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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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es ver­such­ten, war nur vom New Yor­ker Ruß ver­schlos­sen. Ruß­ver­schmiert und mit schwar­zen Hän­den klet­ter­ten wir in die Kü­che. Ab­ge­se­hen von ei­nem ver­trock­ne­ten Sa­lat, der in ei­ner Schüs­sel lag, war sie sau­ber auf­ge­räumt. Das Spül­be­cken war tro­cken, die Luft roch ab­ge­stan­den.
    Ich glau­be, es ge­hört zum gu­ten Be­neh­men, wenn man sein Ein­drin­gen ir­gend­wie be­kannt­macht.
    „Jean!“ rief ich. Zu­rück ka­men ein paar Echos und Stil­le, und dann fiel oben et­was aus ei­nem Re­gal. Wie­der er­ho­ben sich in mei­nem Kopf die Geis­ter und stell­ten sich mit aus­ge­streck­ten Kral­len hin­ter mir auf. Ich lug­te über mei­ne Schul­ter und sah nur die lee­re Kü­che. Mei­ne Haut pri­ckel­te. Ich hat­te Angst da­vor, Lärm zu ma­chen. Ich hat­te Angst, der Tod wür­de mich hö­ren. Ich muß­te ru­fen und hat­te Angst da­vor. Ich muß­te mich be­we­gen – und auch da­vor hat­te ich Angst. Ich starb vor Feig­heit. Es wa­ren die Ge­dan­ken ei­nes an­de­ren; sie hat­ten den Ge­ruch von Krank­heit, das Bren­nen von Durst, die Ener­gie der Wut. In­ner­lich schrum­pel­te ich zu­sam­men.
    Ich leg­te ei­ne Hand auf den Kü­chen­tisch. „Oben, auf dem Dach­bo­den“, sag­te ich. Ich wuß­te jetzt, was nicht mit mir stimm­te. Jean Dalais war ein Ar­che­typ. Sie lag im De­li­ri­um und träum­te, daß sie ich sei. Oder ich war wirk­lich Jean Dalais und litt un­ter ei­nem an­de­ren Traum, und mir träum­te, daß da selt­sa­me Leu­te in mei­ner Kü­che stan­den und nach mir such­ten. Ich, Jean, haß­te die­se Hal­lu­zi­na­tio­nen. Ich drosch auf die Traum­bil­der der Män­ner ein, die ein Ge­fühl von Schwä­che und Un­wohl­sein ver­spür­ten, und wuß­te, wie­viel Zeit ver­gan­gen war, oh­ne daß mir je­mand ge­hol­fen hat­te. Ich haß­te die gan­ze Welt, die mich ein­ge­sperrt und aus je­der Hoff­nung ei­ne Lü­ge ge­macht hat­te, und ich ver­such­te die Lü­gen ins Nichts zu bla­sen.
    Die Ge­or­ge-San­ford-Hal­lu­zi­na­ti­on glitt auf dem Kü­chen­bo­den in ei­ne sit­zen­de Po­si­ti­on. Die Pa­pier­tü­te mit der Bock­bier­fla­sche knall­te mit ei­nem lau­ten Ge­räusch auf den Bo­den. Sie hör­te sich bei­na­he re­al an. „Schau du nach, Ah­med“, sag­te der Ge­or­ge-San­ford-Mund.
    Die an­de­re Ge­stalt in die­sem Traum beug­te sich vor und stell­te ein Te­le­fon auf den Fuß­bo­den. Es prall­te mit ei­nem an­de­ren Laut auf das Lin­ole­um und er­zeug­te ein hel­les Klin­geln, das man fast auch oben noch hö­ren konn­te. „Die Hal­lu­zi­na­tio­nen wer­den im­mer ech­ter. Jetzt kann ich sie schon hö­ren“, mur­mel­te der Phan­ta­sie-San­ford vor sich hin. Oder war es Jean Dalais, die nach­dach­te?
    „Wenn ich ru­fe, wählst du die Null und sagst, daß die Ret­tungs­bri­ga­de rü­ber­kom­men soll.“ Ah­med hob die Pa­pier­tü­te mit der Bock­bier­fla­sche auf. „Al­les klar, Ge­or­ge?“ Er fing an, die Kü­chen­schub­la­den zu durch­su­chen. „Na groß­ar­tig, Bier! Es gibt nichts Bes­se­res ge­gen ex­tre­me De­hy­dra­ti­on. Ist Salz drin. Hält das Sys­tem vom Flüs­sig­keits­schock fern.“
    Er fand einen Bier­öff­ner und steck­te ihn in die Hüft­ta­sche. „Flüs­sig­keits­schock kommt von plötz­li­chen Ver­än­de­run­gen im Was­ser-Salz-Haus­halt“, füg­te er hin­zu und stieg lei­se, je­weils zwei Stu­fen auf ein­mal neh­mend, die Trep­pe hin­auf. Er ver­schwand aus mei­nem Ge­sichts­kreis, aber ich hör­te sei­ne Schrit­te. Sie wa­ren lei­se und for­schend. Selbst Ah­med hat­te Angst da­vor, Geis­ter auf­zu­we­cken.
    Was hat­te Bes­sie über das Op­fer ge­sagt? „Hoff­nung schmerzt.“ Sie hat­te ver­sucht, dem Op­fer Hoff­nung zu ma­chen, aber das Op­fer hat­te ihr mit ei­nem Dolch aus Wut und Ver­zweif­lung ins Herz ge­sto­chen.
    Des­we­gen saß ich auf dem Bo­den!
    Ge­fahr, Ge­or­ge, nicht nach­den­ken! Ich schloß die Au­gen und leer­te mei­nen Kopf.
    Der Traum von der Ret­tung und die Ab­bil­der der Män­ner wa­ren ver­schwun­den. Ich war Jean Dalais und sank ins Dun­kel zu­rück, in ei­ne war­me, um­fas­sen­de Dun­kel­heit, in der sich nichts rühr­te und nie­mand dach­te. Da gab es nur – in

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