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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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wer­fen.
    „Noch nicht, Ge­or­ge“, sag­te er mit nor­ma­ler Stim­me. „Zu früh. Es be­steht kei­ne Ge­fahr.“
    „Zu früh?“ heul­te Se­lim, der glaub­te, Ah­med wol­le ihn her­um­kom­man­die­ren. „Wir hät­ten dich schon vor zwei Ta­gen um­brin­gen sol­len, du un­gläu­bi­ger, spio­nie­ren­der is­rae­li­scher Hund! Stirb!“
    Ah­med muß­te wis­sen, was er tat. Um Se­lim brauch­te ich mich al­so nicht zu küm­mern. Sehr lang­sam, da­mit es nicht auf­fiel, ließ ich die aus­ge­beul­te Sperr­holzwand los. Ih­re Nä­gel wa­ren jetzt lo­se. Ich brauch­te nur noch da­ge­gen zu sto­ßen, und sie wür­de fal­len. Lang­sam, oh­ne ein Ge­räusch zu ma­chen, rutsch­te sie wie­der in die ur­sprüng­li­che La­ge zu­rück. Ich seufz­te er­leich­tert. Es war kein gu­ter Plan ge­we­sen, auf sechs be­waff­ne­te Män­ner los­zu­ge­hen. Ah­med hat­te recht. Es be­stand kein An­laß. Mir fiel wie­der ein, wie un­se­re Ban­de mit Mes­ser­ste­chern fer­tig ge­wor­den war. Wer ei­ne star­ke und schnel­le Lin­ke und ein biß­chen Pra­xis hat, kann ei­nem Rechts­hän­der leicht die Klin­ge weg­neh­men. Ah­med hat­te es so lan­ge mit uns ge­übt, bis man uns mit Mes­sern nichts mehr an­ha­ben konn­te. Bei den Übun­gen hat­te es kei­ner von uns ge­schafft, ihn auch nur mit ei­nem Holz­mes­ser zu be­rüh­ren. Ah­med war von Na­tur aus schnell. Und er hat­te lan­ge, schnel­le Ar­me. Wenn er Se­lim Sand in die Au­gen warf und das vor ihm ste­hen­de Tisch­chen als Keu­le be­nutz­te, war sei­ne ver­meint­li­che Hilf­lo­sig­keit, da er an die Bank ge­fes­selt war, ein rei­ner Witz auf Se­lims Kos­ten.
    Das Ge­läch­ter und Ge­joh­le auf der an­de­ren Sei­te deu­te­te an, daß Se­lim es zum Amü­se­ment der ara­bi­schen Sol­da­ten, die nun sa­hen, daß es zweck­los war, im­mer noch ver­such­te. Aber wie hoch war die Wahr­schein­lich­keit, daß sie auf­stan­den, um Ah­med fest­zu­hal­ten?
    Viel­leicht soll­te ich wei­ter auf­pas­sen, aber mir ge­fiel ihr Ge­läch­ter nicht. Sie hör­ten sich an wie ein Hun­de­ru­del, das zwei kämp­fen­den Wöl­fen zu­sieht. Das Ge­setz der In­tim­sphä­re ist rich­tig!
    Die In­tim­sphä­re ist die Ba­sis für das Recht, an­ders zu sein. Kei­ner soll­te zu lan­ge ir­gend­wel­chen Leu­ten zu­se­hen, die an­de­re Vor­stel­lun­gen von Recht und Un­recht ha­ben. Das hat man mir in der Schu­le bei­ge­bracht. Und es stimmt. Als ich die­sen Leu­ten zu­sah, wünsch­te ich mir, von hier fort­zu­ge­hen oder sie um­zu­brin­gen. Sie wa­ren kei­ne ty­pi­schen Ara­ber, son­dern der Pö­bel der Flücht­lin­ge, der Ab­schaum ei­ner ge­schla­ge­nen Ar­mee, die nichts konn­ten au­ßer kämp­fen; die Zu­rück­ge­wie­se­nen, de­nen ih­re Frau­en ins La­ger ge­folgt wa­ren. An­de­re Män­ner, die Fä­hig­kei­ten und Be­ru­fe hat­ten, wa­ren zu­rück­ge­kehrt, ob­wohl die Is­rae­lis es ih­nen nicht ge­stat­tet hat­ten, weil sie die Ra­che ar­beits­lo­ser At­ten­tä­ter fürch­te­ten, wor­auf­hin die Heim­ge­kehr­ten vor ih­rer Gren­ze kam­pier­ten, hei­mat­los und von kei­nem Land der Er­de ge­wollt – bis die UNO ver­langt hat­te, daß je­des Land der Welt ei­ne klei­ne Grup­pe von ih­nen auf­nahm und ih­nen ei­ne Be­rufs­aus­bil­dung er­mög­lich­te. Is­rael hat­te dank­bar da­für ge­zahlt, bloß da­mit man sie ab­hol­te.
    Als sie in New York an­ge­kom­men wa­ren, hat­ten sie nicht das ge­rings­te Wis­sen ge­habt – nur Groll und Ra­che­plä­ne im Her­zen. Sie hiel­ten sämt­li­che Be­woh­ner der Stadt für Ju­den. Ob sie stolz dar­auf wa­ren, Ara­ber zu sein? Wenn man sie so be­ob­ach­te­te, war es nicht schwer, al­le Ara­ber has­sen zu ler­nen. Ich stell­te fest, daß mei­ne Fäus­te sich an­ein­an­der rie­ben und muß­te je­den Mus­kel ein­zeln ent­kramp­fen, um mei­ne Wut ab­zu­strei­fen.
    Das Ge­joh­le und der Lärm wur­den zu ei­nem Cre­scen­do. Dann ver­stumm­te al­les, als hät­te je­mand einen Fern­se­her ab­ge­schal­tet. Die An­we­sen­den stie­ßen einen er­schreck­ten Schrei aus.
    Ich lug­te durch den Licht­spalt und sah, daß sie sich al­le zur Tür ge­dreht hat­ten. Ich wech­sel­te die Stel­lung und sah in

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