Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
Vom Netzwerk:
Lar­ry ein lau­ni­scher Fin­ger an der tas­ten­den Hand der Zu­kunft war? Ir­gend je­mand hat mal ge­sagt, daß kei­ne Macht der Welt der Kraft ei­ner Idee wi­der­ste­hen kann, de­ren Zeit ge­kom­men ist. Als ich al­ler­dings da oben lag, die Spin­nen auf mir her­um­krab­bel­ten und ich dir zu­hör­te, hat­te ich den Ein­druck, du seist da­bei, ei­ne neue Me­ta­phy­sik zu er­fin­den. Hat­test du nicht noch eben vor, das Schick­sal au­ßer Kraft zu set­zen?“
    Der Kor­ri­dor wur­de brei­ter. Ich spür­te einen staub­frei­en, fri­schen Luft­zug und sah einen Licht­schim­mer, der durch ir­gend­ein Loch drang. Wir brach­ten es hin­ter uns und lan­de­ten an ei­nem Aus­gang, de­ren Tür ein­ge­schla­gen war. „Ich weiß nicht, Ah­med“, sag­te ich geis­tes­ab­we­send. Er mein­te wohl, ich hät­te über was nach­ge­dacht. Ich ver­such­te mich dar­an zu er­in­nern.
    Aber ich er­in­ner­te mich nur an Hal­lu­zi­na­tio­nen. Sie­ben ko­mi­sche Phi­lo­so­phen, die am Ran­de des Pa­zi­fiks sa­ßen und mir schlech­te Ratschlä­ge er­teil­ten. Aber sie wa­ren mei­ne Freun­de und ver­such­ten nur, hilf­reich zu sein. Sie wa­ren so re­al, daß ich rie­chen konn­te, wie sie schwitz­ten. Sie kon­zen­trier­ten sich und ver­such­ten mich mit ESP zu er­rei­chen. Aber ich block­te sie ab. Wenn man an­fangt, Hal­lu­zi­na­tio­nen ernst zu neh­men, ste­cken sie einen näm­lich in ei­ne Zwangs­ja­cke und ho­len einen ab. So­lan­ge man weiß, daß es nur um Ein­bil­dun­gen geht, ist man noch in Ord­nung.
    Wir stie­gen über die ein­ge­schla­ge­ne Tür, gin­gen ein paar Trep­pen­stu­fen hoch und fan­den uns in ei­nem ver­wüs­te­ten Hin­ter­hof wie­der, der sich im Mit­tel­punkt der Rui­nen be­fand. Es war sehr still. In der Fer­ne um­kreis­ten Po­li­zei­hub­schrau­ber die Häu­ser­blocks und lan­de­ten brum­mend auf den Stra­ßen.
    „Klar woll­test du das“, sag­te Ah­med. „Du hast das Schick­sal au­ßer Kraft ge­setzt. Ich hab’s doch ge­hört.“
    Ich schau­te zum Mond hin­auf. Er war hell und be­schi­en die gan­ze Stadt, wie das bö­se Schick­sal in mei­nem Traum. Aber es war nur der Mond, und die Stadt war ru­hig. Ich hat­te das Schick­sal mit Ar­gu­men­ten ver­nich­tet; mit ei­nem gu­ten, von ho­her In­tel­li­genz zeu­gen­den Syl­lo­gis­mus. Ich mach­te plötz­lich einen Luft­sprung und knall­te die Ha­cken zu­sam­men. „Das ha­be ich auch. Das ha­be ich auch.“ Und da mir nie­mand zu­hör­te, schrie ich: „He, ich hab es ge­tan! Ich ha­be das Schick­sal ab­ge­schafft!“ Ich lan­de­te wie­der auf dem Bo­den und lausch­te in die Stil­le hin­ein. Der Mond sah fried­lich aus; von Un­heil war an ihm nichts zu be­mer­ken. Aber trotz­dem war an die­ser großen, dunklen Stadt und ih­ren selt­sa­men, rie­si­gen Ge­bäu­den et­was, das sich wie ein schla­fen­der Ti­ger an­fühl­te. Das ro­te Licht am Him­mel über New York ging an und aus, an und aus, wie ei­ne un­sicht­ba­re Leucht­re­kla­me.
    DENK NACH, DENK NACH, DENK NACH.
    „Herz­li­chen Glück­wunsch“, sag­te Ah­med und leg­te mir kurz einen Arm um die Schul­ter. „Darf ich dir ’n Tran­qui­li­zer an­bie­ten?“
    „Nein“, sag­te ich. „Kein Be­darf. Judd hat mir Geld ge­ge­ben. Jetzt komm ich al­lei­ne durch.“ Ich muß­te nach­den­ken, und zwar oh­ne die Hil­fe von Be­ru­hi­gungs­mit­teln. Und Ah­meds Hu­mor half mir auch nicht wei­ter.
    Geld, ei­ne hei­ße Du­sche, ein Steak – ich woll­te mich an der Stadt er­freu­en, die zu ret­ten wir bei­de hel­fen woll­ten. Und nach­den­ken. Über wich­ti­ge Din­ge.
    Ich mar­schier­te los. Und als ich mich ein­mal um­dreh­te, stand Ah­med da, so groß wie er war. Er war vol­ler Schmutz und Spinn­we­ben und sah hin­ter mir her.
    Er wirk­te ganz schön ver­dat­tert.

 
5
     
    Es war ein­sam und still auf dem Bür­ger­steig, der an den Mau­ern ei­nes Kom­mu­nen­blocks vor­bei­führ­te. Da wächst man auf und glaubt, daß die Leu­te, die die Welt in Be­we­gung hal­ten, aus ih­ren Jobs das Bes­te zu ma­chen ver­su­chen – und dann sagt ei­ner was, und man sieht al­les in ei­nem an­de­ren Licht. Ich blieb ste­hen und sah mir die Mau­er an. Sie hat­te kei­ne Fens­ter und sah aus, als wür­de

Weitere Kostenlose Bücher