Der Esper und die Stadt
richtige Nummer verpaßt, stimmt’s?“
Ich antwortete nicht.
„Vielleicht weißt du es gar nicht, aber deine Arbeitslosenunterstützung geht auf ein Sperrkonto, und für jede Woche, in der du es nicht beanspruchst, ziehen sie dir die Hälfte ab. Du hast also seit fast einem Jahr nichts beantragt? Wenn genug auf einem Haufen ist, solltest du hingehen, den Zaster beanspruchen und dich sterilisieren und an den Arsch der Welt ins Exil schicken lassen, wie all die anderen.“
„Mach ich nicht.“
„Warum nicht?“
Ich antwortete nicht. Nach einer Weile sagte ich dann: „Würdest du dich sterilisieren lassen?“
Larry lachte wieder. Er hatte ein Fuchsgesicht und große Ohren. „Wohl kaum. Ein schlauer Bursche hat viele Möglichkeiten, gegen das System vorzugehen. Meine Nachkommen werden noch hier sein, wenn die Sonne erkaltet und die Menschen die Erde mit einem Antrieb versehen, um sich eine neue zu suchen. Meine Nachkommen werden auf Lichtwellen durch den Weltraum reiten. Niemand wird sie ausrotten, und niemand wird Knopfdrücker aus ihnen machen.“
„Okay, ich verstehe.“ Ich stand auf und machte zwei Schritte nach da und nach dort. Der Raum war klein. „Für wen arbeitest du, Larry? Wen beweinst du? Menschen, die man besticht, damit sie sich die Eier abschneiden lassen? Die sind doch ganz anders als du. Haben sie genug Mumm, um sich dagegen zu wehren? Sind sie es wert, daß du dir für sie per Gerichtsbeschluß eine Gehirnwäsche verpassen läßt? Ich nehme an, daß du was von Geschichte verstehst. Ich bin einer von den Burschen, die die Techniker sich gerne vom Halse schaffen würden. Aber irgendwie bist du doch selber so ’ne Art Techniker-Typ. Warum wirst du nicht wirklich einer und hörst auf, Schwierigkeiten zu machen?“
Am Ende des Zimmers blieb ich mit dem Gesicht zur Wand stehen, ballte die Fäuste und sagte: „Junge, weißt du überhaupt, was du für Schwierigkeiten hervorrufst?“
„Ich seh’s im Fernsehen“, sagte Larry.
„Das waren echte Menschen, die du umgebracht hast.“ Ich starrte immer noch die Wand an. „Heute nachmittag habe ich versucht, mit künstlicher Beatmung ein Mädchen zu retten. Es blutete aus den Augen.“ Ich würgte und wäre fast erstickt. Als ich weiterzusprechen versuchte, ballten sich meine Fäuste fester. „Man sagte mir, sie sei tot. Und dabei sah sie ganz in Ordnung aus. Bis auf die Augen. Ich glaube, ich versuchte ihr zu helfen, weil ich blöd bin und glaubte, sie wäre noch am Leben.“ Ihr helfen! Ja, indem ich Larry tötete. Wie durch einen roten Nebel sehend schaute ich mich in seinem Zimmer um und suchte nach einer Waffe.
Larry hob die Kanone wieder hoch, richtete sie auf mich und sprang hastig von seinem Bett. „Oho – die Vergangenheit ist wieder da! Es wird wohl Zeit, daß ich gehe!“ Er hielt die Kanone mit der einen Hand auf mich gerichtet, setzte sich mit der anderen eine dunkle Brille auf und hängte sich die Gasmaske um den Hals. „Rühr dich nicht, George, du möchtest doch sicher kein Loch im Kopf haben. Wenn du mich bekämpfst – für wen arbeitest du dann? Auf keinen Fall für Leute wie dich. Denk doch mal nach, Mensch.“ Er näherte sich rückwärts der Tür. Ich beobachtete ihn, sah ihm ins Gesicht. Ich stand geduckt da und war auf alles vorbereitet.
Larry zog sich in einen dunklen Gang zurück. „Komm mir nicht nach. Aber das willst du ja auch gar nicht. Dieser Kracher ist mit Infrasicht ausgerüstet und trifft auch im Dunkeln. Sobald du den Kopf aus der Tür steckst, schieße ich ihn dir vielleicht ab. Bleib noch zehn Minuten hier stehen und mach keinen Ärger. Meine Kanone schweigt, aber wenn ich dich erschießen muß, kriegst du nicht mal einen Orden dafür, daß du den Helden gespielt hast. Keiner würde es je erfahren.“
Der untersetzte Junge zog sich in den dunklen Korridor zurück
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