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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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ein­zu­stim­men. Sein Mes­ser steck­te wie­der in der Schei­de.
    His­ham dreh­te sich höf­lich zu ihm um. „Hat er dir ei­ne gu­te Zu­kunft vor­aus­ge­sagt, Se­lim?“
    Se­lim mach­te ein fins­te­res Ge­sicht. „Er hat ge­lo­gen. Er hat sie al­le her­ein­ge­legt. Er lügt sie al­le an, um sei­nen Tod hin­aus­zu­zö­gern.“ Sei­ne Wor­te führ­ten da­zu, daß die an­de­ren sich be­weg­ten, als wür­den sie et­was sa­gen wol­len. Dann un­ter­lie­ßen sie es aber doch.
    His­ham lä­chel­te sei­ne Leu­te an. „Was setzt ihr da­ge­gen, wenn ich be­haup­te, daß er mir die Zu­kunft vor­her­sa­gen kann, wenn ich ihm ei­ne Wahr­heits­dro­ge in die Ve­ne ja­ge?“
    Sei­ne Män­ner ant­wor­te­ten nicht. Der klei­ne, kahl­köp­fi­ge, mus­ku­lö­se Mann sag­te auf ara­bisch et­was zu Se­lim, der sein ers­ter Stell­ver­tre­ter zu sein schi­en. Dann zog er ei­ne Schach­tel aus der Ta­sche und gab sie ihm. Des­sen Stell­ver­tre­ter reich­te sie ei­nem äl­te­ren Sol­da­ten, der ihm Tür­rah­men her­um­lun­ger­te und gab einen Be­fehl. Der Mann an der Tür trat vor, bohr­te die Na­del der Sprit­ze durch Ah­meds Hemd in sei­nen rech­ten Bi­zeps, drück­te lang­sam die Kanü­le hin­ab und kehr­te an sei­nen Aus­gangs­ort zu­rück.
    His­ham, der An­füh­rer der Män­ner, streck­te die Hand aus und sag­te et­was mit sanf­ter, ver­lan­gen­der Stim­me. Er nahm die Sprit­ze wie­der an sich und un­ter­such­te sie. „Gut.“ Zum ers­ten Mal sah der kahl­köp­fi­ge Mann nun Ah­med an. Ah­med er­wi­der­te sei­nen Blick. Sei­ne Hän­de la­gen flach auf der Tisch­plat­te. Er hat­te sich nicht be­wegt, als der Mann mit der Sprit­ze auf ihn zu­ge­gan­gen war. His­ham schenk­te ihm ein freund­li­ches Ni­cken und sag­te: „Ge­fan­ge­ner, man hat Ih­nen ge­ra­de ei­ne Wahr­heits­dro­ge ver­ab­reicht. Zäh­len Sie von zwan­zig an rück­wärts.“
    „Zwan­zig, neun­zehn, acht­zehn, siff­zehn, sech­zehn, sech­zehn, zwölf, neun …“ Ah­meds schlan­kes, stol­zes Ge­sicht mit den schwar­zen Au­gen­brau­en sah se­mi­ti­scher aus als das der Ara­ber. Er hör­te auf.
    Das le­der­ar­ti­ge Lä­cheln auf dem Ge­sicht des Füh­rers wur­de brei­ter. Er sah kurz die an­de­ren an, dann beug­te er sich zu Ah­med hin­über. „Und jetzt, un­ter dem Ein­fluß der Wahr­heits­dro­ge, kön­nen Sie mir jetzt mei­ne Zu­kunft weis­sa­gen?“
    Ah­med sah auf die Tisch­plat­te hin­ab. Er zog die bieg­ba­re Le­se­lam­pe nä­her her­an, schüt­tel­te den Tisch, und klei­ne Sand­hü­gel lie­fen durch­ein­an­der und zer­lie­fen in al­le Rich­tun­gen, weg vom Licht.
    „Ich kann im­mer noch Bil­ler sche­hen“, sag­te er, „aber ich ken­ne Ih­re Fra­ge nischt … Ver­zei­hung … Die Dro­ge lähmt mei­ne Schun­ge.“
    Er sah auf, mü­de, ma­ger, aber wach­sam. Sei­nen Au­gen un­ter den dich­ten, schwar­zen Brau­en ent­ging nichts. „Ich kann’s ver­su­chen. Wol­len Schie Ver­gan­gen­heit, Ge­gen­wart oder Schu­kunft?“
    „Wun­der­voll! Ein Mensch mit ei­ner Wahr­heits­dro­ge im Blut, der mir trotz­dem die Zu­kunft weis­sa­gen will“, sag­te His­ham zu den an­de­ren. Er wand­te sich wie­der Ah­med zu, als in­ter­es­sie­re er sich bren­nend für ein Kin­der­spiel. Dann wech­sel­te er die Po­si­ti­on und nahm auf ei­nem Kis­sen Platz, das Ah­med nä­her war. Se­lim war nun von ihm wei­ter ent­fernt. Lä­chelnd stell­te er ei­ne Fra­ge, über die es gar nichts zu Lä­cheln gab. „Wahr­sa­ger, sag mir, warum die an­de­ren zu re­den auf­hör­ten, als ich her­ein­kam.“
    Die Ara­ber hat­ten bis­her lä­chelnd mit­ein­an­der ge­mur­melt, aber die­se Fra­ge schi­en sie wie ein Keu­len­schlag zu tref­fen. Schlag­ar­tig ver­stumm­ten sie.
    Se­lim strahl­te ei­ne Wel­le aus Zorn und Haß ab. Er stand auf, mas­sier­te sei­ne Hän­de, schätz­te die Ent­fer­nung zu sei­nem Füh­rer ab und frag­te sich of­fen­sicht­lich, ob die an­de­ren den Sta­tus quo ak­zep­tie­ren und ihm fol­gen wür­den, wenn His­ham tot wä­re.
    Ak­bar His­ham wand­te sich um, da­mit die an­de­ren se­hen konn­ten, daß auf sei­ner of­fe­nen Hand­flä­che ein klei­ner La­ser lag. Er schloß die Hand je­doch nicht.

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