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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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ei­ne eben­sol­che Nacht. Leu­te, die schon mal was von dem Gas ab­be­kom­men hat­ten, sag­ten, sie hät­ten al­ler­lei sym­bol­träch­ti­ge Er­fah­run­gen ge­macht. Wel­che Be­deu­tung hat­te die­ser Tag? Warum pas­sie­ren sol­che Din­ge?
    Ich schweb­te in­mit­ten des wei­ßen Ne­bels, ver­ließ mei­nen Kör­per, war plötz­lich über der Stadt und er­blick­te ein Be­wußt­sein, das höchst viel­fäl­tig und von bit­te­rer Lo­gik war. Es brü­te­te über den Häu­sern und er­streck­te sich in Ver­gan­gen­heit und Zu­kunft. Ich sprach zu ihm, aber in Ge­dan­ken, nicht mit Wor­ten. „Ah­med hat die Welt­sicht sei­ner Groß­mut­ter, der Zi­geu­ne­rin. Er hält dich für das Schick­sal. Er glaubt, du ver­folgst Ab­sich­ten und hast Plä­ne.“
    Das Be­wußt­sein lach­te und dach­te: Die Rä­der der Zeit und der Ur­sa­chen mah­len gründ­lich. Wenn man den Gang ein­ge­legt hat, ist zwi­schen ih­nen kein Platz mehr für Frei­heit. Die Stadt ist ei­ne Not­wen­dig­keit. Die Zu­kunft ist schon ge­baut. Wenn der Gang ein­ge­legt ist, be­we­gen wir uns auf sie zu. Ich bin das Schick­sal.
    Auf geis­ti­gem We­ge warf ich ein: Wir wis­sen nicht mehr, wie die Ver­gan­gen­heit war. Wir wis­sen es nicht ge­nau. Wir ha­ben un­se­re An­sich­ten ge­än­dert. Da­mit än­dert sich auch die Ver­gan­gen­heit – und al­les, was in der Ge­gen­wart auf ihr auf­ge­baut hat. Und die Zu­kunft.
    Mit ei­nem Heu­len tau­mel­te das über der Stadt brü­ten­de Be­wußt­sein ins Nichts hin­ein, wur­de nie er­schaf­fen, hat­te nie exis­tiert, wie die Bö­se He­xe aus dem Wes­ten, als Do­ro­thy einen Ei­mer Was­ser über ihr aus­ge­leert hat­te. Es ver­ging mit dem glei­chen heu­len­den Ge­jam­mer. „Aber all mei­ne herr­li­chen Ka­ta­stro­phen, mei­ne tra­gi­sche Lo­gik …“
    „Nicht nö­tig“, sag­te ich ernst. „Wenn man die Zu­kunft se­hen kann, kann man sie auch ver­än­dern. Wenn man die Ver­gan­gen­heit nicht se­hen kann, än­dert sie sich in je­der Hin­sicht. Nichts er­eig­net sich zwei­mal auf die glei­che Wei­se.“
    Die Stadt der Zu­kunft zer­fiel und ver­wan­del­te sich in wei­ßen Ne­bel. Es war ein schöp­fe­ri­scher Ne­bel, den die rei­ne Vor­stel­lungs­kraft in je­de ge­wünsch­te Form brin­gen konn­te. Ich stand mit­ten in ihm drin und kam mir ziem­lich stur vor. Da war wie­der je­mand, der mich in Ver­su­chung füh­ren woll­te. Man woll­te mich da­zu krie­gen, das bü­ro­kra­ti­sche Spiel der Vor­schrif­ten und Un­frei­heit mitz­u­ma­chen. Ich soll­te da­bei mit­ma­chen, Leu­te in klei­ne Schach­teln zu sper­ren, da­mit man sie mit Vor­dru­cken er­fas­sen konn­te.
    „Nein“, sag­te ich. „Ich wer­de mit mei­ner Mei­nung nie­man­den be­ein­flus­sen. Sol­len sie sich doch ih­re ei­ge­ne Ver­gan­gen­heit aus­wäh­len.“
    Der Ne­bel wich.
    In der Nä­he ei­ni­ger knor­ri­ger Pi­ni­en sa­ßen sie­ben Leu­te in wei­ßen Ro­ben an ei­nem Berg­hang und be­ob­ach­te­ten das Glit­zern des in der Fer­ne lie­gen­den Pa­zi­fi­schen Ozeans. „In ge­wis­ser Wei­se su­chen wir »ms wirk­lich un­se­re ei­ge­ne Ver­gan­gen­heit aus.“
    „Ei­ne in­ter­essan­te Traum­vor­stel­lung.“
    „Bei­na­he die ab­so­lu­te Wahr­heit.“
    „Ein­ver­stan­den, ein bril­lan­ter Ge­dan­ke.“
    „Wenn wir aus den Er­in­ne­run­gen der gan­zen Welt das zu­sam­men­tra­gen könn­ten, was man noch weiß und was man ver­ges­sen hat, könn­te man die Rich­tung, die die Welt nimmt, be­ein­flus­sen. Die Men­schen tref­fen ih­re Ent­schei­dun­gen teil­wei­se auf­grund von Tra­di­tio­nen und teil­wei­se nach dem, was die an­de­ren tun.“
    Sie sa­hen mich an und sag­ten „Dan­ke“, wie lie­be, al­te Freun­de.
    Ein net­tes Mäd­chen in wei­ßer Ro­be und mit nack­ten Fü­ßen sag­te: „Wie scha­de, daß er im­mer schläft. Ich wür­de ger­ne sei­nen Na­men und sei­ne Adres­se wis­sen.“
    „Hat kei­nen Zweck, da­nach zu fra­gen Der Alp­traum mit dem ab­stür­zen­den Flug­zeug wird dich zer­schmet­tern.“
    Sie kam so na­he an mein Be­wußt­sein her­an, daß ih­re Stim­me Echos warf und ich mein­te, es sei mei­ne ei­ge­ne. „Aber er schläft gar nicht. Er steht un­ter

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