Der Esper und die Stadt
Unterseestadt kam nach dreißig Sekunden. Es war ein knirschendes Brüllen, gedämpft und leise, wie aus weiter Ferne.
Ich machte die Augen wieder zu und spürte, wie sich um mich herum die Welt veränderte und zu etwas anderem wurde.
„Hast du was, George?“ fragte Ahmed aufgeregt. „Das waren etwa zehn Kilometer.“
„Jemand weiß, was da passiert ist. Ich empfange ihn. Die Brooklyn-Kuppel ist gerade zusammengebrochen.“
„Zwölftausend Einwohner“, sagte Ahmed und betätigte grimmig seinen Armbandsender, während er sich einen Hörstöpsel ins Ohr schob. „Das Hauptquartier antwortet nicht. Da sind nur Besetztzeichen. Vor einer Katastrophe leeren sich meist die Plätze. Eine Menge Leute scheinen zu spüren, daß etwas auf sie zukommt. Ich rechne mit mindestens viertausend Toten.“
Ich machte die Augen wieder zu und erforschte einen anderen Ort. „Da hat jemand einen Alptraum“, sagte ich. „Und kann nicht wach werden.“
„Flipp’ jetzt nicht aus, George, halt’ dich an die Fakten. Es sind gerade eine Menge Leute gestorben. Schalt’ dich darauf ein. Ich versuche uns Anweisungen zu holen.“
Ich stand mit geschlossenen Augen da und untersuchte diese Sache in meinem Kopf. Irgendwo war ein Mann in einem Alptraum gefangen und lag im Halbschlaf in einem dunklen Gefängnis oder einem Schrank. Es war so ähnlich wie in einem Delirium.
Die wirkliche Welt war an diesem hellen Tag schon grausam genug, aber die schwarzen und sich windenden Fragmente in der Innenwelt des Mannes waren noch schlimmer. Es war etwas Wichtiges an seinen Gedanken. Er hatte die entfernte Explosion ebenso gespürt wie die anderen – und er wußte, was sie bedeutete. Er hatte sie erwartet.
„Ich kann nicht rausfinden, wo er steckt“, sagte ich, machte die Augen auf und gab mich wieder der sonnenbeschienen Welt hin, die mich umgab.
Ahmed kniff die Augen zusammen, legte den Kopf schief und lauschte den aufgeregt quäkenden Stimmen, die aus seinem Hörstöpsel kamen.
„Mach dir nichts draus, George. Das ist wahrscheinlich Carl Hodges. Der läuft uns nicht weg. Das Hauptquartier übermittelt gerade allgemeine Anweisungen für den Notfall. Die Reparaturtrupps und Inspektoren sollen sofort alle gefährdeten Punkte der automatischen Anlagen untersuchen und nach Beschädigungs- und Sabotagehinweisen Ausschau halten. Man hat Reparatur- und Inspektorenteams in die Jersey-Kuppel beordert, damit sie sich dort umsehen und sicherstellen, daß dort nicht das gleiche passieren kann. Man hat ihnen aufgetragen, ihre Anwesenheit als Routine-Sicherheitsüberprüfung zu deklarieren.“
„Und was machen wir? Was ist mit uns?“
„Warte, ich höre zu. Sie haben unsere Namen genannt. Wir gehen zur Jersey-Kuppel und versuchen den Saboteur ausfindig zu machen, der die Brooklyn-Kuppel sabotiert hat. Es ist nicht auszuschließen, daß er in der Jersey-Kuppel die gleiche Methode anwendet.“
„Welche Methode?“
„Das wissen sie noch nicht. Sie wissen nicht einmal genau, ob es überhaupt einen Saboteur gibt. Das sollen wir herausfinden.“
„Wenn es ein Saboteur war, ist er jetzt vielleicht wieder an der Arbeit.“ Wir mußten uns beeilen. Wir rannten zu den Stiegen der Subway, gelangten auf die Untergrund-Rollbahn und schnappten uns ein paar leere Sessel, die langsam neben uns herfuhren. Wir beschleunigten und eilten auf die schnellsten Spuren zu.
Damit wir zur Jersey-Kuppel kamen, mußten wir mehrmals die Spur wechseln, bis wir auf die innersten Spuren kamen, die am schnellsten sind. Auf den langsameren Spuren kamen uns Leute entgegen, die tragbare Fernseher bei sich hatten und sie wie Zeitschriften vor sich hielten, um auf den Bildschirmen
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