Der Esper und die Stadt
geweiht war, ohne zu wissen, was ihm passieren würde.
Ausdruckslos schauten die Leute in den sich bewegenden Subway-Sesseln zu und umklammerten ihre Fernseher, als warteten sie darauf, daß die Decke einstürzte. Das Publikum bekam etwas geboten … Machthunger, großartige Sachen, Wumm! Unbändige Kräfte, Vollkommenheit … den bewundernswerten Triumph völliger Zerstörung. Eine tolle Show. Hoffnung auf noch mehr Entsetzen.
In der ganzen Stadt sahen die Leute sich den unbekümmert telefonierenden Narren an und warteten darauf, daß es endlich losging. Sie sehnten das Unheil förmlich herbei und hofften, daß es diesmal noch größer, schwärzer, beängstigender und vernichtender zuschlug.
Ich machte die Augen zu, bis die heiseren Schreie verklungen waren, musterte den Hinterkopf eines anderen vorüberfahrenden TV-Betrachters und wandte mich dann um, um das Gesicht der Frau zu sehen. Sie bemerkte mich nicht. Sie starrte gedankenverloren auf den Bildschirm, und ihr Gesicht zeigte nicht den geringsten Ausdruck.
Ob sie zugeben würde, daß sie sich freute? Wußte sie überhaupt, daß sie einen donnernden Wasserfall dazu drängte, endlich herabzustürzen und den Tod mit sich zu bringen? Es war typisch für Fernsehzuschauer. Sie lieben das Extreme. Zugute halten konnte man ihr höchstens, daß sie ein junges Liebespaar, das sich auf dem Bildschirm zeigte ebenso dazu drängen würde, sich inniger zu küssen, damit sie sich an ihren Zärtlichkeiten erfreuen konnte. Wer das Leben liebt, liebt auch den Tod.
Ich ließ mich tiefer in meinen Sessel sinken, schloß die Augen und glitt auf den Wellen der Emotionen dahin, die Millionen von Fernsehzuschauern in diesem Moment empfanden: Gefühle, die durch das Zusehen synchronisiert wurden. Die Masse genoß das Grauen und den Tod einer kleinen Stadt. Immer wieder Erwartung, Vorfreude, Panik, Vernichtung, Ende, Befriedigung.
Der im stillen angebetete Gott des Todes konnte zufrieden sein.
Zwanzig Minuten später, nachdem wir auf einen Bahnsteig übergewechselt waren, dessen Türen aus Luftschleusen bestanden, durch die man in eine dichtere Atmosphäre kam, erreichten wir mit Hilfe der unterseeischen Röhrenbahn die Jersey-Kuppel. Einwohnerzahl: zehntausend; Bewohner: städtische Beamte mit ihren Familien.
Das Verwaltungsgebäude des Stadtdirektors bestand aus großen, farbigen Blöcken aus leichtgewichtigem, durchscheinendem Plastikschaum und ähnelte einem Haus, das Kinder aus Bauklötzen errichtet hatten. Es gab keinen Wind, der es hätte fortblasen können. In seinem Inneren zauberte das Licht Flecken auf den Schreibtisch des städtischen Beamten. Er war ziemlich klein und saß hinter einem Riesentisch. Während er auf einem Apparat telefonierte, blinkte auf dem anderen ein rotes Licht auf.
„Wir haben alle Züge eingesetzt. Jeder will hier raus. Nein. Zu einer Panik ist es nicht gekommen. Dafür liegt kein Grund vor.“ Er hängte ein und warf dem aufblinkenden anderen Apparat einen Blick zu.
„Dieses Telefon da“, sagte er und zeigte mit dem Finger auf den Apparat, „ist eine Außenleitung, an der ganze Horden von idiotischen Reportern hängen, die mich fragen wollen, wie Kuppeln gebaut werden und es dazu kommen konnte, daß die Brooklyn-Kuppel in die Luft geflogen oder eingestürzt ist. Und dann wollen sie noch wissen, wann das gleiche mit der Jersey-Kuppel passiert. Die sind alle völlig verrückt. Und was wollen Sie?“
Ahmed öffnete seine Brieftasche und wies sich aus. „Wir sind von der Metropolitan Rettungsbrigade. Wir sind Spezialisten, die Leute auffinden, indem wir das vorhersagen, was sie tun werden.
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