Der Esper und die Stadt
Larry ein launischer Finger an der tastenden Hand der Zukunft war? Irgend jemand hat mal gesagt, daß keine Macht der Welt der Kraft einer Idee widerstehen kann, deren Zeit gekommen ist. Als ich allerdings da oben lag, die Spinnen auf mir herumkrabbelten und ich dir zuhörte, hatte ich den Eindruck, du seist dabei, eine neue Metaphysik zu erfinden. Hattest du nicht noch eben vor, das Schicksal außer Kraft zu setzen?“
Der Korridor wurde breiter. Ich spürte einen staubfreien, frischen Luftzug und sah einen Lichtschimmer, der durch irgendein Loch drang. Wir brachten es hinter uns und landeten an einem Ausgang, deren Tür eingeschlagen war. „Ich weiß nicht, Ahmed“, sagte ich geistesabwesend. Er meinte wohl, ich hätte über was nachgedacht. Ich versuchte mich daran zu erinnern.
Aber ich erinnerte mich nur an Halluzinationen. Sieben komische Philosophen, die am Rande des Pazifiks saßen und mir schlechte Ratschläge erteilten. Aber sie waren meine Freunde und versuchten nur, hilfreich zu sein. Sie waren so real, daß ich riechen konnte, wie sie schwitzten. Sie konzentrierten sich und versuchten mich mit ESP zu erreichen. Aber ich blockte sie ab. Wenn man anfangt, Halluzinationen ernst zu nehmen, stecken sie einen nämlich in eine Zwangsjacke und holen einen ab. Solange man weiß, daß es nur um Einbildungen geht, ist man noch in Ordnung.
Wir stiegen über die eingeschlagene Tür, gingen ein paar Treppenstufen hoch und fanden uns in einem verwüsteten Hinterhof wieder, der sich im Mittelpunkt der Ruinen befand. Es war sehr still. In der Ferne umkreisten Polizeihubschrauber die Häuserblocks und landeten brummend auf den Straßen.
„Klar wolltest du das“, sagte Ahmed. „Du hast das Schicksal außer Kraft gesetzt. Ich hab’s doch gehört.“
Ich schaute zum Mond hinauf. Er war hell und beschien die ganze Stadt, wie das böse Schicksal in meinem Traum. Aber es war nur der Mond, und die Stadt war ruhig. Ich hatte das Schicksal mit Argumenten vernichtet; mit einem guten, von hoher Intelligenz zeugenden Syllogismus. Ich machte plötzlich einen Luftsprung und knallte die Hacken zusammen. „Das habe ich auch. Das habe ich auch.“ Und da mir niemand zuhörte, schrie ich: „He, ich hab es getan! Ich habe das Schicksal abgeschafft!“ Ich landete wieder auf dem Boden und lauschte in die Stille hinein. Der Mond sah friedlich aus; von Unheil war an ihm nichts zu bemerken. Aber trotzdem war an dieser großen, dunklen Stadt und ihren seltsamen, riesigen Gebäuden etwas, das sich wie ein schlafender Tiger anfühlte. Das rote Licht am Himmel über New York ging an und aus, an und aus, wie eine unsichtbare Leuchtreklame.
DENK NACH, DENK NACH, DENK NACH.
„Herzlichen Glückwunsch“, sagte Ahmed und legte mir kurz einen Arm um die Schulter. „Darf ich dir ’n Tranquilizer anbieten?“
„Nein“, sagte ich. „Kein Bedarf. Judd hat mir Geld gegeben. Jetzt komm ich alleine durch.“ Ich mußte nachdenken, und zwar ohne die Hilfe von Beruhigungsmitteln. Und Ahmeds Humor half mir auch nicht weiter.
Geld, eine heiße Dusche, ein Steak – ich wollte mich an der Stadt erfreuen, die zu retten wir beide helfen wollten. Und nachdenken. Über wichtige Dinge.
Ich marschierte los. Und als ich mich einmal umdrehte, stand Ahmed da, so groß wie er war. Er war voller Schmutz und Spinnweben und sah hinter mir her.
Er wirkte ganz schön verdattert.
5
Es war einsam und still auf dem Bürgersteig, der an den Mauern eines Kommunenblocks vorbeiführte. Da wächst man auf und glaubt, daß die Leute, die die Welt in Bewegung halten, aus ihren Jobs das Beste zu machen versuchen – und dann sagt einer was, und man sieht alles in einem anderen Licht. Ich blieb stehen und sah mir die Mauer an. Sie hatte keine Fenster und sah aus, als würde
Weitere Kostenlose Bücher