Der Eunuch
wünschen ließ, sich etwas früher mit Frauen befaßt zu haben. Denn, wie es jetzt mit ihm stehe, sei er ihnen nicht gewachsen, auf keinen Fall dieser Dame. „Da haben Sie Ihren Pachtvertrag“, fuhr sie fort, „Ihre Maschinen, Ihren Papiervorrat, womöglich noch Manuskripte, und vor allem natürlich die Bücher, die Sie schon druckten und an denen Sie nun jeden Tag Ihre Freude haben, wenn Sie durchs Magazin gehen. Aber, mein Lieber, mit Pachtverträgen und arabischen Wörterbüchern können Sie Ihre Leute nicht bezahlen, und ich weiß genau, daß es damit schon Schwierigkeiten gegeben hat. Sie brauchen bares Geld, damit Sie Ihre Bücher in Ruhe verkaufen und später daraus Ihre Betriebskosten decken können. Und verdienen wollen Sie doch auch einmal.“
Mahmud versicherte, daß er wolle. Als er aber eine genaue Summe nennen sollte, versuchte er nur, sich herauszureden. Ohne die Beihilfe des gewesenen Großwesirs, sagte er, hätte er niemals an die Druckerei nur denken können. Ibrahim Pascha aber habe, um der Freuden des Paradieses teilhaftig zu werden, sich seines irdischen Lebens begeben müssen, sein Vermögen sei eingezogen . ..
„Aber Ibrahim“, unterbrach sie. „Das wissen wir doch alle. Glauben Sie mir: Ich bin ehrlich überzeugt, daß ich Ihnen helfen kann. Nennen Sie doch endlich einen Betrag. Nur ungefähr. Und seien Sie nicht schüchtern.“
„Hunderttausend Piaster“, sagte er.
Seine Aufmerksamkeit war plötzlich abgelenkt, was Julienne nicht sogleich merkte.
„Hunderttausend ..rief sie ganz erschrocken. „Aber das ist ja ein Thronbesteigungsgeld! “
„Allerdings ... gewiß ..stammelte er.
„Ich bitte Sie, rechnen Sie noch einmal ganz genau nach - mit Ihrem Kanzleimann. Vielleicht, daß er ..."
Nun hörte auch sie es. Ein Streit schien im Vorraum entstanden zu sein, lauter wurden die Stimmen. Vornehmlich eine erhob sich über die andern. Die Türklinke wurde niedergedrückt.
„Unterstehst du dich, mir den Eintritt zu wehren?“ schrie die Stimme. Die Tür sprang auf. „Hundesohn!“
Im Rahmen stand ein Mann in Mahmuds Alter. Julienne, die nicht gerade schüchtern war, erschrak. Der Herr trug den runden Turban, die golddurchzogene Selimi, seine Kapanidscha war aus Goldbrokat mit Zobelbesatz. Von den Schultern hingen ihm neben den engeren angezogenen Ärmeln zwei leere für den Kuß derjenigen, deren zu geringer Rang ihnen nicht gestattete, mit ihren Lippen die Hand des Gebieters zu berühren. Dazu kamen der juwelengeschmückte Säbel, Reithosen und die roten Stiefel der Generäle.
So viel hatte Julienne inzwischen gelernt, um zu wissen, daß der Eintretende Kleider trug, die sogar den Schwiegersöhnen des Padischahs nur bei ganz besonderen Gelegenheiten erlaubt waren, und sonst nur dem Padischah, den Prinzen und dem Großwesir zustanden. Da der Großwesir jedoch reiferen Alters war, konnte man Juliennes Irrtum, die allerhöchste Person vor sich zu haben, begreifen. Sie sah sich nach Mahmud um. Der stand verschlossenen Gesichtes aufrecht da, ohne den geringsten Versuch zu einer huldigenden Verbeugung, wie sie sich ihres Vermeinens geschickt hätte.
„Bruder“, sagte Mahmud.
„Mein Padischah“, antwortete der Glänzende und versank mit über der Brust gekreuzten Armen in tiefster Verneigung nach vorn. Mahmud rührte sich nicht. Selbst Juliennes unterdrückten Aufschrei schien er nicht zu vernehmen.
„Es ist mir nicht lieb, Bruder, auch nur den geringsten meiner Untertanen von Euer kaiserlichen Hoheit ,Hundesohn‘ nennen zu hören. ,Wir sind alle Sklaven des Padischahs“ lautet die Formel. Danach gehören meine Untertanen mir, ich gehöre ihnen, und das heißt: ,Wir sind allzumal Brüder.““
„Ich bitte Euer Majestät um allerhöchstdero Befehle.“
„Ich habe nur den Befehl, mein Osman, du mögest dir einen vergnügten Tag machen.“ Damit war Sultan Osman von seinem kaiserlichen Bruder mit einem Lächeln unter Andeutung einer liebenswürdigen Verneigung entlassen.
Auf einen Wink Mahmuds blieb Ibrahim zurück und schloß hinter dem Prinzen die Tür. Für den Drucker war der kleine Zwischenfall eine Ehre. Nicht nur der Padischah, sondern auch dessen Bruder hatten seine Werkstatt besichtigt oder doch besichtigen wollen. Für
Mahmud bedeutete es das Reißen einer menschlichen Beziehung, die ihm wert geworden war. Traurig und voll des Mitleids mit sich selbst wandte er sich zu Julienne. Aber dieser ganze Aufwand an Erhabenheit war völlig vertan. Er fand sie durchaus
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