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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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ge­weiht war, oh­ne zu wis­sen, was ihm pas­sie­ren wür­de.
    Aus­drucks­los schau­ten die Leu­te in den sich be­we­gen­den Sub­way-Ses­seln zu und um­klam­mer­ten ih­re Fern­se­her, als war­te­ten sie dar­auf, daß die De­cke ein­stürz­te. Das Pu­bli­kum be­kam et­was ge­bo­ten … Macht­hun­ger, groß­ar­ti­ge Sa­chen, Wumm! Un­bän­di­ge Kräf­te, Voll­kom­men­heit … den be­wun­derns­wer­ten Tri­umph völ­li­ger Zer­stö­rung. Ei­ne tol­le Show. Hoff­nung auf noch mehr Ent­set­zen.
    In der gan­zen Stadt sa­hen die Leu­te sich den un­be­küm­mert te­le­fo­nie­ren­den Nar­ren an und war­te­ten dar­auf, daß es end­lich los­ging. Sie sehn­ten das Un­heil förm­lich her­bei und hoff­ten, daß es dies­mal noch grö­ßer, schwär­zer, be­ängs­ti­gen­der und ver­nich­ten­der zu­schlug.
    Ich mach­te die Au­gen zu, bis die hei­se­ren Schreie ver­k­lun­gen wa­ren, mus­ter­te den Hin­ter­kopf ei­nes an­de­ren vor­über­fah­ren­den TV-Be­trach­ters und wand­te mich dann um, um das Ge­sicht der Frau zu se­hen. Sie be­merk­te mich nicht. Sie starr­te ge­dan­ken­ver­lo­ren auf den Bild­schirm, und ihr Ge­sicht zeig­te nicht den ge­rings­ten Aus­druck.
    Ob sie zu­ge­ben wür­de, daß sie sich freu­te? Wuß­te sie über­haupt, daß sie einen don­nern­den Was­ser­fall da­zu dräng­te, end­lich her­ab­zu­stür­zen und den Tod mit sich zu brin­gen? Es war ty­pisch für Fern­seh­zu­schau­er. Sie lie­ben das Ex­tre­me. Zu­gu­te hal­ten konn­te man ihr höchs­tens, daß sie ein jun­ges Lie­bes­paar, das sich auf dem Bild­schirm zeig­te eben­so da­zu drän­gen wür­de, sich in­ni­ger zu küs­sen, da­mit sie sich an ih­ren Zärt­lich­kei­ten er­freu­en konn­te. Wer das Le­ben liebt, liebt auch den Tod.
    Ich ließ mich tiefer in mei­nen Ses­sel sin­ken, schloß die Au­gen und glitt auf den Wel­len der Emo­tio­nen da­hin, die Mil­lio­nen von Fern­seh­zu­schau­ern in die­sem Mo­ment emp­fan­den: Ge­füh­le, die durch das Zu­se­hen syn­chro­ni­siert wur­den. Die Mas­se ge­noß das Grau­en und den Tod ei­ner klei­nen Stadt. Im­mer wie­der Er­war­tung, Vor­freu­de, Pa­nik, Ver­nich­tung, En­de, Be­frie­di­gung.
    Der im stil­len an­ge­be­te­te Gott des To­des konn­te zu­frie­den sein.
    Zwan­zig Mi­nu­ten spä­ter, nach­dem wir auf einen Bahn­steig über­ge­wech­selt wa­ren, des­sen Tü­ren aus Luft­schleu­sen be­stan­den, durch die man in ei­ne dich­te­re At­mo­sphä­re kam, er­reich­ten wir mit Hil­fe der un­ter­see­i­schen Röh­ren­bahn die Jer­sey-Kup­pel. Ein­wohner­zahl: zehn­tau­send; Be­woh­ner: städ­ti­sche Be­am­te mit ih­ren Fa­mi­li­en.
    Das Ver­wal­tungs­ge­bäu­de des Stadt­di­rek­tors be­stand aus großen, far­bi­gen Blö­cken aus leicht­ge­wich­ti­gem, durch­schei­nen­dem Plas­tik­schaum und äh­nel­te ei­nem Haus, das Kin­der aus Bau­klöt­zen er­rich­tet hat­ten. Es gab kei­nen Wind, der es hät­te fort­bla­sen kön­nen. In sei­nem In­ne­ren zau­ber­te das Licht Fle­cken auf den Schreib­tisch des städ­ti­schen Be­am­ten. Er war ziem­lich klein und saß hin­ter ei­nem Rie­sen­tisch. Wäh­rend er auf ei­nem Ap­pa­rat te­le­fo­nier­te, blink­te auf dem an­de­ren ein ro­tes Licht auf.
    „Wir ha­ben al­le Zü­ge ein­ge­setzt. Je­der will hier raus. Nein. Zu ei­ner Pa­nik ist es nicht ge­kom­men. Da­für liegt kein Grund vor.“ Er häng­te ein und warf dem auf­blin­ken­den an­de­ren Ap­pa­rat einen Blick zu.
    „Die­ses Te­le­fon da“, sag­te er und zeig­te mit dem Fin­ger auf den Ap­pa­rat, „ist ei­ne Au­ßen­lei­tung, an der gan­ze Hor­den von idio­ti­schen Re­por­tern hän­gen, die mich fra­gen wol­len, wie Kup­peln ge­baut wer­den und es da­zu kom­men konn­te, daß die Broo­klyn-Kup­pel in die Luft ge­flo­gen oder ein­ge­stürzt ist. Und dann wol­len sie noch wis­sen, wann das glei­che mit der Jer­sey-Kup­pel pas­siert. Die sind al­le völ­lig ver­rückt. Und was wol­len Sie?“
    Ah­med öff­ne­te sei­ne Brief­ta­sche und wies sich aus. „Wir sind von der Me­tro­po­li­tan Ret­tungs­bri­ga­de. Wir sind Spe­zia­lis­ten, die Leu­te auf­fin­den, in­dem wir das vor­her­sa­gen, was sie tun wer­den.

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